Eichendorff, „Der Jäger Abschied“

Vorüberlegungen zum Titel

Joseph von Eichendorff

Der Jäger Abschied

  • Der Titel dürfte für heutige Leser gewisse Schwierigkeiten beinhalten, weil sie zwar grundsätzlich wissen, was Jäger sind, aber weniger eine Vorstellung haben, was Abschied hier bedeuten könnte.
  • Wer sich ein bisschen näher auskennt, könnte an das „Halali“ am Ende einer Jagd denken, wenn alle Jäger vor der so genannten „Strecke“ stehen, also all den Tieren, die sie „zur Strecke gebracht“ haben. Nähere Infos dazu finden sich hier:
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Halali_(Jagd)

Strophe 1

01 Wer hat dich, du schöner Wald,
02 Aufgebaut so hoch da droben?
03 Wohl den Meister will ich loben,
04 So lang noch mein Stimm erschallt.
05 Lebe wohl,
06 Lebe wohl, du schöner Wald!

  • Die erste Strophe bringt dann zunächst einmal überhaupt keinen Bezug zu dem, was in der Gedichtüberschrift angedeutet worden ist.
  • Stattdessen beginnt das Gedicht mit einer Frage, die es dann auch gleich selbst beantwortet.
  • Es geht um die Bewunderung des Waldes und eine Art Lob oder Dank gegenüber dem Schöpfer eines solchen Wunderwerks, also Gott.
  • Erst am Ende der Strophe wird dann deutlich, dass das lyrische Ich sich aktuell von diesem Wald verabschiedet. Von anderen Jägern ist keine Rede, stattdessen wird aus der Sicht des Individuums heraus gesprochen.

Strophe 2

07 Tief die Welt verworren schallt,
08 Oben einsam Rehe grasen,
09 Und wir ziehen fort und blasen,
10 Dass es tausendfach verhallt:
11 Lebe wohl,
12 Lebe wohl, du schöner Wald!

  • Die ersten beiden Zeilen der zweiten Strophe machen dann die typische romantische Distanz deutlich zwischen der verworrenen Welt und der anscheinend gegebenen Klarheit, die einsam grasende Rehe verbreiten.
  • Die nächsten beiden Zeilen stellen dann endlich einen klare Beziehung zum Titel her. Offensichtlich verlässt das lyrische Ich mit anderen zusammen nach einer Jagd den entsprechenden Wald und preist ihn auf die gleiche Weise wie in der ersten Strophe.
  • Für den heutigen Leser ist erstaunlich, wie wenig hier von den erlegten Tieren, also von dem die Rede, ist, was Jäger als Jagderfolg verstehen und womit viele andere Menschen erst mal ein Problem haben. Immerhin geht es hier um Tiere, die eben noch gelebt haben – und mit ihnen haben feinfühlige Menschen heute in der Regel Mitleid.
  • Wer nicht selbst Jäger ist, kann wahrscheinlich auch die Beziehung von Wald und Jagderfolg nicht direkt nachvollziehen. Das gilt aber sicherlich nur für Mitteleuropa, die Welt, in der Eichendorff lebte. In anderen Teilen der Welt hat es wohl immer auch Jäger gegeben, die in Gras- und Buschlandschaften erfolgreich waren.

Strophe 3

13 Banner, der so kühle wallt!
14 Unter deinen grünen Wogen
15 Hast du treu uns auferzogen,
16 Frommer Sagen Aufenthalt!
17 Lebe wohl,
18 Lebe wohl, du schöner Wald!

  • Der Beginn dieser Strophe ist zunächst einmal schwer verständlich. Offensichtlich ist mit einem Banner eine Art Fahne gemeint. Normalerweise ist das sprachlich als Neutrum zu bezeichnen, hier ist es aber anscheinend maskulin und hervorgehoben wird eine Bewegung in der Luft bei dieser Fahne, was als kühl wahrgenommen wird. Worauf sich das bezieht, bleibt unklar.
  • Wichtiger ist dem lyrischen Ich, hervorzuheben, dass dieses Banner offensichtlich für die Erziehung der Menschen wichtig war. Dabei wiederum spielten dann fromme Sagen eine große Rolle, die auf irgendeine Art und Weise in dem Banner, zum Beispiel in einem Bild, verewigt, also dauerhaft vorzeigbar gehalten wurden.

