1 Von der totalen Machtergreifung zum Zweiten Weltkrieg
Hitler war ein Politiker, der von vornherein in den Kategorien von Gewalt und Krieg dachte und eigentlich auch nichts anderes konnte. Seine scheinbaren Erfolge jedenfalls wurden immer mit einem hohen Preis erkauft. Wo er sich friedlich gab, wollte er damit nur taktische Möglichkeiten ausloten oder Zeit gewinnen.
1.1 Hitler am Anfang scheinbar friedlich in der Außenpolitik
Während Hitler die Umsetzung seines Rasseprogramms und die Verfolgung der Juden nach seiner Machtergreifung zunächst noch zurückstellte, machte er schon ganz am Anfang in einer geheimen Besprechung mit Militärs deutlich, dass sein Ziel kriegerische Eroberungen in Osteuropa waren.
Quelle: http://www.ns-archiv.de/krieg/1933/03-02-1933.php
In der Öffentlichkeit hielt er sich aber auch hier zunächst zurück, beteuerte seinen Friedenswillen und schloss im Januar 1934 sogar einen Nichtangriffspakt mit dem Land, das auf jeden Fall von seinen Lebensraumplänen betroffen sein würde, nämlich Polen. Für dieses Land gab es nur zwei Möglichkeiten, es konnte bei kriegerischen Aktionen gegen die kommunistische Sowjetunion mitmachen – mit ungewissem Ausgang für seine eigene Zukunft – oder gleich mit zum Opfer werden.
Wie wenig Hitler wirklich daran dachte, sich an solche Abmachungen zu halten, wurde später noch sehr deutlich. In die gleiche Richtung geht auch, dass er Deutschland schon im Oktober 1933 aus dem Völkerbund austreten ließ, um sich internationaler Kontrolle möglichst zu entziehen.
1.2 Verstoß 1 gegen den Versailler Vertrag: Die Allgemeine Wehrpflicht
Im März 1935 ließ Hitler wieder die allgemeine Wehrpflicht einführen, was ein klarer Verstoß gegen den Versailler Vertrag war. Dass der aber auch von den ehemaligen Siegermächten nicht mehr allzu ernst genommen wurde, zeigt das Flottenabkommen, das Großbritannien im Juni 1935 ganz allein mit Deutschland schloss. Interessant ist, dass dabei bei U-Booten den Deutschen die Parität zugestanden wurde, während das Verhältnis der Seestreitkräfte insgesamt nur 35% der britischen betragen sollte. Hintergrund war, dass die englische Regierung ein neues Wettrüsten verhindern wollte – zugleich war es ein Einstieg in die sog. Appeasement-Politik, den Versuch, Hitler mit Zugeständnissen zu „beruhigen“.
1.3 Verstoß 2 gegen den Versailler Vertrag: Einmarsch ins Rheinland
Vor diesem Hintergrund ist es dann auch kein Wunder, dass Hitler im März 1936 seine Soldaten problemlos in das eigentlich entmlititarisierte Rheinland einmarschieren lassen konnte, ohne dass die Westmächte darauf wirklich reagierten. Hitler hat später zugegeben, dass das der gefährlichste Moment seiner Vorkriegspolitik gewesen sei, weil die Wehrmacht damals noch sehr schwach war und sich bei Gegenmaßnahmen hätte zurückziehen müssen. Auch hier wieder Appeasement-Politik. Bei Hitler zeigte sich, dass ihn das nicht ruhigstellte, sondern ihm nur das Gefühl gab, es mit schwächlichen Demokraten zu tun zu haben.
1.4 Das scheinbar ruhige Jahr 1937 mit einem brisanten Protokoll
Das Jahr 1937 verlief dann ohne größere außenpolitische Überraschungen. Im Inneren aber sorgte Hitler dafür, dass Leute, die ihm in einer geheimen Besprechung (siehe das sog. Hossbach-Protokoll) widersprochen hatten, ihre Ämter verloren. Dazu gehörten der Außenminister, der Reichswehrminister und der Oberbefehlshaber des Heeres.
Joachim von Ribbentrop, ein Nationalsozialist, wurde neuer Außenminister – die militärische Spitze wurde völlig neu aufgestellt, indem ein Oberkommando der Wehrmacht eingerichtet wurde – Hitler selbst übernahm die Funktion des Kriegsministers – so hießen die für das Militär zuständigen Minister damals noch, ohne dass man damit Probleme hatte. In Großbritannien wurde aus dem „Secretary of State for War“ erst 1964 ein Secretary of Defence.
1.5 Verstoß 3 gegen den Versailler Vertrag: Der Anschluss Österreichs
Im Jahr 1938 kam dann wiederum im März der erzwungene Anschluss Österreichs an Deutschland hinzu. Hitler sprach seitdem von dem sogenannten Großdeutschen Reich. Während diese Aktion nicht viel Aufsehen erregte, weil mit ihr gewissermaßen ein Fehler des Versailler Vertrages in Ordnung gebracht wurde und Deutsche wieder zueinander fanden, riskierte Hitler im Herbst 1938 wieder einmal alles, als er ultimativ forderte, dass die Tschechoslowakei ihre westlichen Gebiete, die von Deutschen bewohnt wurden, den sogenannten Sudetendeutschen abtrat.
