Kafka, „Die Verwandlung“ – schnell durchblicken – Inhalt, Zitate, Detail-Interpretation

Was heißt für uns: schnell durchblicken?

Im Folgenden stellen wir Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“ in insgesamt 10 Schritten so vor, dass man schnell einen Überblick über den Inhalt bekommt, aber auch wichtige Schlüsselzitate kennt.

Video mit Dokumentation

Inzwischen gibt es auch ein Video, das hier zu finden ist:
https://youtu.be/1TLJkGm-Wys

Die Dokumentation kann hier angeschaut bzw. heruntergeladen werden:

Mat2902 vf Kafka Verwandlung Kurzversion Inhalt, Zitate, Detail-Interpretation

Die Seitenzahlen bei den Zitaten beziehen sich auf die E-Book-Fassung der Reclam-XL-Ausgabe der Erzählung.

Kommen wir jetzt zu der Textfassung, die für uns der Ausgangspunkt des Videos war:

1. Aufwachen in „Ungeziefer“-Existenz – mit Vorgeschichte

  • Gregor Samsa, ein junger Handlungsreisender findet sich eines Morgens „zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt“ (05). Das heißt: Bei ihm findet zu Beginn der Erzählung keine Verwandlung statt, sie ist schon passiert.
  • Bezeichnend ist, er wacht aus „unruhigen Träumen“ (05) auf – und bald erfährt man auch, dass der Mann schon vorher gar nicht glücklich gewesen ist. Er leidete nämlich unter der „Plage des Reisens“ (6) und macht das nur noch mit wegen der „Schuld“ (Schulden) der Eltern. Ganz klar ist: „Der Teufel soll das alles holen“ (06) – und in spätestens 5-6 Jahren wird der „große Schnitt gemacht“ (07).

2. Bemühen um Normalität – hofft: alles ist „reine Einbildung“

  • Erstaunlich ist, wie Gregor an der Vorstellung festhält, er könne auch in seiner Tiergestalt mit leichter Verzögerung sein normales Leben weiterführen. Die Mutter wird durch die geschlossene Tür beruhigt.  Allerdings erschreckt ihn seine stark veränderte Stimme.
  • Gregor glaubt wirklich, durch ruhiges Überlegen alles in Ordnung bringen zu können.
  • Das Aufstehen gelingt ihm nicht und so bleibt er im Bett.
  • Interessant ist, dass er bei der Frage, ob er sich Hilfe holen soll, „ein Lächeln nicht unterdrücken kann“ (11). Anscheinend weiß ein Teil von ihm doch, dass das alte Leben nicht einfach weitergehen kann.

3. Erscheinen des Prokuristen – Zuspitzung der Lage

  • Als dann der Prokurist, also ein Vertreter der Geschäftsleitung erscheint, muss der Gregor immer noch durch die geschlossene Tür deutlich machen, dass seine Situation in der Firma „durchaus nicht die festeste“ ist (14). Es gibt also größere Probleme, als Gregor sich (und dem Leser) eingesteht.
  • Gregors Verblendung wird deutlich, als er die Tür aufmachen will – im Glauben, dann hätte er „keine Verantwortung mehr“ (15).
  • Als er dann wirklich in seiner Tiergestalt sichtbar wird, weicht der Prokurist erschrocken zurück, „als vertreibe ihn eine unsichtbare, gleichmäßig fortwirkend Kraft“ (18). Der Vater ballt erst „mit feindseligem Ausdruck die Faust“ (18), dann fängt er an zu weinen. Der Grund wird später deutlich: Gregor ist anscheinend nicht mehr in der Lage, die für die Familie bequeme Vollversorger-Rolle auszufüllen.
  • Das einzige, was Gregor schafft, ist eine lange Rede, in der er den Prokuristen bittet, in der Firma für ihn einzutreten. Das ist natürlich völlig illusorisch.
  • Als Gregor dem Prokuristen auch noch nachlaufen möchte, wird der Vater erstmals aggressiv und treibt Gregor in sein Zimmer zurück – mit einem „wahrhaftig erlösenden starken Stoß“ (23), der bei dem Sohn eine blutende Wunde zurücklässt.

