26 Hitlers Machtergreifung 1933/1934 – für Durchblicker

Was sagt der Buch-Auszug (siehe unten) zu Hitlers Machtergreifung 1933/1934 aus?

Die wichtigsten Aussagen des Buch-Auszugs:

  1. Hitler wurde die Macht von Hindenburg übertragen – er hat sie nicht ergriffen.
  2. Anschließend zeigte er sich aber sehr geschickt, um Deutschland schnell auf den Weg einer Diktatur zu führen (Reichstagsbrandverordnung und Ermächtigungsgesetz).
  3. Dabei war er auch bereit, „alte Kameraden“ aus der SA „über die Klinge springen“ zu lassen. Dies ermöglichte ein Bündnis mit der Reichswehr, die sogar einen persönlichen Eid auf Hitler schwören musste.
  4. Von Anfang wurden die Juden ausgegrenzt, aber noch nicht in großem Umfang verfolgt. Das steigerte sich in den nächsten Jahren dann immer mehr bis zum Völkermord unter den Bedingungen des II. Weltkriegs.
  5. Viele Deutsche waren bereit, Hitler auf dem Weg zu seiner Art von „Volksgemeinschaft“ zu folgen. Zu einem Widerstand in größerem Stil kam es erst im Krieg vor dem Hintergrund der Niederlagen nach Stalingrad.

26     Hitlers totale Machtergreifung nach der partiellen Machtübertragung

Das Folgende ist mit freundlicher Genehmigung des Verfassers des E-Books „Geschichte für Durchblicker“ entnommen.
Daher kommt auch die Nummerierung – in dem E-Book war es das Kapitel 26.

26     Hitlers totale Machtergreifung nach der partiellen Machtübertragung

Heute glaubt man in der Rückschau zu Recht, dass der 30. Januar 1933 der Sprung der Deutschen in die Katastrophe eines weiteren Weltkrieges, des Massenmords und der Fast-Selbstvernichtung war.
Der größte Teil der Nicht-Nazi-Zeitgenossen sah das ganz anders: Die Konservativen glaub-ten, Hitler für sich einspannen zu können, die Mitte und die Linke gingen davon aus, dass der Spuk bald vorbei sein würde. Das Schrecklichste war und ist: Beide sollten sich irren – der Demagoge ohne abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung machte das ganze politische System zu seiner Beute und der Weltkriegsgefreite beeindruckte bald sogar die adelsstolzen Generäle.

26.1     Hitlers Hoffnung auf eine große Mehrheit bei den nächsten Reichstagswahlen

Diese Überschrift hört sich sicherlich etwas sperrig an, trifft aber genau den Kern. Am 30. Ja-nuar 1933 gab es keineswegs eine Machtergreifung durch Hitler und seine Nationalsozialis-ten, vielmehr war der Führer der NSDAP am Ende dieses Tages nicht mehr und nicht weni-ger als ein vom Reichspräsidenten ernannter Reichskanzler, der sich eine parlamentarische Mehrheit suchen sollte. Dafür kam vor allem das katholische Zentrum in Frage, aber Hitler gelang es, das nicht allzu intensiv zu betreiben, weil ihm Neuwahlen viel wichtiger waren. Er war nämlich fest davon überzeugt, dass zum einen eine geheime Mehrheit der Deutschen sowieso auf seiner Seite stand und dass er den anderen mit Hilfe der staatlich kontrollierten Medien und der Polizei schon noch neue Einsichten würde vermitteln können.

26.2     Das „Geschenk der Hölle“: Der Reichstagsbrand führt zum Ende des Rechtsstaates

Zu Hilfe kam ihm dabei, dass ein seltsamer niederländischer Sozialist am 27. Februar 1933 das Reichstagsgebäude in Brand setzte. Damit gab er Hitler Gelegenheit, beim Reichspräsi-denten eine Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat durchzusetzen, die praktisch fast alle Grundrechte außer Kraft setzte. So wurde es den Nazis ermöglicht, auf scheinlegale Weise mit ihren politischen Gegnern, vor allem der KPD, abzurechnen. Die bekannte Rede-wendung „Geschenk des Himmels“ muss angesichts der Bedeutung dieser Ereignisse wohl ins Gegenteil verkehrt werden.

