Klausur: Was sollte man wissen, verstanden haben und können
- Zunächst einmal sollte man einiges wissen,
- Das sollte man auch noch verstanden haben, also auch auf andere Bereiche übertragen können.
- Außerdem sollte man auch noch über „Kompetenzen“ verfügen, also bestimmte Abläufe beherrschen.
Worum es hier geht:
Wir bauen hier das fortlaufend auf – d.h. es handelt sich hier um erste Bausteine, aus denen im Laufe der Zeit ein richtiges „Gebäude“ werden soll, in dem man Arbeiten und Prüfungen gut übersteht.
Wichtig ist uns, die Informationen auf das Wesentliche zu reduzieren und möglichst in eine systematische Reihenfolge zu bringen, die man sich gut merken kann.
Infos zur Autorin und zum Text
- Judith Hermann, geboren 1970 in Berlin (also mit Bezug zum Raum der Erzählung)
- Studium der Germanistik und der Philosophie, außerdem Musikwissenschaften, also jemand, der sich auch professionell mit Literatur auskennt
- Besuch einer Journalistenschule und Arbeit in dem Bereich, also auch mit Wissen um die Frage, wie man Texte für Leser attraktiv macht
- war als Sängerin mit einer Band unterwegs, weiß also auch, sich vor Publikum zu präsentieren
- 1997 Alfred-Döblin-Stipendium, 3 Monate im Haus des Dichters in Schlewsig-Holstein, Alfred Döblin = Autor des berühmten Romans „Berlin Alexanderplatz“, 1929
- während dieser Zeit entstanden die Erzählungen, die in einem Band versammelt wurden, der 1998 veröffentlicht wurde – mit dem Titel „Sommerhaus, später“, der auch für eine Erzählung verwendet wurde.
- sehr erfolgreich, über 250.000 Exemplare
- weitere Preis und weitere Bände mit Erzählungen
- 2007 auch eine filmische Fassung, aber nicht von „Sommerhaus, später“: Hier ergibt sich die Frage, ob man die Erzählung mit diesem Titel überhaupt verfilmen könnte
- Interessant sind Hinweise, dass Judith Hermann nach ihrem großen Anfangserfolg heute in der Literaturkritik nicht mehr so positiv gesehen wird. Das könnte / müsste genauer geklärt werden – auch, was die Autoren in der letzten Zeit gemacht hat.
Interessant ist ein Zeit-Artikel, in dem die Frage gestellt wird: „Kann sie wirklich nicht schreiben?“
Verhältnis von erzählter Geschichte und Gang der Erzählung
- In unserer Übersicht gibt es insgesamt 8 Erzählteile,
- von denen vier im Rückblick erzählt werden.
- Die Erzählung setzt ein mit E1, dem überraschenden Anruf Steins. Damit beginnt die Kernepisode, nämlich die Besichtigung des Hauses.
- Um den Hintergrund des Haus-Hinweises zu verstehen, wird E2 sehr früh eingeschoben, direkt nach dem Anruf Steins, da geht es um sein „Gerede“.
- E3 bis E5 werden eingeschoben, nachdem die Fahrt zum Haus begonnen hat.
- Ab dann wird im wesentlichen die Kern-Episode fortlaufend erzählt,
- ergänzt um die Zeit danach bis zum traurigen Schluss.
01-06: Dezember: Anruf von Stein
12-28: Begeisterung Steins und Bereitschaft der Ich-Erzählerin zur Besichtigung des Hauses mitzufahren
96-174: Rückkehr in die Gegenwart des Dezember: Die Fahrt zum Haus
und Stein, die abgebrochen wird
wird rot.