4. Versorgung durch die Schwester – Kapital des Vaters

  • In der Folgezeit (Kapitel 2) bemüht sich die Schwester, ihrem Bruder in Tiergestalt die passende Nahrung zu bringen. Ansonsten ist Gregor stolz darüber, „dass er seinen Eltern und seiner Schwester ein solches Leben in einer so schönen Wohnung hatte verschaffen können“ (25).
  • Aber er hat auch Angst, dass jetzt „alle Zufriedenheit ein Ende mit Schrecken“ nehmen“ (25) könnte, und muss überlegen, „wie er sein Leben neu ordnen sollte“ (25)
  • Auch die Eltern und die Schwester sprechen darüber – offensichtlich im klaren Bewusstsein, dass man sich in der aktuellen Situation irgendwie einrichten muss.
  • Dabei stellt sich heraus, dass der Vater doch noch einiges an Kapital hat und trotzdem Gregors mit viel Anstrengung verdientes Geld „dankbar“ (30) annimmt, ohne dass sich damit eine „besondere Wärme“ (30) ergeben hätte – ein eindeutiges Zeichen für eine sehr ungesunde Situation.
  • Gregor findet das mit dem Kapital völlig in Ordnung und möchte sich gar nicht vorstellen, dass die anderen jetzt selbst arbeiten müssen.

5. Aufstieg der Schwester und ihr Verrat an Gregor

  • Im Laufe der Zeit wird immer deutlicher, dass die Schwester durch die alleinige Versorgung des Bruders ihre Stellung in der Familie ausbaut und auch keine Hemmungen hat, die Mutter von ihrem Sohn fernzuhalten.
  • Als es dann doch zu einer Begegnung kommt, findet die unter den ungünstigsten Umständen statt. Gegen den Willen Gregors und auch der Mutter soll sein Zimmer freigeräumt werden.
  • Interessant in dem Zusammenhang ist, dass Gregor vor allem das Bild einer Dame an der Wand verteidigen will – das steht offensichtlich für ein anderes Leben als das eines überforderten Handlungsreisenden.
  • Genau in der Situation, als brauner Fleck an das Bild geklammert, sieht die Mutter ihren Sohn erstmals in seiner neuen Gestalt und bricht gleich ohnmächtig zu sammen.
  • Die Schwester hat dann keine Hemmungen, das dem Vater so darzustellen, als wäre Gregor „ausgebrochen“ (41). Der ist „gleichzeitig wütend und froh“ (41) und treibt mit Apfelwürfen den Sohn zurück, wobei der eine ziemliche Wunde am Rücken davonträgt.

6. Ein gewisses Maß an Normalisierung in der Familie

  • Erstaunlicherweise kommt dem Vater jetzt doch die Einsicht, „dass Gregor trotz seiner gegenwärtigen traurigen und ekelhaften Gestalt ein Familienmitglied war, das man nicht wie einen Feind behandeln durfte, sondern dem gegenüber es das Gebot der Familienpflicht war, den Widerwillen hinunterzuschlucken und zu dulden, nichts als zu dulden.“
  • Das führt dazu, dass Gregor den Gesprächen der Familie wenigstens von weitem zuhören darf.
  • Ansonsten haben Vater, Mutter und Schwester angefangen zu arbeiten und sie bedauern es, wegen Gregor nicht in eine kleinere Wohnung umziehen zu können. Er wird immer mehr zu einem Störfaktor.
  • Auch die Schwester kümmert sich nicht mehr groß um die Essensauswahl und auch Gregors Zimmer wird nur noch oberflächlich gereinigt.
  • Umso penibler achtet sie darauf, dass die Mutter nicht zu ihrem Sohn kommt. Als sie Gregors Zimmer einmal gründlich reinigt, gibt es richtig Ärger.
  • Noch schlimmer wird es für Gregor, als eine neue Bedienerin eingestellt wird, die ihn hemmungslos als „Mistkäfer“ (49) beschimpft und sein Zimmer zu einer richtigen Rumpelkammer macht.

