16 Das Vorspiel der modernen Revolutionen in Amerika

Was sagt der Buch-Auszug (siehe unten) zur Amerikanischen Revolution?

Das Folgende ist mit freundlicher Genehmigung des Verfassers des E-Books „Geschichte für Durchblicker“ entnommen.

Daher kommt auch die Nummerierung – in dem E-Book war es das Kapitel 16.

Wir fassen hier mal die zentralen Aussagen kurz zusammen:

  1. Deutlich wird der moderne Grundsatz der Demokratie, dass die Menschen, die Steuern zahlen, auch mitbestimmen wollen, was mit ihrem Geld geschieht.
  2. Um das in Zukunft zu sichern und Machtmissbrauch zu verhindern, wurde eine recht strenge Form der Gewaltenteilung erfunden.
  3. Eine große Rolle bei der weiteren Entwicklung spielt die Verbindung von Gesellschaft (bsd. auch Wirtschaft) und Religion.
  4. Politisch geht es vor allem um eine besondere Form von Liberalismus. Das bedeutet, dass der Freiheit der Menschen (ihr Glück und vor allem auch Geld „zu machen“) Vorrang gegeben wird vor jeder Form von sozialer Absicherung.
  5. Zu dem extremen Freiheitsbewusstsein gehört auch eine starke Skepsis gegenüber dem Staat.
  6. Interessant ist der Hinweis auf den Treppenwitz der Geschichte, dass der französische König einer Bewegung zum Sieg verhalf, die ihn später selbst den Kopf kostete.

13 Das Vorspiel der modernen Revolutionen in Amerika

Ganz gleich, wie man zu den heutigen USA steht: Für eine lange Zeit standen sie für die Befreiung aus der Enge Europas. Die Auswanderer glaubten wirklich, dort vom Tellerwäsche zum Millionär werden zu können.
Das, was dabei zuerst den Indianern und dann auch den Menschen aus Afrika angetan wurde, war nicht (oder zu wenig) im Blick.
Schauen wir uns also mal genauer an, wieso die Anfänge dieses Staatsgebildes und seine weitere Entwicklung viele Betrachter so stark faszinierte.

13.1 Der Ausgangspunkt: Wir wollen mitbestimmen!

Als die englischen Siedler in Amerika ihrem König in London die rote Karte zeigten, taten sie das mit einer für die Zeit typischen Begründung: „No taxation without representation!“ Wenn sie schon Steuern zahlen sollten, also etwas zum Gemeinwesen beitragen, dann wollten sie auch „repräsentiert“, d.h. mit Abgeordneten in einem Parlament vertreten sein und mitbestimmen.

13.2 Sieg der Rebellen – und Gründung eines neuen Staates, der USA

Man weiß, wie die Geschichte ausgegangen ist: Der König fand das gar nicht gut, schickte Soldaten, davon eine Menge, die er sich zum Beispiel aus Deutschland als Söldner einge-kauft hatte, und verlor am Ende den Krieg.
Die ehemaligen englischen Siedler, die sich nun „Amerikaner“ nannten, gaben sich eine Verfassung, die sich auf das Wesentliche beschränkte, sich vor allem an die Ideen von Montesquieu hielt und extrem auf Gewaltenteilung setzte:

13.3 Extreme Gewaltenteilung zum Schutz vor Willkür

Die Repräsentation erfolgte in zwei verschiedenen Kammern: Da gab und gibt es zum ei-nen das Repräsentantenhaus, das alle zwei Jahre neu gewählt wird – also ziemlich viel Demokratie. Daneben gibt es aber noch den viel wichtigeren Senat – und der wird nur alle sechs Jahre wiedergewählt – bzw. genauer: Alle zwei Jahre wird ein Drittel der 100 Sena-toren (zwei für jeden Bundesstaat) neu gewählt.
Man merkt hier schon, wie vorsichtig die Amerikaner mit der Demokratie umgingen – mög-lichst viel Stabilität (und damit letztlich auch Sicherheit) war ihnen wichtig.
Die Exekutive besteht wiederum wie in den alten Monarchien nur aus einer Person, dem Präsidenten. Was bei uns als „Minister“ bezeichnet wird, das kommt in den USA nicht über den „Sekretärs“-Status hinaus. Am deutlichsten sieht man das am Außenminister, dem „Se-cretary of State“. Der spätere amerikanische Präsident Lincoln hat das Regierungssystem mal so ganz einfach erklärt: „8 Stimmen dagegen, meine Stimme dafür, der Vorschlag ist angenommen.“
Nun ist aber sichergestellt, dass der Präsident nicht machen kann, was er will: Er selbst kann den Kongress über entsprechende Botschaften nur bitten, seine Wünsche zu Geset-zen zu machen – persönlich erscheinen darf er im Kongress nur einmal im Jahr, wenn er seine „Rede zur Lage der Nation“ hält. Auch seine wichtigsten Mitarbeiter müssen vom Kongress, meistens vom Senat, bestätigt werden.
Umso seltsamer ist es, dass sich vor allem seit dem Zweiten Weltkrieg eine Praxis heraus-gebildet hat, dass der Präsident ziemlich allein zumindest über kurze Kriege entscheiden kann, obwohl das Recht zur Kriegserklärung eigentlich beim Kongress liegt. Aber eine Weltmacht braucht wohl eigene Regeln, um schnell handeln zu können.