traurig-einsamer Gegend
früheren Annäherung
Stein als Figur der Erzählung (im Kontext der Figurenkonstellation)
- Kern-Elemente:
- zweite Hauptfigur neben der Ich-Erzählerin
- über sie: halber Zugang zur Clique, wird von ihr nicht voll angenommen
- eher ein Tatmensch als jemand, der vorwiegend nur redet
- entwickelt im Rahmen der Erzählung die Zukunftsvision eines Sommerhauses
- kann die Ich-Erzählerin aber nicht dafür gewinnen
- und zerstört deshalb am Ende konsequenterweise das Traumhaus
- Wichtige Details
- Zufalls-Zugang zu der Clique, in deren Umfeld sich die Handlung abspielt
- zieht als Taxifahrer für drei Wochen bei der Ich-Erzählerin ein und wird dann Teil einer komplizierten Beziehungsgeschichte
- ungeklärte Vorgeschichte – die bleibt im Dunkeln
- eine Art Vagabund (ohne feste Wohnung), aber mit gepflegtem Äußeren
- ist damit schon ein Stück weiter als die Clique, die so ein Leben höchstens in Gedanken und Gesprächen führt
- sieht die zum Teil nur gespielte Bühnenexistenz der Clique kritisch
- zwei Momente, in denen es ihm gelingt, die Ich-Erzählerin von der Gruppe weg und zu sich hinzuziehen
- ansonsten spannungsreiches Verhältnis zur Ich-Erzählerin
- Besonderheit der Beziehung in der ersten Phase: gemeinsame Fahrten ohne Ziel
- daraus entsteht die Idee des Sommerhauses, soll für die ganze Clique da sein, weil Stein wohl weiß, dass er sonst bei der Ich-Erzählerin überhaupt keine Chance hat.
- bleibt hartnäckig trotz Enttäuschung
- Im Mittelpunkt steht Stein mit seiner Beziehung zur Ich-Erzählerin, die stark vom Sommerhaus-Impuls geprägt ist, der aber nur teilweise und am Ende gar nicht wirkt, was zum Absturz in das normale und dem Leser verborgene Leben Steins führt.
- Die Ich-Erzählerin gehört primär zur Clique und wird für einige Zeit und teilweise an Stein und sein Leben gebunden.
- Die Clique ist geprägt von Drogen, Sex (daran nimmt Stein teil), Kultur und Nichtstun – und Stein gehört nur teilweise dazu.
- Zu Stein gehört auch noch sein Nomadentum, mit dem er praktisch das theoretische Alternativkonzept der Clique überragt.
- Außerdem steht er in Distanz zur Bühnenexistenz der Clique, auch wenn er teilweise eine eigene entwickelt, was im Schaubild nicht mehr angedeutet wird.
- Wichtig sind die zwei Momente, in denen die Ich-Erzählerin und Stein sich näher kommen, was aber am endgültigen Scheitern der Gemeinsamkeit nichts ändern kann.
Bedeutung des Kindes
- Schon beim ersten Lesen fragt man sich, was es mit dem Kind auf sich hat.
- Je tiefer man in diese Beziehung einsteigt und je mehr man feststellt, dass die Ich-Erzählerin viel zu sehr noch in ihrer Clique und deren verantwortungslosem Leben verwurzelt ist, desto mehr kommt man auch auf den Gedanken, dass das Kind möglicherweise Symbol ist für eine Beziehung, aus der auch Familie, d.h. auch ein Kind entsteht.
- Und so wie die Ich-Erzählerin alles „obszön“ findet, was mehr ist als unverbindlicher Sex, so empfindet sie allein schon das Vorhandensein dieses Kindes als Bedrohung ihrer Freiheit. Nicht von ungefähr nähert sich das Kind ja ihr und Stein auch, als sie rot wird, Gefühle zeigt – und später taucht das Kind auch beim Haus auf.
