Kafka, „Die Verwandlung“ – Abschnitt 1 – Erläuterung und Zitat-Auswertung

Abschnitt 1: Gregor in ein „Ungeziefer verwandelt“ – berufliche Probleme

https://www.projekt-gutenberg.org/kafka/verwandl/verwa001.html

In diesem Abschnitt geht es darum, dass Gregor Samsa sich beim Erwachen „zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt“ sieht.
Achtung: Er wird nicht verwandelt, er findet sich schon verwandelt vor – es geht hier also eher darum, dass er wahrnimmt, was schon vorher mit ihm passiert ist.
Er fragt sich dann, was mit ihm geschehen ist, ist aber mehr mit oberflächlicher Wahrnehmung seiner Umgebung beschäftigt.

  • Eine wichtige Textstelle ist:
    „Über dem Tisch, auf dem eine auseinandergepackte Musterkollektion von Tuchwaren ausgebreitet war – Samsa war Reisender – hing das Bild, das er vor kurzem aus einer illustrierten Zeitschrift ausgeschnitten und in einem hübschen, vergoldeten Rahmen untergebracht hatte. Es stellte eine Dame dar, die mit einem Pelzhut und einer Pelzboa versehen, aufrecht dasaß und einen schweren Pelzmuff, in dem ihr ganzer Unterarm verschwunden war, dem Beschauer entgegenhob.“
    Hier zeigt sich nämlich der Gegensatz zwischen seiner normalen Arbeitstätigkeit und seinen wohl geheimen Wünschen.
  • Dann gibt es noch eine deutlichere Stelle, was seine eigentlich negative Sicht auf seine berufliche Tätigkeit angeht:
    „»Ach Gott«, dachte er, »was für einen anstrengenden Beruf habe ich gewählt! Tag aus, Tag ein auf der Reise. Die geschäftlichen Aufregungen sind viel größer, als im eigentlichen Geschäft zu Hause, und außerdem ist mir noch diese Plage des Reisens auferlegt, die Sorgen um die Zuganschlüsse, das unregelmäßige, schlechte Essen, ein immer wechselnder, nie andauernder, nie herzlich werdender menschlicher Verkehr. Der Teufel soll das alles holen!«“
  • Noch wichtiger ist dann eine Stelle, die deutlich macht, wie sehr er sich zum einen diskriminiert fühlt, zum anderen aber unter dem Druck steht, für die Schuld der Eltern aufkommen zu müssen.
    „»Dies frühzeitige Aufstehen«, dachte er, »macht einen ganz blödsinnig. Der Mensch muss seinen Schlaf haben. Andere Reisende leben wie Haremsfrauen. Wenn ich zum Beispiel im Laufe des Vormittags ins Gasthaus zurückgehe, um die erlangten Aufträge zu überschreiben, sitzen diese Herren erst beim Frühstück. Das sollte ich bei meinem Chef versuchen; ich würde auf der Stelle hinausfliegen. Wer weiß übrigens, ob das nicht sehr gut für mich wäre. Wenn ich mich nicht wegen meiner Eltern zurückhielte, ich hätte längst gekündigt, ich wäre vor den Chef hin getreten und hätte ihm meine Meinung von Grund des Herzens aus gesagt. Vom Pult hätte er fallen müssen! Es ist auch eine sonderbare Art, sich auf das Pult zu setzen und von der Höhe herab mit dem Angestellten zu reden, der überdies wegen der Schwerhörigkeit des Chefs ganz nahe herantreten muss. Nun, die Hoffnung ist noch nicht gänzlich aufgegeben; habe ich einmal das Geld beisammen, um die Schuld der Eltern an ihn abzuzahlen – es dürfte noch fünf bis sechs Jahre dauern – , mache ich die Sache unbedingt. Dann wird der große Schnitt gemacht. Vorläufig allerdings muss ich aufstehen, denn mein Zug fährt um fünf.«“

Wenn man sich in der Erzählung ein bisschen besser auskennt, merkt man schon hier, dass die „Verwandlung“ Gregor Samsas eigentlich darin besteht, dass jetzt bildhaft in diesem „Ungeziefer“ zum Ausdruck kommt, was vorher schon nicht in Ordnung war.

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