5-Minuten-Tipp: Dorothea Schlegel , „Ernst umgeben diese Mauern dich“ (aus: Romanfragment „Florentin“) (Mat4564)

Worum es hier geht:

Das folgende Gedicht ist ein Auszug aus dem Romanfragment „Florentin“ von Dorothea Schlegel aus dem Jahr 1801.

http://www.zeno.org/Literatur/M/Schlegel,+Dorothea/Roman/Florentin/2.+Kapitel

Die spannende Frage ist, kann dieses Gedicht auch für sich stehen.

Wir gehen hier „induktiv“ vor, d.h. zeigen, wie sich ein mögliches Verständnis langsam aufbaut – und wie es ggf. auch korrigiert werden muss.

Anmerkungen zu Teil 1:

Ernst umgeben diese Mauern dich, 
Gesetze ernst und ernste Sitten; 
Gelübde, Priester, Zeugen, 
Verein der Wappen.

  • Die ersten vier Zeilen beschreiben eine Situation aus der Sicht des lyrischen Ichs.
  • Es empfindet ein Gegenüber als eingesperrt und großen Zwängen ausgesetzt.

Anmerkungen zu Teil 2:

Zahllose Dinge, 
Auf ewig fremd dem Scherz, 
Fremd auf ewig dir, 
Gehn der Liebe voran, 
Legen die Freie 
In ernste Bande.

  • Die nächsten Zeilen erweitern, dann den Blick, verallgemeinern den ersten Eindruck gewissermaßen.
  • Vor allem betonen sie die Gegensätze zwischen den Bedürfnissen des Gegenübers und der drückenden Realität.

Anmerkungen zu Teil 3:

So gefesselt geht sie dir vorüber. 
Tröstend reicht sie dir die Hand, 
Blickt mit Sehnsucht in die Ferne. 
Hier kann ich niemals dein Gefährte sein, 
Ruft sie dir zu; 

  • In diesen Zeilen wird jetzt etwas klarer, um wen es hier eigentlich geht. Es könnte die Liebe sein, oder die Freiheit, die an der Person, um die es eigentlich geht, vorbeigeht.
  • Das einzige, was möglich ist, ist ein gewisser Trost verbunden mit Sehnsucht. Am Ende steht aber der klare Hinweis auf die nicht mögliche Verbindung dieser beiden Enden einer Distanz.

Anmerkungen zu Teil 4:

Unter jenen Blumen 
Hast du gespielt mit mir, 
Auf und ab 
Wandert‘ ich im Scherz mit dir.

  • Es folgt ein Rückblick auf bessere Zeiten. Offensichtlich haben diese beiden Träger des Gegensatzes früher miteinander spielen können und dabei auch Spaß gehabt („Scherz“). Auch wird noch mal der Gedanke der Begleitung aufgenommen, diesmal aber positiv.

Anmerkungen zu Teil 5:

Du sollst auch ernst 
Mich wieder finden, 
Ernst und treu; 
Und wieder mein sein: 
Nur lass mich frei!

  • Die letzten Zeilen setzen dann ein positives Zeichen.
  • Die Liebe oder die Freiheit oder was immer hier spricht, deutet an, dass später möglicherweise eine Verbindung möglich sein wird. Sie will aber im Augenblick erst einmal freigelassen werden.

Zusammenfassung

Das große Problem dieses Gedichtes ist, dass man vieles wahrscheinlich nur richtig versteht, wenn man den Kontext kennt. Diesmal handelt es sich nicht um einen historischen oder biografischen Zusammenhang, sondern um die Einbettung in einen Roman.

Dennoch soll hier zunächst versucht werden, das Gedicht auch aus sich selbst heraus zu verstehen. Dann wird folgendes zumindest deutlich:

  • Es gibt eine auf irgendeine Art und Weise eingesperrte Person. Dabei spielen wohl vor allem auch innere Mauern, eine Rolle.
  • Außerdem wird angedeutet, dass es eine gemeinsame Vergangenheit gegeben hat, die wohl durch Freiheit und Spiel kennzeichnet war.
  • Das ist aus irgendeinem Grund zur Zeit nicht möglich, die zweite Person, möchte aber losgelassen werden, bis ein Zusammensein wieder möglich ist.
  • Wenn man sich dann das Gedicht noch einmal durchliest, dann geht man wohl am besten davon aus, dass das lyrische Ich diese zweite Person darstellt. Sie hat wohl die gefangene Person früher frei lieben können und muss jetzt feststellen, dass diese durch viele Dinge eingeengt ist.
  • Sie sieht durchaus für die Zukunft die Möglichkeit eines erneuten Zusammenkommens, will aber bis dahin die eigene Freiheit haben und nicht mehr gebunden sein an eine andere Person, die zur Zeit unfrei ist.
  • Rein theoretisch könnte hier eine bekannte Dreiecks-Situation vorliegen:
    • A und B sind frühere Freunde.
    • A hat sich dann für C entschieden oder entscheiden müssen.
    • B möchte jetzt nicht mehr gewissermaßen mit gebunden sein und seine Freiheit wieder haben.
    • Sollten sich die Verhältnisse ändern, würde man gegebenenfalls wieder mit A zusammen kommen.

Fazit:

Man merkt deutlich, dass dieses Gedicht seinen vollen Sinn erst bekommt, wenn man den Kontext berücksichtigt.

Von daher ist die Antwort eher so, dass dieses Gedicht sehr schwer für sich zu interpretieren ist. Man muss dann zu Hypothesen und Hilfskonstruktionen Zuflucht nehmen. Spaß macht das nicht 🙁

Falls das Gedicht trotzdem im Unterricht für sich analysiert werden muss, sollte man zumindest auf die Probleme hinweisen – wir haben das versucht 🙂

Weitere Infos, Tipps und Materialien

https://textaussage.de/weitere-infos