- Noch deutlicher wird die Problematik dann in Abschnitt 16, wo genau in dem Moment, als sie bei den 80000 Mark sind, die zeigen, wieviel Stein das Haus wert ist. Statt eine Antwort auf die Frage zu geben, schaut Stein angestrengt in die Richtung des plötzlich auftauchenden Kindes, das kann man so verstehen, dass es ihm wichtig ist – als Symbol für Familie. Und dann die Etikettierung „das blasse, blöde Kind“ durch die Ich-Erzählerin. Das bedeutet doch nichts anderes als dass es ihr nichts zu bieten hat im Vergleich zum Cliquenleben, dafür aber blöd-viel Arbeit macht, weil es sich nämlich „an den Kittel der Frau gekrallt hat“. Diese negativen Formulierungen zeigen deutlich, wie weit die Ich-Erzählerin von einer umfassenden Zweisamkeit mit Stein – also mit Haus und Familie – entfernt ist. Dazu passt dann auch die Negativ-Tirade, die Stein vorher losgelassen hat gegen das Cliquenleben.
- Interessant dann auch, dass sie von Stein keine Antwort auf die Frage nach dem Kind erwartet, offensichtlich ist es unterschwellig klar zwischen den beiden, dass sie das trennt. Und noch einmal wird deutlich, dass sie nicht nur auf eine Berührung wartet, sondern eben auch: „Du wolltest doch immer mit uns sein.“ (272) Damit ist die Ich-Erzählerin wieder bei dem ihr vertrauten Cliquen-Modell, das ihr auf jeden Fall vertrauter ist.
Die Bedeutung der Gruppenzugehörigkeit
- Die Clique wohnt in einem Haus und unternimmt viel zusammen. Es ist allerdings nicht klar, woher sie sich kennen und wie gut. Über Stein weiß die Clique nichts richtig.
- Die Clique schläft zwar untereinander miteinander, wie weit die emotionale Bindung aber wirklich reicht, weiß man nicht. Die Erzählerin fühlt sich stark mit der Clique verbunden, da sie sich z.B. Hilfe von der Gruppe wünscht, als sie mit Stein allein im Haus ist. Es gibt aber auch Momente, in denen sie die Gruppe „vergisst“, aber das ist eher die Ausnahme.
- Was eine klare Zugehörigkeit und damit auch ein Wir-Gefühl angeht, so kann man das nicht klar herausarbeiten. Die Clique hat gemeinsame Interessen, unternimmt viel, teilweise Illegales, zusammen.
- Eine rollenmäßige Binnendifferenzierung wird kaum erkennbar, sieht man einmal von Henriette ab, die beim Eisunfall einen wachen Moment der Verantwortung hat
- Die Clique ist sich untereinander einig, ein rücksichtsloses Verhalten gegenüber der Landbevölkerung an den Tag zu legen. Ebenfalls sind der gemeinsame Konsum von Alkohol, Tabak und Drogen sowie Affären untereinander üblich.
- Was die Homogenität der Clique angeht, so sind ihre Mitglieder vermutlich ungefähr in einem Alter und gehören der gleichen Schicht an (Künstler/künstlerisch interessiert). Stein ist anders, da er einen Job hat. Zudem kritisiert er den Drogenkonsum der Clique und ist nicht wirklich künstlerisch interessiert. Er passt sich vermutlich nur wegen der IE an die Clique an.
- Was den für Jugendgruppen typischen Subkulturcharakter mit einer klaren Tendenz gegen die Erwachsenengesellschaft angeht, so trifft das zu, da sie sich von der Landbevölkerung durch ihr Verhalten abgrenzen. Ebenfalls Regelbruch im Straßenverkehr von Stein und der IE.
- Was eine Anbindung an einen jugendkulturellen Stil angeht, so spricht einiges (Die Clique scheint experimentell und aufgeschlossen zu sein, auch verhält sie nich noch spielerisch-leichtfertig., ansatzweise verantwortungslos.)
- Tabak, Alkohol und illegale Drogen spielen eine große Rolle – vor allem, wenn man als Gruppe zusammen ist.
- Das bei Gruppen häufig vorhandene Phänomen der Verführung (Gruppendruck) so spielt das keine erkennbare Rolle, allerdings will Stein dazugehören und lässt sich verführen.