 

26.3     Aus einer halben Niederlage wird ein ganzer Sieg

Umso enttäuschender war es für Hitler, dass er mit seiner Partei Anfang März 1933 in den Reichstagswahlen nur auf etwa 44 % der Stimmen kam und nur mit Hilfe der konservativen DNVP auf knapp mehr als die Hälfte aller Stimmen im Reichstag (52 %) kam. Aus der scheinbaren Not machte Hitler dann schnell in seinem Sinne eine Tugend, indem er dem Reichstag ein sogenanntes Ermächtigungsgesetz vorlegte.
Solche Gesetze, die der Reichsregierung für eine bestimmte Zeit besondere Rechte ein-räumten, hatte es auch schon früher gegeben. Hitlers Fassung allerdings war eine Infrage-stellung des gesamten parlamentarisch – demokratischen Systems. Die Reichsregierung be-kam nämlich das Recht, nicht nur ganz allgemein alleine Gesetze zu erlassen, sondern sogar solche, die die Verfassung änderten. Die Ausnahmen, die in das Gesetz hinein geschrieben wurden, waren politisch weitgehend uninteressant.

26.4     Der Weg zum Ermächtigungsgesetz

Man fragt sich natürlich, wie es den Nationalsozialisten gelang, für dieses Gesetz am 23. März 1933 die notwendige Zweidrittelmehrheit zu bekommen. Die KPD hatte man mit Hilfe der Reichstagsbrandverordnung schon ausgeschaltet, die anderen Parteien, vor allem das Zentrum, konnte man weitgehend mit leeren Versprechungen für sich gewinnen. Lediglich die SPD unter ihrem tapferen Fraktionsvorsitzenden Wels hielt die Fahne des Parlamenta-rismus hoch, konnte aber Hitlers Sieg nicht verhindern.

26.5     Die Methode der „Gleichschaltung“

Nach der Ausschaltung der parlamentarischen Kontrolle sorgte Hitler dafür, dass auch alle Landtage in seinem Sinne gleichgeschaltet wurden, damit musste er den Reichstag als zwei-te Kammer des Parlaments nicht mehr fürchten. Ein besonderes Gesetz „zur Wiederherstel-lung des Berufsbeamtentums“ sorgte dafür, dass unliebsame Beamte entfernt wurden und die anderen sich gut überlegten, was sie sagten und taten.

26.6     Zuckerbrot und Peitsche für die Arbeiterbewegung

Anfang Mai sorgte Hitler dafür, dass den Arbeitern ihr alter Kampftag, der 1. Mai, erstmals zu einem Feiertag gemacht wurde, nach den Jubelreden kam am Tag drauf der Katzenjammer: Die Gewerkschaften wurden zerschlagen – an ihrer Stelle gab es seitdem die so genannte Deutsche Arbeitsfront (DAF), in der in Hitlers Sinne ein Interessenausgleich zwischen Arbeit-gebern und Arbeitnehmern gestaltet wurde.
Es sei hier schon drauf hingewiesen, wie sehr Hitler hier und in den Folgejahren darauf ach-tete, dass es dem „gemeinen“, also dem einfachen Deutschen wirtschaftlich und sozial gut-ging. Götz Aly hat herausgearbeitet, wie sehr das zu Lasten anderer ging – zunächst der Ju-den, die mehr oder weniger enteignet wurden, später der unterworfenen Völker.
Literaturhinweis: Götz Aly, Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus, Fischer: Frankfurt am Main, 2005

 

26.7     Die NSDAP auf dem Weg zur alleinigen Staatspartei

Im Sommer wurde Hitler dann auch die konkurrierenden Parteien los, die SPD wurde verbo-ten, die anderen lösten sich mehr oder weniger freiwillig selbst auf. Ende des Jahres wurde dann die NSDAP zur alleinigen Staatspartei, Konkurrenz dazu durfte es nicht mehr geben.

