1. Was sind Quellen überhaupt?
… „im Idealfall absichtslose Überbleibel“
Das hört sich erst einmal ein bisschen seltsam an, aber die Formulierung enthält bereits alles Wesentliche.
Zunächst einmal handelt es sich Dinge unterschiedlichster Art, die aus der Vergangenheit übrig geblieben sind und uns über sie Auskunft geben.
Das kann zum Beispiel ein Gefäß sein, das einigermaßen unzerstört aus den Zeiten der Griechen und Römer bis zu uns „durchgehalten“ hat.
Wichtig ist nun der Idealfall: Dann handelt es sich nämlich in jeder Hinsicht um ein Original aus der damaligen Zeit, das nur für damals gedacht war und nicht auf spätere Zeiten „schielte“. Der Hersteller dieses Gefäßes hat sich höchstwahrscheinlich keine Gedanken darüber gemacht, was wir heute aus seinem Gefäß und seiner Bemalung an Kenntnissen „herausholen“. Er wollte nur etwas Schönes für den Alltagsgebrauch schaffen und vielleicht seine Gäste beeindrucken – oder die Gäste der Käufer dieses Gefäßes.
Sobald ein „Quellenhersteller“ anfängt darüber nachzudenken, wie er der Nachwelt etwas über sich und seine Zeit mitteilt, müssen wir sehr vorsichtig sein – denn jeder neigt dazu, sich (im weitesten Sinne) besonders schön darzustellen, seine Gegner schlecht zu machen und manches einfach zu verschweigen. Am deutlichsten wird das bei Memoiren – denn die werden ja in der Regel aus keinem anderen Grunde geschrieben, um „in den Geschichtsbüchern möglichst gut wegzukommen“.
2. Quellen stehen in einem ursprünglichen Verwendungszusammenhang
Quellen haben also im Idealfall von sich aus nichts mit uns zu tun, sondern wir befragen sie gewissermaßen hinter ihrem Rücken, ohne dass sie wissen und berücksichtigen konnten.
Viel zu tun haben bzw. besser hatten Quellen dafür aber mit einer früheren Situation, einem Zusammenhang, in dem sie eine Funktion hatten, verwendet wurden.
Nehmen wir das Beispiel eines Liebesbriefes: Während wir ihn heute „schnöde“ auswerten, um etwas über das Verhältnis von Männern und Frauen aus früheren Zeiten herauszubekommen, hat sich vor vielleicht hundert oder zweihundert Jahren jemand die Seele aus dem Leib geschrieben, um seiner „Angebeteten“ klarzumachen, wie unendlich er sie vermisst, wie sehr er sie braucht und dass er sie unbedingt am nächsten Wochenende besuchen müsse.
Wenn wir solch einen Brief als Quelle nutzen wollen, dann müssen wir möglichst wissen, wer da an wen geschrieben hat, welcher gesellschaftlichen Schicht sie angehörten usw. Denn ein Adliger hat sicher im 19. Jahrhundert anders geschrieben als ein einfacher Arbeiter – einfach, weil er in anderen Verhältnissen lebte, andere Voraussetzungen hatte.
3. Quellen gibt es viele…
Was wir schon hatten, das waren: Gebrauchsgegenstände, Zeichnungen bzw. Malereien, natürlich vor allem auch Texte in unterschiedlichster Form. An andere denkt man nicht so schnell: Da gibt es zum Beispiel Münzen, die zur Zeit der Griechen und Römer weitaus mehr waren als Zahlungsmittel: Sie wurden von Kaisern und Königen regelrecht zu Propagandazwecken genutzt – schließlich hatte sie fast jeder in der Tasche – mehr oder weniger.
Dazu kommen Bauwerke, von Palästen und Tempeln über einfache Mietshäuser – soweit sie erhalten sind – bis hin zu Grabstätten. Selbst der Inhalt einer Klogrube aus der Altsteinzeit kann Archäologen viel verraten über die Lebensgewohnheiten der damaligen Menschen.
Es gibt sogar Quellen, die eigentlich schon fast keine mehr sind: Man denke nur an die Straße „Am Pulverturm“ in einer Gegend, in der es alles gibt, nur keinen Turm und kein (Schieß-)Pulver. D.h. auch solche Überlieferungen können Quellen sein, sie verraten eben, dass dort in der Nähe mal ein solcher Turm gestanden haben muss. Genaueres erfährt man dann aus anderen Quellen.