1.6 Ein Schritt zuviel: Die Zerschlagung des tschechischen Staates
Er hatte hoch gepokert und gewonnen. Am Ende bekam er alles im sogenannten Münchener Abkommen zugestanden, das betroffene Land wurde gar nicht gefragt. Das war der Höhepunkt der Appeasement-Politik – als Hitler seine Soldaten dann im März 1939 auch noch den deutlich geschwächten tschechischen Staat besetzen ließ, war das Maß für die Westmächte voll. England gab eine Garantie-Erklärung für das unter Umständen als nächstes bedrohte Polen ab, was im September 1939 zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs führte.
1.7 Hitlers Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion ist das Aus für Polen im Zweiten Weltkrieg
Erleichtert wurde Hitler sein Überfall auf Polen durch einen Nichtangriffspakt, den er mit seinem eigentlichen ideologischen Todfeind Stalin wenige Tage vorher zur Überraschung der ganzen Welt abgeschlossen hatte. Damit hatte er den Rücken frei für militärische Aktionen und musste keinen Zweifrontenkrieg führen. Die Westmächte konnten Polen nicht helfen, das in wenigen Wochen von deutschen Truppen besiegt wurde, zumal am 17.9.1939, also zweieinhalb Wochen nach dem deutschen Angriff, auch noch sowjetische Truppen in Ostpolen einfielen und sich schließlich mit den Deutschen das Land teilten.
Auch unter sowjetischer Herrschaft kam es zu Menschenrechtsverletzungen – so zu einem schrecklichen Massaker bei Katyn, dem Tausende von Offizieren zum Opfer fielen.
1.8 Weitere „Blitzkriege“
Der Einmarsch in Polen war erst der erste Blitzkrieg, den Hitlers Wehrmacht erfolgreich führte. Im Frühjahr 1940 marschierte sie in Dänemark und Norwegen ein, um die Erzzufuhr aus Schweden zu sichern – und im Mai 1940 konnte sie in einem kurzen Feldzug das erreichen, was im Ersten Weltkrieg nicht gelungen war, nämlich den Sieg über Frankreich.
Hitler wurde damit in den Augen seiner Soldaten und der Bevölkerung zum „größten Feldherren aller Zeiten“, auch wenn das einige satirisch zu „Gröfaz“ abkürzen. Sein Problem war, dass England unter dem neuen Regierungschef Churchill standhaft blieb und sich auf keine Verhandlungen einließ, auch nicht, als der Stellvertreter des Führers, Rudolf Hess, eigenmächtig mit dem Fallschirm über England absprang, um doch noch die Traumallianz aus NS-Sicht zwischen einer Landmacht Deutschland und einer Seemacht England zu erreichen.
1.9 Übergang zum Größenwahn: Nach Großbritannien noch die Sowjetunion
Als auch ein sehr intensiver Bombenkrieg die englische Bevölkerung nicht zermürbte und die Royal Navy erfolgreich jeden Ansatz einer deutschen Landung auf der Insel verhinderte, änderte Hitler wie Napoleon etwas mehr als 130 Jahre früher seine Pläne und überfiel mit seinen Soldaten im Juni 1941 die Sowjetunion, womit ein mörderischer Weltanschauungskrieg begann, in den immer stärker auch im Rahmen von Massenmordaktionen Juden einbezogen wurden.
1.10 Größenwahn, Teil 2: Die Kriegserklärung an die USA und der Holocaust
Als dann im Dezember 1941 japanische Streitkräfte die USA in Pearl Harbour überfielen und der deutsche Vormarsch vor Moskau steckenblieb, intensivierte die Naziführung den Kampf gegen die Juden und begann mit der Ermordung von Millionen von Juden. Vorbereitet wurde sie in der sog. Wannseekonferenz im Januar 1942. Hitler kam jetzt an den End- und Höhepunkt seines Rassenwahns: Er sah in den Juden sowohl die geistigen Väter der Bolschewisten als auch diejenigen, die ihm mit den USA erneut einen Weltkrieg aufzwangen, den Deutschland kaum gewinnen konnte. Viel spricht dafür, dass er in seinem Wahn wenigstens die Juden vernichten wollte, wenn er schon seine anderen Ziele nicht erreichte.
Eine aktuelle Hitler-Biografie von Wolfram Pyta: Hitler, der Künstler als Politiker und Feldherr ; eine Herrschaftsanalyse, erschienen im Siedler Verlag in erster Auflage 2015, macht auf den Seiten 495 den Zusammenhang Holocaust und Krieg gegen die USA sehr deutlich:
„Die Atlantik-Charta stellt für Hitler die inoffizielle Kriegserklärung des anglo-amerikanisch-jüdischen Hauptfeindes dar. Im vertrauten Kreis verkündete er, dass ich seine Prophezeiung vom 30. Januar 1939 damit bestätigt habe: Die Juden hätten sich in den USA als ihrer wichtigsten Bastion festgesetzt, weil sie im deutsch beherrschen Europa einschließlich der Sowjetunion keine destruktive Rolle mehr spielen könnten: ‚Ihre letzte Zuflucht bleib Nordamerika.’ Von dort aus hätten sie ihren Einfluss geltend gemacht, ‚noch einmal einen Weltkrieg zu provozieren’, aber dieser werde „mit der Vernichtung der Juden enden’“.
Dass Hitler damit einer selbstgemachten Fiktion aufsaß, die in dieser Form mit der Realität nichts zu tun hatte, ändert nichts daran, dass es sich hier um den Schlüssel zum Verständnis seiner Bereitschaft zum Massenmord handelt. Man kann fassungslos vor dem Phänomen des Holocaust stehen, aber das ändert nichts daran, dass Hitler eine ganz eigene Täterlogik entwickelt hatte, auf deren Hintergründe wird im Folgenden noch kurz eingehen.