Goethe, „Faust“ – Inhalt und wichtige Textstellen, Teil 3: Von „Am Brunnen“ bis „Im Kerker“

Faust: Wichtige Textstellen / Zitate, Teil 3 : Von „Am Brunnen“ bis „Kerker“

Wie im ersten und zweiten Teil geben wir jeweils einen Überblick über den Inhalt und nennen dann die entscheidenden Textstellen.

Wichtig ist uns jeweils auch die Einordnung in den großen Plan, wie er im „Prolog im Himmel“ und im „Studierzimmer“ entwickelt wird.

Vorher noch ein kurzer Hinweis zu unserem Video, das alle drei Teile kurz vorstellt.

Video zu diesem Thema:

  • Wir haben zu diesem Thema auch ein Video gemacht, das auf Youtube unter dieser Adresse abgerufen werden kann:
    https://youtu.be/JgCcyTA5pMU
  • Die Dokumentation zum Video gibt es hier.

 

Szene 17: „Am Brunnen“ (3544-3586)

  • Gespräch von Gretchen und Lieschen über das Bärbelchen, ein Mädchen, das sich hat schwängern lassen und dann verlassen worden ist.
  • Gretchen glaubt noch an das Gute in dem werdenden Vater, Lieschen dagegen betont das negative Urteil der Gesellschaft, selbst wenn der Mann zu seiner Rolle stehen würde.
  • Am Ende denkt Gretchen selbstkritisch auf dem Weg nach Hause über ihre eigene Situation nach:
    3579ff:
    „Wie konnt‘ ich über andrer Sünden / Nicht Worte gnug der Zunge finden! / Wie schien mir’s schwarz, und schwärzt’s noch gar, / Mir’s immer doch nicht schwarz gnug war, / Und segnet‘ mich und tat so groß, / Und bin nun selbst der Sünde bloß!“
  • Aber sie steht auch dazu:
    3585:
    „Doch – alles, was dazu mich trieb, / Gott! war so gut! ach war so lieb!“
    Das macht deutlich, dass Goethe hier modernes Denken in sein Drama eingearbeitet hat.

Szene 18: „Zwinger“ (3587-3619)

  •  Gretchen befindet sich im „Zwinger“, dem Teil der Stadt zwischen äußerer und innerer Mauer und
  • wendet sich an die Mutter Maria.
  • Sie vergleicht sich und ihre Situation mit der, in der man seinen Sohn (Jesus) am Kreuz hängen sieht.
  • Am Ende steht die Bitte um Rettung „von Schmach und Tod“ (3616), was ein Vorverweis auf das „Ist gerettet“ der Stimme von oben am Ende von Faust I ist.

Szene 19: „Nacht“ (3620-3775)

  •  Gretchens Bruder Valentin beklagt wortreich seine veränderte Situation: Bisher hat er sich gewissermaßen mit seiner Schwester als einer „Zier vom ganzen Geschlecht“ (der Frauen) schmücken können,
  • jetzt muss er sich ständig mit negativen Bemerkungen auseinandersetzen, denen er nicht ausweichen kann.
    Insgesamt eine erstaunlich egoistische Sicht auf die Situation.
  • Als Valentin Faust und Mephisto zu Gretchens Haus kommen hört, denkt er an Rache und Mord.
  • Mephisto ist nicht mehr an Gretchens Schicksal interessiert, sondern denkt schon eher an den bevorstehenden Besuch der Walpurgisnacht und singt ein „moralisch Lied“, was ein Hohn auf Gretchens Schicksal ist, an dem er ja mitschuldig ist. Scheinheilig sein Rat an die jungen Mädchen:
    (3690ff)
    „Nehmt euch in acht! / Ist es vollbracht, / Dann gute Nacht, / Ihr armen, armen Dinger! / Habt ihr euch lieb, / Tut keinem Dieb / Nur nichts zu Lieb‘, / Als mit dem Ring am Finger.“
  • Als Valentin dann mit dem Säbel angreift, sorgt Mephisto dafür, dass Faust ihn tödlich verletzen kann.
  • Während dieser mit Mephisto flieht, beschimpft Valentin seine Schwester und macht sie für alles, auch sein Schicksal verantwortlich:
    3771ff:
    „Ich sage, laß die Tränen sein! / Da du dich sprachst der Ehre los, / Gabst mir den schwersten Herzensstoß. / Ich gehe durch den Todesschlaf / Zu Gott ein als Soldat und brav.“
    Am Ende also die gleiche egoistische Selbstgerechtigkeit wie am Anfang der Szene.-

