Ferdinand von Schirach, „Terror“: Was eignet sich als Klassenarbeit?

Grundsätzliches zu den Überlegungen, was in einer Klassenarbeit drankommen könnte

Zu einer guten Vorbereitung auf eine Klassenarbeit gehört sicher auch, dass man sich überlegt, was dran kommen könnte.

Dabei spielen zwei Dinge eine zentrale Rolle:

  1. Zum einen das Stück selbst, bsd. die Frage: Welche Szenen sind für eine genauere Analyse geeignet?
  2. Die Aspekte und Schwerpunkt, die die Lehrkraft im Unterricht behandelt hat.

Textbereiche, die in einer Klassenarbeit drankommen könnten

Kümmern wir uns hier mal um den ersten Punkt und gehen davon aus, dass eine längere Textstelle in meistens 2 Stunden analysiert werden soll.

  1. Am interessantesten ist sicher das Verhör des Angeklagten durch die Staatsanwältin (S. 75-97). Das ist umfasst aber einen so großen Teil des Gesamttextes, dass es
    1. als Ganzes für eine zweistündige Klassenarbeit viele zu lang ist
    2. viel zu viel von dem Text wegnimmt.
    3. Deshalb empfiehlt es sich, dieses lange Verhör in Teile zu gliedern. Eine vorausschauende Lehrkraft lässt dann zum Beispiel den Anfang exemplarisch analysieren, geht nur grob auf den Rest ein und nimmt dann in der Klassenarbeit daraus einen passenden Teil.
  2. Wenn man weitere dialogische Texte als Basis für die Klassenarbeit ins Auge fassen will, dann kommt grundsätzlich in Frage:
    1. Die Befragung des Angeklagten durch den Vorsitzenden Richter ab S. 62-76
    2. Die Befragung des Zeugen Lauterbach ab S. 23 bis  S. 50 im Gespräch mit dem Vorsitzenden Richter
    3. Die Befragung des Zeugen Lauterbach ab S. 51 im Gespräch mit der Staatsanwältin bis 59
    4. Die Befragung des Zeugen Lauterbach ab S. 59 bis 61 im Gespräch mit dem Verteidiger
    5. Befragung der Nebenklägerin, der Frau eines durch den Abschuss zu Tode gekommenen Passagiers ab S. 98 bis 110
  3. Ansonsten können eher monologische Teile analysiert werden:
    1. die Stellungnahme des Verteidigers zur Anklageschrift ab S. 16
    2. das Plädoyer der Staatsanwältin ab S. 113
    3. das Plädoyer des Verteidigers ab S. 123
  4. Die Begründung der Verurteilung wegen Mordes ab S. 134
  5. Die Begründung des Freispruchs ab S. 141

Die Prüfung der Textteile

  1. Wenn man zusammengestellt hat, welche Textteile überhaupt geeignet sind, dann
  2. muss man feststellen, welche Teile dort besonders interessant sind. Denn letztlich sollte der genau zu analysierende Textbereich nicht länger etwa als zum Beispiel die Begründung des Freispruchs. Im Vergleich zu einer Kurzgeschichte muss hier berücksichtigt werden, dass der Text ja grundsätzlich bereits gelesen worden ist. Deshalb darf der Textbereich hier sicher größer sein. Man muss aber berücksichtigen, dass eine genaue Analyse mehr Arbeit macht als einfach eine lesende Zurkenntnisnahme.
  3. Dann schaut man, welche der gefundenen Bereiche zu den Schwerpunkten des Unterrichts passen.
  4. Wenn man Glück hat, dann ist vor der Klassenarbeit eine Übungsarbeit besprochen worden, was auch ein Signal ist für das, was am Ende kommen könnte.
  5. Natürlich kann man sich auch im Internet oder bei Mitschülern erkundigen, was bei gleicher Lektüre dort als Arbeit gestellt worden ist.

Was könnte als Zusatzfrage dazukommen?

  1. Erstaunlich ist, dass mit der Frau eines der zu Tode gekommenen Passagiere nur die eine Seite das rein Menschliche in diesen Prozess einbringen kann.
    Daraus ließe sich die Frage ableiten:
    Müsste nicht eigentlich auch ein Vertreter der 70000 Leute im Stadion zu Worte kommen? Denn die sind ja nur knapp dem Tode entronnen, weil der Pilot eigenmächtig gehandelt und damit eine ungeheure Schuld auf sich genommen hat.
  2. Interessant ist die Stelle im Plädoyer des Verteidigers, an der er auf vergleichbare Fälle eingeht, die man gut mit der Situation des Piloten vergleichen kann – ganz gleich, mit welchem Ergebnis. Der Vergleich führt ja nicht immer zur Gleichsetzung, sondern arbeitet auch Unterschiede heraus.
  3. Auch könnte man die Frage stellen, wieso es in Prozesses eigentlich auch „mildernde Umstände“ gibt, während in diesem Falle dieser Pilot mit einem beliebigen Massenmörder auf eine Stufe gestellt wird.
  4. Auf jeden Fall muss bedacht und diskutiert werden, ob die Öffnung des geltenden Rechts in Richtung eines übergesetzlichen Notstandes nicht auch Leute dazu verführen könnte, eine Art von Selbstjustiz zu üben, weil sie glauben, damit größeres Unheil von der Menschheit abwenden zu können.
  5. Auch kann man das Stück prüfen, inwieweit es wirklich den Lesern bzw. Zuschauern die Entscheidung überlässt. Das beginnt schon beim Unterschied zwischen der absolut professionell agierenden Staatsanwältin und dem etwas seltsamen und damit möglicherweise weniger gut wegkommenden Verteidiger. Das könnte zum Beispiel schön in einer Facharbeit untersucht werden. Dabei wäre ein Eingehen auf die sogenannte „Tendenzliteratur“ möglich, bei der literarische Werke nicht ihre eigenen Wege gehen und manchmal sogar den Verfasser überraschen können, sondern sie sind eigentlich die fiktive Umsetzung dessen, was der Verfasser genauso als Beispiel in einem Kommentar unterbringen könnte.