- Der für Jugendliche wichtige Wunsch nach Anerkennung und die Furcht vor negativer Bewertung in der Gruppe, dürfte gegeben sein, allerdings wird es nicht explizit im Text erwähnt.
- Der für Jugendgruppen typische Spaßcharakter des gemeinsamen Erlebens und Handelns ist gegeben: Die Clique unternimmt viel zusammen und scheint sich auch sichtlich zu amüsieren (z.B. Schlittschuhlaufen, Auflehnen gegenüber der Landbevölkerung, evtl. noch das Sexualverhalten mit einbeziehen).
- Was die Erkundung und das Ausprobieren der Erwachsenengesellschaft. so ist davon kaum die Rede. Evtl. bei ihren kulturellen Aktivitäten.15. Dabei kommt es dann auch zu riskantem Verhalten und Bruch gesellschaftlicher Normen. Einbruch in Gärten, Alkohol- und Drogenkonsum, Verhalten im Straßenverkehr und der Landbevölkerung gegenüber.
- Erkennbarkeit von Übergangsphänomen, d.h. Vorhandensein eines Entwicklungsprozesses: Nicht klar erkennbar, aber wenn man sich das Verhalten ansieht, kann man eher eine negative Zukunftsprognose abgeben.
Zusammenfassung:
Hinsichtlich der Bedeutung der Clique zeigt sich, dass
– die Ich-Erzählerin (IE) eine sehr starke Bindung zur Clique hat und sich nicht auf eine richtige Beziehung mit Stein einlassen kann/will.
– Stein nur eine Randfigur darstellt und keinen wirklichen Platz in der Clique hat (Verbindung nur über IE)
– es nur wenige Momente im Leben der IE gibt, in denen Stein eine größere Rolle für sie spielt.
– die IE noch nicht nach einem Leben mit Verantwortung und Verbindlichkeit strebt
– die Clique und damit auch die IE als Kontrast zu Stein und dessen Einstellungen zu verstehen ist.
Zur Erzählweise des Textes
Das Folgende ist ein Auszug aus der Seite:
Dort gibt es auch ein Schaubild. Dies hier soll zeigen, wie man sich kurz und knapp zu einem Aspekt der Interpretation äußert.
- Es gibt keinen auktorialen Erzähler, der über dem Geschehen steht und es gewissermaßen von außen den Leser heranträgt. Statt dessen haben wir nur eine fragmentarische und subjektiv-kommentierende Ich-Erzählerin.
- Es gibt keine strenge Kontinuität – es wird recht wirkungsvoll mit den Zeitebenen gespielt.
- Die Figuren sind keine autonomen Helden, die sich entwickeln und damit so eine Art Bildungsprozess durchlaufen. Vielmehr sind sie in sich widersprüchlich und stark von der Außenwelt bzw. der Gesellschaft abhängig. Das gilt aber mehr für die Ich-Erzählerin als für Stein. Auch wirken gesellschaftliche Gegebenheiten eher indirekt, vom Hintergrund her herein – etwa, dass die Clique sich ein solches Leben überhaupt leisten kann, was möglicherweise das Erwachsenwerden erschwert.
- Es geht weder um die Bewältigung äußerer Probleme durch einen in sich ruhenden Helden, sondern um das Innenleben der Figuren, das der Leser aber wiederum direkt nur von der Ich-Erzählerin präsentiert bekommt. Über Steins Innenleben wird er nur indirekt oder über körpersprachliche Hinweise informiert. Insgesamt ist modernes Erzählen stärker psychologisierend angelegt, aber nicht so, dass Gefühle und Entscheidungen berechenbar sind. Besonders in der Telefon- und Mitnahme-Szene am Anfang gibt es durchaus widersprüchliches, sprunghaftes Verhalten. Dies bedeutet auch, dass es weniger eine geschlossene, voraussehbare Handlung gibt.