13.4 Eine amerikanische Spezialität – die Verbindung von Religion und Modernisierung

Noch eine weitere Eigenart ist bezeichnend für die USA, nämlich die große Bedeutung der Religion. Während seit der Aufklärung und der Französischen Revolution Modernisierung in Europa immer Befreiung von religiösen Zwängen bedeutete (man denke nur an Voltaires berühmte Parole „Ecrasez l’infâme“! (wörtlich: „Zermalmt die Niederträchtigen!“)) hatten schon die Pilgrim Fathers in Amerika Freiheit für (!!!) ihre Religion gesucht. Eine große Rolle spielt auch die Vorstellung, die USA seien eine Art zweites Jerusalem, eine neue „Stadt auf dem Hügel“, wie es der erste Gouverneur von Massachusetts in seinem Buch „A Model of Christian Charity“ formulierte. [Anm1]
Dass das heute angesichts der Verhältnisse zum Beispiel in Guantanamo nicht mehr jedem gleich einleuchtet, steht auf einem anderen Blatt und ändert nichts am amerikanischen Selbst- und Sendungsbewusstsein.

13.4a: Nachtrag: Die Interpretation des amerikanischen Erfolgs durch Max Weber

Der deutsche Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler Max Weber hat 1904/1905 eine interessante Theorie über die Verbindung von Religion und Erfolg präsentiert – und zwar unter dem Titel: „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“.

Im Wikipedia-Artikel:

https://de.wikipedia.org/wiki/Die_protestantische_Ethik_und_der_Geist_des_Kapitalismus

wird am Beispiel der Prinzipien Benjamin Franklins sehr gut deutlich, welch eine ungeheure Zielstrebigkeit bei Verzicht von unnötigem Konsum viele Amerikaner angetrieben hat:

  • „Bedenke, dass die Zeit Geld ist…
  • Bedenke dass Kredit Geld ist…
  • Bedenke, dass Geld von einer zeugungskräftigen und fruchtbaren Natur ist…
  • Bedenke, dass … ein guter Zahler der Herr von jedermanns Beutel ist…
  • Neben Fleiß und Mäßigkeit trägt nichts so sehr dazu bei, einen jungen Mann in der Welt vorwärts zu bringen, als Pünktlichkeit und Gerechtigkeit bei allen seinen Geschäften…
  • Der Schlag deines Hammers, den dein Gläubiger um 5 Uhr morgens oder um 8 Uhr abends vernimmt, stellt ihn auf sechs Monate zufrieden; sieht er dich aber am Billardtisch oder hört er deine Stimme im Wirtshause, wenn du bei der Arbeit sein solltest, so lässt er dich am nächsten Morgen um die Zahlung mahnen, und fordert sein Geld, bevor du es zur Verfügung hast…
  • …halte eine genaue Rechnung über deine Ausgaben und dein Einkommen…
  • Wer 5 Schillinge „verliert“, verliert nicht nur die Summe, sondern alles, was damit bei Verwendung im Gewerbe hätte verdient werden können, – was, wenn ein junger Mann ein höheres Alter erreicht, zu einer ganz bedeutenden Summe aufläuft. (Bd. 1, S. 40–42)“

Deutlich wird hier,

  1. wie extrem der Gedanke der optimalen Nutzung der Zeit ist
  2. wie sehr man in Geld etwas sieht, was sich bei richtigem Einsatz von selbst vermehren kann,
  3. welche Rolle Selbstdisziplin, aber auch „Gerechtigkeit“ spielen. Gemeint ist damit der calvinistische Grundsatz, dass ehrlich erworbener Reichtum gleichzeitig ein gottgefälliges Werk ist.

13.5 Das amerikanische Prinzip: Möglichst viel selbst regeln

Interessant dürfte auch sein, dass es ursprünglich in den USA überhaupt keine Menschen-rechte in der Verfassung des Bundesstaates gab, die sind erst im Laufe der Zeit hinzuge-fügt worden. Die USA verstanden sich eben vor allem als ein Bund von Einzelstaaten – und die sollten möglichst viel selbst entscheiden können.
Das setzt sich auf der Ebene des einfachen Staatsbürgers fort: Die meisten Amerikaner sind von tiefem Misstrauen gegen „die in Washington“ erfüllt und setzen vor allem auf Eigenverantwortlichkeit.

13.6 Die USA und Frankreich – eine interessante Beziehung

Vielleicht noch ein „historischer Treppenwitz“ am Ende: Es war der französische König, der die rebellierenden Siedler gegen den englischen König unterstützte – am Ende fiel er selbst den Ideen zum Opfer, die er unterstützt hatte.
Damit sind wir auch schon bei der Französischen Revolution – aber bevor wir uns auf die stürzen, sollten wir uns erst ein paar Gedanken machen über das „lange Jahrhundert“, das mit ihr weit vor der entsprechenden Jahreszahl eröffnet wurde.

Weiterführende Hinweise

  • Weitere Infos zu Themen der Geschichte:
    http://textaussage.de/geschichte
  • Ein alphabetisches Gesamtverzeichnis unserer Infos und Materialien gibt es hier.
  • Eine Übersicht über unsere Videos auf Youtube gibt es hier.