Kreativität gegen Quälerei – wie man dem Auswendiglernen von Gedichten entgehen kann

Wieso Qual?

Nicht jeder ist zum Schauspieler oder zum Sänger geboren. Menschen sind nun mal unterschiedlich. Was soll also der Zwang zum Auswendiglernen in der Schule. Das kann eine gute Sache sein für die, die so was schnell schaffen. Andere könnten aber die Anstrengungsleistung auf einem Gebiet erbringen, das ihnen besser liegt.

Dafür Kreativität

So gibt es zum Beispiel Menschen, die eher Lust haben, kreativ mit einem Text umzugehen. Wir zeigen im Folgenden mal, wie das bei der Ballade „Der Handschuh“ von Schiller aussehen könnte.

Infos zum zugehörigen Video

Das Video kann abgerufen werden unter der Youtube-Adresse:

Videolink
Die Dokumentation kann hier heruntergeladen werden:
Mat1850 Kreativität statt Qual – auswendig lernen

Und noch eine Vorbemerkung

Wir präsentieren hier eine Idee und eine Lösung, die recht anspruchsvoll ist. Zum Beispiel mussten wir schon ein bisschen herumsuchen, nachdenken und ausprobieren, bis wir die passenden Reime für unsere eigenen Strophen hatten.

Deshalb: Bevor jemand aufgibt, denkt daran: Es reicht vielleicht auch, wenn ihr nur eine Idee entwickelt für eine Änderung oder einen anderen Schluss.

Außerdem könnt ihr euch gerne an uns wenden – am besten über einen Kommentar zum Video.

Wir würden uns jedenfalls freuen, wenn viele vom reinen Auswendiglernen (was natürlich auch nicht schlecht ist) umschalten würden auf kreativen Umgang mit Gedichten.

Der Ausgangstext der Ballade

Friedrich Schiller

Der Handschuh

01 Vor seinem Löwengarten,
02 Das Kampfspiel zu erwarten,
03 Saß König Franz,
04 Und um ihn die Großen der Krone,
05 Und rings auf hohem Balkone
06 Die Damen in schönem Kranz.

07 Und wie er winkt mit dem Finger,
08 Auf tut sich der weite Zwinger,
09 Und hinein mit bedächtigem Schritt
10 Ein Löwe tritt,
11 Und sieht sich stumm
12 Rings um,
13 Mit langem Gähnen,
14 Und schüttelt die Mähnen,
15 Und streckt die Glieder,
16 Und legt sich nieder.

17 Und der König winkt wieder,
18 Da öffnet sich behend
19 Ein zweites Tor,
20 Daraus rennt
21 Mit wildem Sprunge
22 Ein Tiger hervor,
23 Wie der den Löwen erschaut,
24 Brüllt er laut,
25 Schlägt mit dem Schweif
26 Einen furchtbaren Reif,
27 Und recket die Zunge,
28 Und im Kreise scheu
29 Umgeht er den Leu
30 Grimmig schnurrend;
31 Drauf streckt er sich murrend
32 Zur Seite nieder.

33 Und der König winkt wieder,
34 Da speit das doppelt geöffnete Haus
35 Zwei Leoparden auf einmal aus,
36 Die stürzen mit mutiger Kampfbegier
37 Auf das Tigertier,
38 Das packt sie mit seinen grimmigen Tatzen,
39 Und der Leu mit Gebrüll
40 Richtet sich auf, da wird’s still,
41 Und herum im Kreis,
42 Von Mordsucht heiß,
43 Lagern die greulichen Katzen.

44 Da fällt von des Altans Rand
45 Ein Handschuh von schöner Hand
46 Zwischen den Tiger und den Leun
47 Mitten hinein.

48 Und zu Ritter Delorges spottenderweis
49 Wendet sich Fräulein Kunigund:
50 »Herr Ritter, ist Eure Lieb so heiß,
51 Wie Ihr mir’s schwört zu jeder Stund,
52 Ei, so hebt mir den Handschuh auf.«

53 Und der Ritter in schnellem Lauf
54 Steigt hinab in den furchtbarn Zwinger
55 Mit festem Schritte,
56 Und aus der Ungeheuer Mitte
57 Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.

58 Und mit Erstaunen und mit Grauen
59 Sehen’s die Ritter und Edelfrauen,
60 Und gelassen bringt er den Handschuh zurück.
61 Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,
62 Aber mit zärtlichem Liebesblick –
63 Er verheißt ihm sein nahes Glück –
64 Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.
65 Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:
66 »Den Dank, Dame, begehr ich nicht«,
67 Und verlässt sie zur selben Stunde.

Kreative Veränderungen

  1. Zum einen könnte man die langen Abschnitte kürzer zusammenfassen, in denen die Gefahrenspannung vorläufig aufgebaut wird. Begründen könnte man das damit, dass so etwas heute im Internetzeitalter sehr viel knapper gefasst würde.
    Zusammenfassung der Raubtier-Ansammlung

    Kaum winkt der König mit dem Finger,
    Schon füllt sich der gesamte Zwinger.
    Mit einem Löwen fängt es an,
    Als nächstes kommt ein Tiger dann.
    Es kommt zu einem kurzen Knurren,
    Dem Schwächeren bleibt nur stummes Murren.
    Zwei Leoparden, ach die süßen
    müssen das dann schmerzlich büßen.
    Sie wenden sich dem Tiger zu.
    Der packt sie kurz – und schon ist Ruh.
    Das ganze Volk vor Spannung bebt,
    wer das am Ende überlebt.
  2. Zum anderen könnte man eine Strophe anhängen. Was den Inhalt dieser Strophe angeht, gibt es viele Möglichkeiten.
    Zum Beispiel:

    Kommt er zu Hause endlich an,
    steht da sein Freund, ein echter Mann.
    Hat er erzählt die bös‘ Geschicht‘,
    Erlebt er auch ein bös‘ Gericht.

    „Hättst du schon früher hingeschaut,
    was diese Frau sich alles traut.
    Das Leben, ach, riskiert man nicht,
    Für so ein Wesen, furchtbar schlicht.“

    Diese beiden Strophen machen deutlich, dass dieser Ritter zwar als Sieger vom Platz geht, aber unnötigerweise dafür sein Leben riskiert hat.  Sein Fehler ist ganz eindeutig gewesen, dass er der falschen Frau immer wieder Liebe geschworen hat. Man stelle sich nur vor, die hätte ihn erhört und ihn nach der Heirat immer wieder so behandelt wie hier in diesem Löwengarten.

Übrigens kann man dann ja durch einen geschickten Vortrag zeigen, dass man auch so eine gute Textvorlage „zum Klingen“ bringen und die Zuhörer beeindrucken kann.

Andere Möglichkeit: Zuschauer-Dialog entwickeln

Natürlich kann man auch anbieten, zu solch einer Ballade einen schönen Zuschauer-Dialog zu entwickeln.

Wie das aussehen kann, sieht man hier:

https://www.einfach-gezeigt.de/schiller-handschuh-zuschauer-dialog

Noch mal: Nicht entmutigen lassen – niemand muss gleich Profi sein!!!

Niemand sollte sich entmutigen lassen, wenn er das mit den eigenen Strophen nicht so einfach hinbekommt. Evtl. auch einfach nur eine Idee entwickeln oder sich an uns über die Video-Kommentare wenden.

Auf jeden Fall wünschen wir viel Spaß – wir hatten den auf jeden Fall 🙂