- Alles in allem haben wir es eher mit negativen Helden zu tun. Das gilt zum Teil für Stein, dem es nicht gelingt, sein Projekt ausreichend zu kommunizieren und so dafür zu werben, andererseits zieht er irgendwann die Reißleine, was ihn ja sogar für die Autorin in dem Interview mit Matthias Prangel zu ihrem Helden macht, dem sie sogar eine Art Sieg zuspricht, weil er sich eben entscheidet und damit für neue Möglichkeiten öffnet.
- Was die Ich-Erzählerin angeht, so ist sie insofern eine „negative Heldin“, weil sie aus ihrer drogenorientierten Passivität nicht herauskommt, was schlechte Zukunftsperspektiven eröffnet – ihr im Vergleich zu Steins „Möglichkeiten“ und Projektaktivitäten möglicherweise sogar alle nimmt.
Die Erzählung und ihr literaturgeschichtliches Umfeld
- Das Phänomen des „literarischen Fräuleinwunders“ – Anspielung auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als die jungen Frauen aus den Begrenzungen der NS-Zeit ausbrechen konnten und sich vor allem an amerikanischen Frauen orientierten.
- Literarischer Bezug: Judith Hermanns Buch erschien 1998 – in einer Zeit, in der mehrere junge Frauen in der Literatur Furore machten. Dazu gehören etwa: Bei den folgenden Informationen stützen wir uns zunächst auf die entsprechenden Wikipedia-Artikel, aus denen auch die Zitate stammen, soweit nicht anders angegeben. Schließlich wollen wir hier zeigen, wie man intelligent solche Informationsquellen auswertet.
- Diesen Autorinnen gemeinsam ist, laut Volker Hage, der den Begriff des „Fräuleinwunders“ in diesem Zusammenhang 1999 geprägt hat,
- dass sie „Spaß an guten Geschichten“ haben, dafür keine „Angst vor Klischees und großen Gefühlen“.
- dass sie sich weniger auf Erzähltechnik zurückziehen, um Defizite im Inhaltlichen zu überspielen
- Es gab auch Kritik an dieser Etikettierung, weil es sich ja eher um ein äußerliches Phänomen handelte (weiblich, jung), während die Stilrichtungen durchaus unterschiedlich waren (siehe auch die spezielle Übersicht weiter unten)
- Problematisch wurde auch der Vermarktungsaspekt des Phänomens und des Begriffs gesehen. Besonders ein Foto von Judith Hermann schien einer besonderen Sicht auf ihre Figuren zu entsprechen.
- Diesen Autorinnen gemeinsam ist, laut Volker Hage, der den Begriff des „Fräuleinwunders“ in diesem Zusammenhang 1999 geprägt hat,
- Es handelt sich um eine erste, schnell gemachte Hand-Skizze, mit der versucht wurde, den Begriff der „Postmoderne“ in einem ersten Zugriff auf „Sommerhaus, später“ anzuwenden.
- Ausgangspunkt ist zunächst mal der wichtige Hinweis, dass es bei der Post-Moderne um eine Abwendung von der „klassischen“ Moderne gehet, die um 1900 entstand.
- Die Postmoderne der 80er Jahre (etwa Süskinds Roman „Das Parfum“) wollte wieder „natürlich“ sein, was hier so viel heißt, wieder zu traditionellen Inhalten und Mitteln zurückgreifen. Dies geschieht aber ironisch, also keine wirkliche Restauration.
- In Judith Hermanns Novelle „Sommerhaus, später“ haben wir nun einen Schritt mehr: Ihr geht es wirklich um „Natürlichkeit“, d.h. Rückkehr zu dem, was man als positiv-normal, in der Vergangenheit bewährt im Kopf hat – das ist ernst gemeint, also ohne ironie, aber natürlich wird es mit Skepsis betrachtet und das Scheitern ist einkalkuliert.