26.8     Hitlers eiskaltes Kalkül: Profis gegen „alte Kameraden“

Eine große Aufgabe stand Hitler noch bevor, nämlich die Lösung des Konflikts zwischen der SA, die ihn als Bürgerkriegsarmee mit an die Macht gebracht hatte und die jetzt die einzige bewaffnete Macht werden wollte, und der Reichswehr, die ihre angestammte Rolle bewahren wollte. Als der Führer der SA, Ernst Röhm, immer bedrohlicher mit seinen Forderungen wur-de, ließ Hitler die von der Reichswehr unterstützte SS Ende Juni 1934 brutal zuschlagen. Hohe SA-Führer wurden verhaftet und zum Teil ermordet (einschließlich Ernst Röhms), ne-benbei wurden auch andere unliebsame Personen mit „erledigt“ (um an dieser Stelle den Nazi-Jargon zu verdeutlichen) wie zum Beispiel der ehemalige Reichskanzler von Schleicher. Da es sich dabei zugleich um einen General handelte, machte sich die Reichswehr auf be-sondere Art und Weise die Hände schmutzig und begab sich in Abhängigkeit zu Hitler, bei dem sie die besten Möglichkeiten für Aufrüstung und Karrierechancen sah.
Für eine Gesamteinschätzung der Entwicklung der NS-Herrschaft in und über Deutschland ist wichtig, wie Hitler mit den Mordtaten umging: Ganz offiziell machte er deutlich, dass er sich bei der Aktion „als des deutschen Volkes oberster Gerichtsherr“ fühlte. Der genaue Wortlaut der Rechtfertigung findet sich u.a. auf der Seite: http://www.focus.de/wissen/mensch/geschichte/nationalsozialismus/tid-14713/roehm-putsch-hitlers-rechtfertigung-im-wortlaut_aid_416362.html

 

26.9     Der Lohn: die totale Macht

Den Lohn für seine eindeutige Entscheidung zu Gunsten der militärischen Profis forderte Hit-ler am 2. August 1934 ein, als er die Reichswehr auf sich persönlich vereidigen ließ, nach-dem der Reichspräsident Hindenburg verstorben war. Dessen Amt übernahm Hitler einfach und nannte sich ab diesem Zeitpunkt „Führer und Reichskanzler“.

 

26.10     Zunächst taktische Zurückhaltung bei der Judenverfolgung

Damit war der Prozess einer totalen Machtergreifung abgeschlossen. Hitler hatte die gesam-te Macht des Staates in seiner Hand, die Deutschen ließen ihn gewähren, weil er ihnen einen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg versprach. Die antisemitischen Ziele wur-den zunächst zurückgestellt, nachdem ein Boykott jüdischer Geschäfte am 1.4.1933 auf we-nig Begeisterung in der Bevölkerung gestoßen war. Erst 1935 kam es dann in den Nürnber-ger Gesetzen zu einer grundsätzlichen Diskriminierung des jüdischen Teils des Volkes und ab der Pogromnacht des 9. November 1938 wurde dann zunehmend auch der Weg der Ge-walt beschritten. Die eigentliche „Endlösung der Judenfrage“, wie die Nationalsozialisten be-schönigend den geplanten Massenmord nannten, war dann ein Ergebnis des Zweiten Welt-krieges.

26.11     Scheinbares Glück der Volksgemeinschaft auf dunklem Untergrund

Die meisten Deutschen erlebten ab 1934 ein Deutschland, in dem man sich zwar ideologisch anpassen musste, in dem es aber auch ein ganz neues Gemeinschaftsgefühl und wirtschaft-lichen Aufschwung gab. Dass dieser zu einem großen Teil auf Pump finanziert wurde und vor allem Rüstungsgüter produzierte, mit denen man außer in einem Krieg wenig anfangen konn-te, ahnte man nicht oder wollte man nicht wissen. Der Preis dafür war auch für die Deutschen hoch.

Weiterführende Hinweise