Das 13. Kapitel des Romans „tschick“.
In dem Kapitel hat Maik keine Lust nach Hause zu gehen, stellt dann fest, dass er durch das Gespräch mit Tschick sein Fahrrad in der Schule hat stehen lassen. Auf dem Weg dorthin muss er über eine Brachfläche, die ihn an das gescheiterte Bauprojekt seines Vaters erinnert.
Zitat 1: Der Indianerturm
- „Zum dritten Mal an diesem Tag führte mich der Weg vorbei an dem großen Sandhügel und an dem Spielplatz, wo das Brachland beginnt.
- Da setzte ich mich auf den Indianerturm.
- Ein riesiger Holzturm, den sie mit einem halben Fort zusammen da hingebaut haben, damit kleine Kinder Cowboy und Indianer spielen könnten, wenn es irgendwo kleine Kinder gäbe.
- Aber ich habe noch nie ein Kind da gesehen. Auch keine Jugendlichen oder Erwachsenen. Nicht mal Junkies übernachten da.
- Nur ich sitz manchmal oben auf dem Turm, wo mich keiner sehen kann, wenn’s mir scheiße geht.“
- […]
- „Und okay, ich gebe zu, es gibt noch einen anderen Grund, warum ich von diesem Spielplatz angefangen hab.
- Weil man in Wirklichkeit auch zwei weiße Mietshäuser sehen kann von da, von oben vom Turm.
- Die Mietshäuser stehen hinter der Kleingartenkolonie, irgendwo hinter den Bäumen, und in einem davon wohnt Tatjana.
- Ich wusste zwar nie, wo ganz genau, aber es gibt ein kleines Fenster oben links, wo in der Dämmerung immer ein grünes Licht angeht, und aus irgendwelchen Gründen hab ich mir eingebildet, dass das Tatjanas Zimmer ist.
- Und deshalb sitze ich manchmal auf dem Indianerturm und warte auf das grüne Licht.
- Wenn ich vom Fußballtraining komm oder vom Nachmittagsunterricht. Dann schau ich zwischen den Brettern durch und schnitze mit meinem Haustürschlüssel Buchstaben ins Holz,
- und wenn das Licht aufleuchtet, wird mir immer ganz warm ums Herz,
- und wenn es nicht leuchtet, ist das jedes Mal eine Riesenenttäuschung. „
- […]
- „Sechs Wochen keine Schule. Sechs Wochen keine Tatjana. Ich sah mich schon an einem Strick vom Indianerturm baumeln“
Die Stelle zeigt,
- wie sehr Tatjana Maik beschäftigt,
- dass er dabei durchaus seine Fantasie bemüht, um sich vorzustellen, wo sie wohnen könnte.
- Deutlich wird aber auch, wie wichtig insgesamt für Maik dieser Indianerturm als Rückzugsort ist.
- Maiks Ferienfrust steigert sich am Ende sogar in eine – allerdings nicht ernst gemeinte – Selbstmordfantasie.
Zitat 2: Maiks Geschicklichkeit in puncto Schauspielerei und Kommunikation
Der zweite Schwerpunkt des Kapitels ist der Hinweis des Vaters, er müsse jetzt wegen einer Geschäftsreise Maik für 10 Tage allein lassen. In Wirklichkeit will der Vater sich während des Klinikaufenthalts der Mutter ein paar schöne Tage mit seiner jungen Assistentin machen. Maiks Reaktion zeigt mal wieder sein Kommunikationstalent.
- „Ich machte ein Gesicht, das ausdrücken sollte, dass ich ungeheuer schwer darüber nachdenken musste, ob ich diese Hiobsbotschaft verkraften konnte.
- Konnte ich das verkraften?
- Vierzehn Tage allein in dieser feindlichen Umwelt aus Swimmingpool, Klimaanlage, Pizzadienst und Videobeamer?
- Ja, doch, ich nickte betrübt, ich könnte es versuchen, ja, ich würde es wahrscheinlich überleben.
- Das Dackelgesicht entspannte sich nur kurz. Ich hatte es wohl etwas übertrieben. Und dass du keinen Scheiß machst! Glaub nicht, dass du Scheiß machen kannst, Ich lass dir zweihundert Euro hier, die liegen schon unten in der Schale, und wenn irgendwas ist, rufst du sofort an. Bei deinem Geschäftstermin. Ja, bei meinem Geschäftstermin. Er sah mich wütend an.“
- […]
Die Stelle zeigt,
- wie gut Maik auch Körpersprache einsetzen kann.
- Überhaupt kann er sehr gut schauspielern.
- Auch kommt gut über, was er zugleich in Wirklichkeit denkt.
- Außerdem gelingt es ihm, seinen Vater in eine Art Verteidigungshaltung zu zwingen, weil Maik ihn durchschaut.
Zitat 3: Maiks Erzähltalent – Einbau einer fiktiven Geschichte in einen fiktiven Roman
- „Ich knallte die Tür zu, schloss die Augen und stand eine Minute lang völlig still.
- Dann warf ich mich auf die Fliesen und schluchzte.
- Mona! , rief ich.
- Und es schnürte mir die Kehle zu.
- Ich muss dir etwas gestehen!
- Im leeren Windfang hatte meine Stimme einen beängstigen- den Hall,
- und Mona, die es schon geahnt zu haben schien, dass ich ihr etwas gestehen musste, hielt sich entsetzt die Hände vor den Mund. Ihr Pullover hob und senkte sich aufgeregt.
- O Gott, o Gott! , rief sie.
- Du darfst das nicht falsch verstehen , schluchzte ich, ich würde doch niemals freiwillig für die CIA arbeiten!
- Aber sie haben uns in der Hand – verstehst du?
- Und natürlich verstand sie das.
- Weinend brach sie neben mir zusammen.
- Aber was sollen wir denn machen? , rief sie verzweifelt.
- Wir können nichts machen! , antwortete ich. Wir können nur ihr Spiel mitspielen. Das Wichtigste ist, die Fassade aufrechtzuerhalten.
- Du musst dir immer klarmachen, dass ich jetzt ein Achtklässler bin und wie ein Achtklässler aussehe und dass wir einfach normal unser Leben weiterleben, mindestens noch ein, zwei Jahre, als ob wir uns überhaupt nicht kennen!
- O Gott, o Gott! , rief Mona und umklammerte schluchzend meinen Hals. Wie konnte ich nur an dir zweifeln?
- O Gott, o Gott! , rief ich, und ich presste meine Stirn auf die kalten Fliesen und krümmte mich auf dem Boden und heulte noch ungefähr eine halbe Stunde lang.
- Danach ging es mir besser.“
Die Textstelle zeigt,
- auf welch originelle Weise Maik die Sache mit seinen Eltern und Mona verarbeitet.
- Er zieht sie einfach in eine eigene ausgedachte Geschichte hinein,
- in der er eine ungewöhnliche Rolle spielt
- und Mona ganz für sich einnehmen kann.
- Der besondere Trick dabei: Er macht seine aktuelle Rolle als Achtklässler zu einer Schein-Rolle, um sich zu tarnen.
- Am Ende geht es ihm besser.
- Insgesamt zeigt er hier, dass er über genauso viel Fantasie verfügt wie Tschick bei der Brecht-Geschichte.
Weiterführende Hinweise
- Zu den weiteren Kapiteln des Romans „tschick“
- Weitere Infos zu dem Roman „tschick“ in unserem Stichwortverzeichnis zum Buchstaben „T“
- Ein alphabetisches Gesamtverzeichnis unserer Infos und Materialien gibt es hier.
- Eine Übersicht über unsere Videos auf Youtube gibt es hier.