7. Gretes Musizieren – zwischen Sehnsucht und Eklat

  • Die Familie hat zur finanziellen Entlastung ein Zimmer an drei sog. „Zimmerherren“ vermietet.
  • Eines Abends hören sie die Violine von Gregors Schwester und bitten sie, ihnen vorzuspielen.
  • Gregor ist ganz fasziniert. Dabei wird deutlich, welche Bedürfnisse er wirklich hat: „Ihm war, als zeige sich ihm der Weg zu der ersehnten unbekannten Nahrung.“ (53) Er geht sogar soweit, sich ein gemeinsames Leben mir der Schwester, der er ein Musikstudium hat finanzieren wollen, vorzustellen.
  • Als die Zimmerherren dann Gregor sehen, kommt es zum Eklat. Mit „Rücksicht auf die in dieser Wohnung und Familien herrschenden widerlichen Verhältnisse“ (55) kündigen sie sofort ihr Zimmer.

8. Erklärung der Schwester: „Das Untier muss weg“

  • Die Leidensfähigkeit und auch das Mitleid vor allem der Schwester und des Vaters sind aufgebraucht: Die Schwester setzt alles daran, das „Untier“ (56)  – so bezeichnet sie ihren Bruder – „loszuwerden“ (56).
  • Den noch vorhandenen Bedenken des Vaters begegnet sie mit den Worten: „Du musst bloß den Gedanken loszuwerden suchen, dass es Gregor ist.“ (57)
  • Dieser akzeptiert das auch sofort und kehrt in sein Zimmer zurück, was die Schwester nur mit einem „Endlich“ (58) kommentiert, bevor sie den Schlüssel im Schloss umdreht.

9. Gregor stirbt in Frieden

  • Erstaunlicherweise akzeptiert Gregor seinen endgültigen Ausschluss aus der Familie nicht nur, sondern fühlt sogar „verhältnismäßig behaglich“, was vor allem seinen neuen Körper angeht.
  • An die Familie denkt er sogar „mit Rührung und Liebe“ (59) und seine „Meinung darüber, dass er verschwinden müsse“ erscheint ihm „womöglich noch entschiedener, als die seiner Schwester.“ (59)
  • In einem „Zustand leeren und friedlichen Nachdenkens“ (59) sinkt sein Kopf schließlich nieder. Dann heißt es: „… und aus seinen Nüstern strömte sein letzter Atem schwach hervor.“ (59) Kafka verwendet hier ein Wort, das man eigentlich nur bei Pferden verwendet. Man hat den Eindruck, dass das letzte, was man über den lebenden Gregor erfährt, nicht mehr mit „Ungeziefer“ verbunden werden soll.
  • Sehr viel weniger Achtung bringt die Bedienern Gregors Leiche entgeben: Für sie ist da nur etwas, was sie vorher schon als „Miststück“ bezeichnet hat, „ganz und gar kreptiert.“ Sie hat auch keine Hemmungen, das, was von Gregor übriggeblieben ist, auch noch den Zimmerherren zu präsentieren.

10. Auf ins Familienglück?

  • Der Rest der Familie beschließt, „den heutigen Tag zum Ausruhen und Spazierengehen zu verwenden“ (62).
  • Für den Vater sind die Prioritäten jetzt ganz klar: „Also kommt doch her. Lasst schon endlich die alten Sachen. Und auch nehmt ein wenig Rücksicht auf mich.“ (63)
  • Unterwegs werden sie sich klar, dass die „Aussichten für die Zukunft […] durchaus nicht schlecht“ (63) sind.
  • Die Eltern freuen sich darüber, dass ihre Tochter „zu einem schönen und üppigen Mädchen aufgeblüht“ (63) ist, für die sie jetzt „einen braven Mann“ (63) suchen wollen.
  • Der letzte Satz der Erzählung ist bezeichnend: „Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren jungen Körper dehnte.“ (63)
  • Das ist natürlich ein guter Ausgangspunkt, die Erzählung weiterzuschreiben und dabei einiges weiterwirken zu lassen, was sie jetzt schnell vergessen wollen.

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