Szene 20: „Dom “ (3776-3834)

  •  Die Flucht in den Dom bringt für Gretchen keine Erleichterung,
  • vielmehr betont auch dort ein „böser Geist“ den völligen Wechsel ihrer Situation von kindlich-unschuldiger Anbetung zu Schuldgefühlen wegen der unehelichen Schwangerschaft und des Todes der Mutter.
  • „Luft und Licht“ erflehe sie sich vergeblich, ihr drohen Vereinsamung und ein schlimmes Ende:
    3821ff:
    „Verbirg dich! Sünd‘ und Schande / Bleibt nicht verborgen. / Luft? Licht? / Weh dir!“
  • Ein Chor sorgt im Hintergrund für die Andeutung ewiger Versammnis.
  • Am Ende fällt Gretchen in Ohnmacht.

Szene 21: „Walpurgisnacht“ (3835-4222)

  • Faust wird von Mephisto zur Ablenkung von seiner Schuld und Gretchens Unglück in die Hexenwelt im Harz entführt.
  • In das wilde Treiben eingearbeitet ist die Ahnung der Abdankung der alten Welt und ihrer Werte.
  • Faust wird durch eine blasse Gestalt an Gretchen und ihr Schicksal erinnert:
    4183ff:
    „Mephisto, siehst du dort / Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen? / Sie schiebt sich langsam nur vom Ort, / Sie scheint mit geschloßnen Füßen zu gehen. /  Ich muß bekennen, daß mir deucht, / Daß sie dem guten Gretchen gleicht. /  […] /  Fürwahr, es sind die Augen einer Toten, /  Die eine liebende Hand nicht schloß. /  Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten, / Das ist der süße Leib, den ich genoß. /  […] /  Welch eine Wonne! welch ein Leiden! / Ich kann von diesem Blick nicht scheiden. / Wie sonderbar muß diesen schönen Hals /  Ein einzig rotes Schnürchen schmücken, / Nicht breiter als ein Messerrücken!“
  • Mephisto kann Faust noch einmal aus dieser Stimmung herausreißen, indem er ihn zu einem Stück führt, in dem die goldene Hochzeit von Oberon und Titania aufgeführt wird. Dabei handelt es sich um ein Elfenkönigspaar, dessen Streit und anschließende Versöhnung in Shakespeares „Sommernachtstraum“ dargestellt wird.

Szene 22: „Walpurgisnachtstraum …“ (4223-4398)

  • Gespräch über eine als Theaterstück aufgeführte Elfenhochzeit.
  • Die Versöhnung nach einer langen Zeit einer gemeinsamen Ehe ist natürlich ein Kontrastprogramm zu dem, was Faust und Gretchen nicht möglich ist.

Szene 23: „Trüber Tag – Feld“ (ohne Verszählung)

  •  Faust kennt jetzt die Situation Gretchens und ist verzweifelt.
  •  Als Mephisto das abtut mit den Worten: „Sie ist die erste nicht.“
  • Rastet Faust gerade zu aus:
    „Hund! abscheuliches Untier! – Wandle ihn, du unendlicher Geist! wandle den Wurm wieder in seine Hundsgestalt …“
  • Mephisto lässt sich nicht beirren und stellt nüchtern fest:
    „Warum machst du Gemeinschaft mit uns, wenn du sie nicht durchführen kannst? Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht sicher? Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?“
  • Faust gelingt es, Mephisto dazu zu bringen, mit ihm zusammen die Rettung Gretchens zu versuchen.

Szene 24: „Nacht – Offenes Feld“ (4399-4404)

  • Die Kürzest-Szene soll nur deutlich machen, wie rasend Faust jetzt auf Mephistos Weg unterwegs ist
  •  und wie sehr er sich der Zauberei verschrieben hat, in ihrem Bann ist („auf schwarzen Pferden daherbrausend“)

Szene 25: „Kerker“ (4405-4614)

