Tolstoi, „Die drei Söhne“ als besondere Parabel

Ist Tolstois Geschichte „Die drei Söhne“ wirklich eine Parabel?

Auf der Seite

https://lehrerfortbildung-bw.de/u_sprachlit/deutsch/bs/6bg/6bg2/4epische_texte/5parabel/2tolstoi/

findet sich eine kurze Geschichte von Tolstoi mit dem Titel „Die drei Söhne“, die dort offensichtlich als Parabel betrachtet wird.

Was ist eine Parabel überhaupt?

Nun ist eine Parabel eine Geschichte, die ein Problem in einem fremden  Zusammenhang präsentiert und damit den Leser oder Hörer dazu bringt, sich erst eine Meinung zu bilden und die dann auf seine eigene oder eine andere Situation zu übertragen.

Am berühmtesten ist die Geschichte von König Nathan und dem Propheten Nathan, in der auf diese Weise zunächst einmal Einsicht beim König erreicht wird, bevor er dann gesagt bekommt, dass das Urteil, das er eben gesprochen hat, für ihn selbst als Täter gilt.

Näheres findet sich auf der Seite:

https://www.schnell-durchblicken.de/durchblick-auch-in-deutsch/fragen-und-antworten/parabel/

Der Inhalt von Tolstois Geschichte

Im Falle der Geschichte von Tolstoi ist es nun so, dass zwei Frauen ihre Söhne hervorheben und die dritte ihn als ganz normal bezeichnet. Später gibt es dann eine Situation, in der die beiden gelobten Söhne tatsächlich in jeweils einer Kunst sich besonders hervortun, aber nur der dritte, scheinbar ohne besondere Fähigkeiten, die Fähigkeit zeigt, seiner Mutter mit ihrer schweren Last zu helfen.

Zum Parabelcharakter

Worauf soll man das denn nun übertragen?

Bild- und Sachseite fallen doch weitgehend zusammen. Es geht doch um eine einzige Geschichte.

Allenfalls könnte man als Bildteil den ersten Teil der Geschichte verstehen und als Sachteil den zweiten, in dem die Wahrheit zu Tage kommt und damit letztlich doch eine tiefere Einsicht erreicht wird.

Was ist aber nun der gemeinsame Punkt der beiden Seiten?

Bildseite:

  1. Frauen am Brunnen
  2. Erste Frau lobt ihnen Sohn wegen seiner Geschicklichkeit.
  3. Zweite Frau lobt ihren Sohn wegen seines Gesanges.
  4. Dritte Frau lobt ihren Sohn nicht wegen einer besonderen Kunst.

Sachseite:

  1. Die Frauen müssen Wasser schleppen.
  2. Der erste Junge zeigt ein sportliches Kunststück.
  3. Der zweite Junge singt wunderbar.
  4. Der dritte Junge hilft seiner Mutter.

Entscheidend: der gemeinsame Punkt

Letztlich wäre dann der Gemeinsame Punkt das, was der alte Mann am Ende sagt: „Ich sehe nur einen einzigen Sohn.“ Und die Moral wäre also:

Ein guter Sohn ist nicht jemand, der sich mit einer besonderen Kunst hervortut, sondern jemand, der an seine Mutter denkt und ihr hilft, wenn es darauf ankommt.

Man könnte auch sagen: Ich-bezogene Kunst ist weniger wert als gelebte Solidarität oder Menschlichkeit.

Der Verfremdungseffekt

Der für die Parabel typische Verfremdungseffekt läge also in dem Spruch des alten Mannes, über den man erst mal nachdenken muss, um dann eben zu begreifen, was wirklich ein Sohn ist – als Kind einer Mutter mit wechselseitiger Solidarität: Am Anfang hilft die Mutter dem Sohn, zur Welt zu kommen. Dann hilft er ihr, in der Welt besser klar zu kommen.

Wer noch mehr möchte …