- Nicht ganz ernstegemeint, aber sicher anregend, ist dann der vergleichende Ausblick auf die reine heile Welt, wie sie sich etwa in „Herzkino-Filmen“ mit ihrem Happy-End präsentiert. In diesen Zusammenhang gehören natürlich auch bekannte Formen der Trivialliteratur.
Infos zu Vertreterinnen des sog. „literarischen Fräuleinwunders“
-
- Karen Duve
- geboren 1961, sie war also 1998 37 Jahre alt.
- Seit 1996 war sie freie Schriftstellerin, nachdem sie – trotz Abitur – viele Jahre lang Taxi gefahren war. Allerdings hatte sie nebenbei auch schon für eine Zeitschrift gearbeitet.
- 1995 veröffentlichte sie ihre erste Erzählung; ihr erster Roman („Regenroman“, 1999) handelte dann laut Wikipedia von „einer grandios scheiternden Hausrenovierung, unberechenbaren Frauen und einer zutiefst bedrohlichen Natur“.
- Es folgte ein zweiter Roman („Dies ist kein Liebeslied“,2002), der von einer „unerwiderten Liebe“ (ebenfalls Wikipedia) handelt.
- Es folgte 2007 mit „Die entführte Prinzessin …“ ein „ironischer Fantasy- und Märchenroman“. Interessant ist eine Rezension der Zeitung „Welt“, in der der Autorin und ihrem Buch „ungeahnte Heiterkeit“, was, verbunden mit vielen ironischen Zügen, gut zur Stilrichtung der Postmoderne passt.
- In dem gleichnamigen Roman verarbeitete die Autorin 2008 ihre Erfahrungen mit dem Taxi, was sogar verfilmt wurde.
- Interessant vielleicht noch, dass Karen Duve einerseits 2016 in „Macht“ aus der Sicht eines Psychopathen erzählt, der seine Frau gefangenhält, andererseits aber auch von ihr sehr einfühlsam „Fräulein Nettes kurzer Sommer“ (2018) geschildert wird – dabei geht es um Annette von Droste-Hülshoff.
- Was das Persönliche angeht, wird hervorgehoben, dass es sich bei Karen Duve um eine engagierte Tierschützerin handelt, die vegetarisch lebt.
- Juli Zeh
- geboren 1974, als Tochter eines Bundestagsdirektors, 1998 ist sie also 24 Jahre alt
- Nach dem Abitur Jura-Studium mit Dissertation, parallel studierte sie ab 1996 am „Deutschen Literaturinstitut und schloss das im Jahre 2000 mit dem Diplom ab.
- 2001 erschien ihr Debütroman „Adler und Engel“, immerhin in 35 Sprachen übersetzt handelt von Juristen im Kampf gegen die Drogenmafia
- Der Roman „Spieltrieb“ beschäftigte sich am Beispiel eines Gymnasiums mit der Frage von Recht und Unrecht.
- Ab 2001 zeigte sich eine tiefe Verbindung mit Bosnien-Herzegowina, einem Land, das sie besuchte und dessen jungen Schriftstellern sie zu einer Anthologie von Erzählungen verhalf.
- Interessant in unserem Zusammenhang dann noch der 2016 veröffentlichte Gesellschaftsroman „Unterleuten“, der sich mit den Menschen in einem Brandenburger Dorf beschäftigt, 20 Jahre nach der Wiedervereinigung.
- Insgesamt ist für Juli Zeh ein starkes politisches Engagement und eine besondere Einbeziehung juristischer Fragen in ihr Werk kennzeichnend. 2009 beschäftigte sie sich in „Angriff auf die Freiheiet: Sicherheitswahn, Überwachungstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte“ das immer stärkere Vordringen des Staates in die Privatsphäre der Bürger.
