Anmerkungen zu Erich Kästners Antikriegs-Gedicht „Primaner in Uniform“

Die erste Strophe präsentiert den ersten Toten, den eine Schulklasse kurz vor dem Abitur (Primaner) aus ihrem Umkreis erleiden muss.

Die zweite Strophe zeigt dann die Reaktion der Schüler: Noch nehmen sie sich Zeit, das gedanklich zu verarbeiten und haben das Gefühl, dass ihr Klassenkamerad Kurt zwischen ihnen sitzt und damit noch bei ihrem Gespräch dabei ist.

In der dritten Strophe kehrt man zur Normalität des Schulalltags zurück und beschäftigt sich mit schöngeistiger Literatur. Dann zeigt sich das Fortschreiten des Krieges: Zu dem ersten Toten aus der Klasse kommt ein zweiter und ein weiterer ist schwer verletzt.

Die vierte Strophe wendet sich dann dem Rektor zu als dem Verantwortlichen für eine letztlich doch ziemlich kriegsfreundliche Grundhaltung und Ausbildung der jungen Menschen. Recht kritisch wird die christliche Frömmigkeit und die nationale Begeisterung in seiner Person verbunden.  Bezeichnend ist, dass die Teilnahme am Weltkrieg gewissermaßen eine Art Gleichrangigkeit mit dem Rektor als Autoritätsperson verschafft.

In der fünften Strophe geht es um die Trauerfeier für den ersten Toten. Sehr aufschlussreich die Verbindung von „Besuch“ als Phänomen der Normalität und „vor Kummer krumm“ als Zeichen für die neue Kriegszeit.

Die sechste Strophe bringt dann wieder einen Toten und den Hinweis auf ein Brett im Klassenzimmer, das die Opfer des Krieges in größerer Zahl erfassen kann.

Die siebte Strophe greift wieder auf das Thema der Verarbeitung zurück, diese ist schwieriger geworden, für Spaß und schöne Erinnerungen scheint kein Platz mehr zu sein. Dementsprechend wird auch ganz nebenbei darauf hingewiesen, dass zur gleichen Zeit wieder einer als Soldat fällt und ein anderer „vergast“ wird. Hier ist wichtig, das nicht auf den Massenmord an den Juden im Zweiten Weltkrieg zu beziehen, sondern auf den Einsatz von Giftgas an der Front im Ersten Weltkrieg, ein schlimmes Vorzeichen für das noch Schlimmere, das später kam.

Die achte Strophe bringt eine Kombination von obrigkeitlicher Kriegsbegeisterung und altsprachlicher Normalität an den Gymnasien der damaligen Zeit. Es folgt der knappe Hinweis, der gut zur Epoche der „neuen Sachlichkeit“ passt, dass die Schüler „Angst vor diesem Krieg“ haben und trotzdem selbst auch eingezogen werden.

Die neunte Strophe kombiniert dann die Angst neu, diesmal mit ein bisschen Hoffnung. Dem entgegen steht der Hinweis, in welchem Alter diese Menschen schon an eine mögliche Grenze ihres Lebens geführt wurden.

Die letzte Strophe ist dann besonders kritisch, weil sie den Kontrast deutlich macht zwischen der Trauer der Schüler, den Abschiedsworten des Rektors und dem Zurückbleiben des Rektors (stellvertretend für viele andere geistige Befürworter des ersten modernen Vernichtungskrieges mit Maschinengewehr, tagelangem Bombardement und eben auch Einsatz von Giftgas. Die letzten beiden Zeilen sind an satirischer Zuspitzung wohl kaum noch zu überbieten, wenn dieser Schlachtengott auf die gleiche Stufe mit „den andern Herrn“ des Gymnasiums gestellt wird und dem Direktor ein „Gefasst“-Sein unterstellt wird, das sich auch nicht der mindesten Kriegsgefahr ausgesetzt sieht.

Insgesamt ist das Gedicht der „Neuen Sachlichkeit“ zuzuordnen, weil mit scheinbarer Neutralität die schlimmsten Dinge scheinbar ohne jede Gefühlsregung präsentiert werden. Damit wird die Empörung ganz dem nachdenklichen und mitfühlenden Leser überlassen.

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