In der heutigen Zeit kommen noch ganz andere Dinge hinzu, die Auskunft über die Vergangenheit geben, seit dem frühen 20. Jahrhundert gibt es Ton- und Filmaufnahmen, auf denen man historische Figuren wie Kaiser Wilhelm II. sogar sprechen hören kann bzw. in Bewegung sieht. Seit neuester Zeit gibt es es jede Menge Quellen, die nur noch als Datenströme vorliegen, man denke etwa an den Funkverkehr zwischen einem Satelliten und der Bodenstation.
4. Wie geht man mit Quellen um?
Sicherlich zunächst einmal ganz vorsichtig – wenn man sie im Original vor sich hat. Aber das wird Schülern in der Regel nicht passieren, es sei denn, sie stöbern auf ihrem Dachboden herum und entdecken dort die Liebesbriefe ihrer Großeltern. Natürlich gibt es auch Schüler, die bereits in einem Archiv arbeiten und dort sehen, dass wichtiges Wissen häufig in einem Karton liegt oder zu einem Aktenbündel verschnürt ist, von dem man erst mal den Staub entfernen muss.
In der Regel aber werden Schüler mit Quellen in Form von Texten oder Abbildungen konfrontiert – in Schulbüchern. Dort sind dann die Überschriften bzw. Begleitangaben ganz wichtig. Denn nur so erfährt man etwas über den Kontext, in den die Quelle gehört (Wer hat da wem was zu welchem Zweck und in welcher Situation geschrieben? usw.)
Der 1. Schritt: Teil 1: Quellengattung, historische Einordnung, Quellenwert
In einem ersten Schritt ist erst mal zu klären, um was für eine Quelle es sich überhaupt handelt: Brief, Vertrag, Gemälde u.ä.
Dann muss man klären, in welchem historischen Zusammenhang die Quelle eine Rolle spielte. Bei der Einordnung sollte man grob anfangen und sich dann immer mehr auf den konkreten „Verwendungszusammenhang“ der Quelle vorarbeiten.
Dann überlegt, was die Quelle einem überhaupt sagen kann, welchen „potenziellen Quellenwert“ sie hat. Das hängt zum Beispiel davon ab, wie gut der Verfasser eines Berichtes informiert war oder auch, ob ein Mann wie der Reichskanzler Bismarck mal eben schnell einen Zettel geschrieben oder seine Ziele in einer Rede formuliert hat.
Der 2. Schritt: Klärung des Inhalts
Im zweiten Schritt geht es dann um die genaue Erfassung und möglichst auch Klärung der Details. Bei einem Bild sind es zum Beispiel die dargestellten Personen und die mit erfasste Umgebung.
Der 3. Schritt: Auswertung (bis hin zur Interpretation)
Im dritten und letzten Schritt wendet man sich der Auswertung zu: Was kann man der Quelle alles entnehmen. Das geht von der Tinte, die in einem Brief verwendet wurde (falls man das Original vor sich hat) bis hin zu Anredeformeln oder auch tiefsinnigen und weitreichenden politischen Absichten. Häufig hat man auch schon vor der Nutzung einer Quelle eine bestimmte Frage und wertet sie dann nur in dieser Hinsicht auf. Will jemand wissen, welche Einstellung der spätere Bundeskanzler Adenauer in früheren Jahren zu Frankreich hatte – mit dem er nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland aussöhnte, dann wird man entsprechende Briefe und Tagebücher nur unter diesem Gesichtspunkt auswerten und tausend andere interessante Dinge außen vor lassen.
5. Was ist die große Konkurrenz zu den Quellen?
Wenn man auch nur ein bisschen nachdenkt, kann man sich vorstellen, dass kein Historiker alleine von Quellen leben kann – er müsste ja überall von vorne anfangen. Aus diesem Grunde greift er auf andere Forscher zurück, die ihre Ergebnisse in sogenannten „Darstellungen“ unterbringen. Darunter verstehen wir den Versuch, in einem Aufsatz oder einem Buch den aktuellen Stand der Wissenschaft vorzustellen. Meistens greift eine solche Darstellung wiederum auf andere Darstellungen zurück. Aber letztlich gilt das Prinzip des Humanismus: „Ad fontes“ – zu den Quellen. Die sind letztlich wirklich die „Quelle“ allen geschichtlichen Wissens.
Übrigens spricht man bei Quellen deshalb auch von Primärquellen, während Darstellungen „nur“ Sekundärquellen sind.
Witzig ist dabei natürlich, dass jede Darstellung desto mehr zu einer Quelle wird, je älter sie ist. Das gilt aber natürlich nur im Hinblick auf die Frage: Was wussten die Leute damals schon zu diesem Thema -:)