- Interessant vielleicht noch, dass Julie Zeh die berühmte alte Deutschlehrerfrage, was der Autor mit dem Werk sagen wollte, lapidar mit „Gar nichts“ beantwortet, andererseits für sich aber eine große Übereinstimmung zwischen Fiktion und Wirklichkeit feststellt.
- Jenny Erpenbeck
- Geboren 1967 als Tochter eines Schriftstellers und einer Übersetzerin, auch die Großeltern väterlicherseits haben etwas mit dem Schreiben zu tun, in unserem Jahr 1998 ist sie 31 Jahre alt
- Nach dem Abitur in der DDR arbeitete sie als Buchbinderin und an verschiedenen Theaters im Bereich von Requisite und Garderobe.
- Später studierte sie Theaterwissenschaft und wurde Regieassistentin an einem Opernhaus. Ab 1997 war sie für eigene Inszenierungen verantwortlich.
- Daneben war sie in den 90er Jahren schriftstellerisch tätig im Bereich von Prosa und Theater.
- 1999 erschien ihre „Geschichte vom alten Kind“, 2001 ein Erzählband („Tand“), 2004 eine Novelle („Wörterbuch“) und 2008 der Roman „Heimsuchung“.
- 2015 erschien ihr Roman „Gehen, ging, gegangen“, in dem sie das Schicksal von Flüchtlingen aus Afrika erzählt. Dafür hätte sie faste den Deutschen Buchpreis bekommen. Die FAZ vermutet, dass der Jury nur das Thema zu aktuell war.
- Karen Duve
- Abgrenzung von den Schriftstellern, die noch den Krieg erlebt hatten und die unmittelbare Nachkriegszeit begleiteten (Böll, Andersch u.a.)
- statt der Themen Krieg und NS-Diktatur stehen jetzt eher Kindheits- und Jugenderfahrungen im Vordergrund, was zum Teil den Vorwurf des Unpolitischen mit sich bringt
- Auf jeden Fall geht es häufig um Hauptstadtbewohner, die Umgebung ist eher nur Kulisse und strahlt Leere und damit verbunden Zerfall und Langeweile bzw. Melancholie aus
- Damit zeigt sich eine postmoderne Haltung mit Skepsis gegenüber großen Ideen oder gar Ideologien
- Verzicht auf ein literaturtheoretisches Programm
- Der Begriff „Popkultur“ hängt mit dem lateinischen Wort „populus“ = Volk und dem Lehnwort „populär“ zusammen.
- Es geht um eine massenwirksame Kultur in Unterscheidung zur Hochkultur
- Popkultur kann auch zur Mode und damit zum Mainstream werden
- Die Frage ist immer, inwieweit eine solche Kultur „affirmativ“ ist, d.h. stabilisierend im Hinblick auf die gegenwärtigen Verhältnisse
- Man kann sie aber auch positiver sehen – als einen Raum, in dem breite Kreise sich wiederfinden oder auch äußern können, das kann auch bis zu Formen des Protests oder sogar des Widerstands gehen.
- Für die Literatur bedeutet das, dass kein großer Unterschied gemacht wird zwischen der Wirklichkeit und der Kunst, diese ist eben nicht so abgehoben wie etwa in der Klassik.
- Die eigene Wirklichkeit wird als Konstrukt angesehen, also als etwas Gemachtes.
- Konkrete Elemente von Popkultur sind die eigebauten Songs.
- Wichtig ist auch, dass zwar Langeweile und Melancholie beschrieben werden, auf die Ursachen wird aber nicht oder kaum eingegangen, das ist ja auch in „Sommerhaus, später“ ganz offensichtlich.
- Man hat den Eindruck, dass es sich eher um individuelle psychische Probleme handelt als um Ergebnisse gesellschaftlicher Verhältnisse.
- Typisch für „Sommerhaus, später“ ist auch der Leichtsinn, ja die Leichtfertigkeit der Figuren: Sie müssen nicht um ihre Existenz kämpfen – man hört nichts von Arbeit und Verdienst.