Strophe 4

19 Was wir still gelobt im Wald,
20 Wollens draußen ehrlich halten,
21 Ewig bleiben treu die Alten:
22 Deutsch Panier, das rauschend wallt,
23 Lebe wohl,
24 Schirm dich Gott, du schöner Wald!

  • Die letzte Strophe macht dann das Walderlebnis zu einer Grundlage auch des Verhaltens außerhalb des des Waldes. Es geht im folgenden vor allem um die Treue, die diesem als deutsche empfundenen Panier (der Kampfruf auf dem Banner) entgegengebracht wird.
  • Die letzte Zeile bittet Gott an, diesen Wald zu beschützen.

Aussage und Bedeutung des Gedichtes

Insgesamt dürfte dieses Gedicht heutigen Lesen sehr fremdartig vorkommen. Zum einen ist der Beruf des Jägers bei all seiner Wichtigkeit auch für die Hege von Jagdrevieren, eher in die öffentliche Kritik geraten.

Dann bleibt die Bedeutung des Waldes doch etwas unklar. Dass er für Jäger wichtig ist, kann man noch nachvollziehen. Aber hier geht es ja ganz offensichtlich auch um eine größere Dimension der Bedeutung.

Neben dem Wald spielt die Tradition in diesem Gedicht auch noch eine große Rolle. Hier hätte man als Leser gerne etwas Genaueres erfahren, um was für Sagen es sich da handelt, die als eine Art erstrebenswertes Vorbild auf dem Banner sichtbar gemacht worden sind.

Im Zeitalter der Distanzierung von allem, was das national empfunden wird, ist darüber hinaus diese Stelle im Gedicht fragwürdig und es sollte überlegt werden, was damit positiv gemeint sein könnte.

Vergleich mit dem Gedicht „Ausflug“ von Wulf Kirsten

Noch spannender und vielleicht leichter zu klären ist die Frage, was das Gedicht von Eichendorff mit dem Gedicht „Ausflug“ zu tun hat, immerhin wird es in einer Sammlung für die Schule nebeneinander gestellt.
https://www.cornelsen.de/produkte/kursthemen-deutsch-lyrik-reisen-vom-sturm-und-drang-bis-zur-gegenwart-schuelerbuch-9783062001680

In dem Gedicht „Ausflug“ geht es ganz eindeutig um ein vordergründiges Freizeitritual, bei dem man sich offensichtlich auf dieses Gedicht von Eichendorff bezieht, indem man es gemeinsam singt.

Nun ist es bei häufig gesungen Liedern immer so eine Sache, inwieweit der schon häufig gehörte Inhalt überhaupt noch wahrgenommen wird.

Hier geht es wohl darum, dass einfach nur eine Tradition aufrecht erhalten wird, die genauso fragwürdig ist wie das Tragen von Tirolerhüten bei Leuten, die mit Tirol sonst nichts „am Hut haben“.

Die Gemeinsamkeit der beiden Gedichte dürfte also vor allem in der Oberflächlichkeit kultureller Rituale liegen. Dabei ist natürlich zu beachten, dass Eichendorff wahrscheinlich das, was er im Gedicht geschrieben hat, durchaus ernst genommen hat. Er hatte es beim Schreiben ja noch nicht schon 1000 mal gesungen 😉

Letztlich geht es um zwei verschiedene Zeit–, Wahrnehmungs– und Verwendungsebenen.

Abschließend könnte man fragen, welche Vorstellungen heute ähnlich wirksam sind bei Menschen wie es damals Wald, Tradition und Religion waren.

Mat1748 © Helmut Tornsdorf – www.schnell-durchblicken.de – Tipps und Tricks für das Überleben im Schulalltag

Weiterführende Hinweise