  • Beim Betreten des Kerkers ist Faust gleich in der richtigen Stimmung:
    4406: „Der Menschheit ganzer Jammer fasst mich an.“
  • Er hört Gretchen singen und zwar aus der Perspektive des getöteten Kindes.
  • Faust wird von Gretchen zunächst für den Henker gehalten.
  • Dann erkennt sie ihn und will ihn küssen,
  • was Faust aber nicht zulässt, weil er sich in Eile fühlt.
  • Für Gretchen bedeutet das Distanz zu ihm und letztlich das Scheitern ihrer Liebe: „Heinrich! Mir graut’s vor dir.“ (4610)
  • Sie wendet sich jetzt ganz Gott zu und legt ihr Schicksal in seine Hände.
  • Mephisto drängt zum Aufbruch und stellt fest:
    „Sie ist gerichtet.“
  • Worauf eine „Stimme von oben“ dem entgegenhält:
    „Ist gerettet.“
  • Bezeichnend das „Her zu mir“ Mephistos am Ende, mit dem er auf ihren gemeinsamen Abgang verweist.
  • Das ist ein Hinweis auf den wohlwollenden Plan mit dem „guten“ Menschen, der sich hier im Hinblick auf Gretchen erfüllt. Die spielt ja am Ende von Faust II noch eine entscheidende Rolle, wenn auch Faust am Ziel seines Weges angelangt ist und ebenfalls „gerettet“ wird.

Ausblick auf Faust II:

  • Faust wird durch eine Art Heilschlaf von der Tragik des Endes des ersten Teils erst mal befreit
  • und durchreist dann mit Mephisto nach der kleinen nun auch die „große Welt“.
  • Dabei scheitert er immer wieder mit seinen Projekten und stellt am Ende fest:
    11432ff: „Ich bin nur durch die Welt gerannt; / Ein jed‘ Gelüst ergriff ich bei den Haaren, / Was nicht genügte, ließ ich fahren, / Was mir entwischte, ließ ich ziehn. / Ich habe nur begehrt und nur vollbracht / Und abermals gewünscht und so mit Macht / Mein Leben durchgestürmt; erst groß und mächtig, / Nun aber geht es weise, geht bedächtig. / Der Erdenkreis ist mir genug bekannt, / Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt; / Tor, wer dorthin die Augen blinzelnd richtet, / Sich über Wolken seinesgleichen dichtet! / Er stehe fest und sehe hier sich um; / Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm. /Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen!  Was er erkennt, lässt sich ergreifen. /Er  wandle so den Erdentag entlang; / Wenn Geister spuken, geh‘ er seinen Gang, / Im Weiterschreiten find‘ er Qual und Glück, / Er, unbefriedigt jeden Augenblick!“
  • 11404ff: „Könnt‘ ich Magie von meinem Pfad entfernen, / Die Zaubersprüche ganz und gar verlernen, / Stünd‘ ich, Natur, vor dir ein Mann allein, /Da wär’s der Mühe wert, ein Mensch zu sein.“
  • Er will dann endlich etwas Positives schaffen, nämlich durch ein Landgewinnungsprojekt Millionen Menschen Arbeit und ein Heim geben.
  • Dabei wird er allerdings von Mephisto betrogen, so dass er – alt und blind geworden – vor falschem Hintergrund die verhängnisvollen Worte des Paktes spricht, während schon sein Grab geschaufelt wird:
    11574ff: „Das ist der Weisheit letzter Schluss: / Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, / Der täglich sie erobern muss. / Und so verbringt, umrungen von Gefahr, / Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr. / Solch ein Gewimmel möcht‘ ich sehn, / Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn. / Zum Augenblicke dürft‘ ich sagen: / Verweile doch, du bist so schön! / Es kann die Spur von meinen Erdetagen / Nicht in Äonen untergehn. – / Im Vorgefühl von solchem hohen Glück / Genieß‘ ich jetzt den höchsten Augenblick.“
  • Am Ende wird Faust gerettet – mit der Begründung:
    „Wer immer strebend sich bemüht, / Den können wir erlösen. / Und hat an ihm die Liebe gar / Von oben teilgenommen, / Begegnet ihm die selige Schar /Mit herzlichem Willkommen.“
  • Und am Ende bittet „die eine Büßerin, sonst Gretchen genannt:“
    „Vergönne mir, ihn zu belehren, / Noch blendet ihn der neue Tag.“
    Das heißt: Der innere Bildungsprozess Fausts wird erst in dieser Welt abgeschlossen.
  • Und am Ende singt der „Chorus mysticus“
    12104ff: „Alles Vergängliche / Ist nur ein Gleichnis; / Das Unzulängliche, / Hier wird’s Ereignis; / Das Unbeschreibliche, / Hier ist’s getan; / Das Ewig-Weibliche /Zieht uns hinan.“

Wer sich einen vertieften Überblick verschaffen will, findet hier weitere Infos und Hinweise:

Übersicht über die Teile der Textstellen-Übersicht

Teil 1 – mit Hinweisen zu unserem Ansatz

Teil 2: Von „Auerbachs Keller“ bis „Marthens Garten

Teil 3: Von der Szene „Am Brunnen“ bis „Kerker

Weitere Infos und Materialien: