5-Minuten-Tipp zu Heinrich Heine, „Sie saßen und tranken am Teetisch“ (Mat4864)

5-Minuten-Tipps zu Heinrich Heine, „Sie saßen und tranken am Teetisch“

Das folgende Gedicht ist ein wunderbares Beispiel für den Kontrast zwischen einer „formierten“ Liebe und einer natürlichen. Die erste Variante hat viele Erfahrungen gemacht und sich ein festes Urteil gebildet, die zweite gibt sich dem Gefühl einfach hin und genießt es.

Heinrich Heine

Sie saßen und tranken am Teetisch

  • Die Überschrift, die der ersten Zeile entspricht, macht schon den formellen Charakter einer Veranstaltung deutlich, auf der man eben Erfahrungen austauscht – von einem abgehobenen, abgeklärten Standpunkt aus.

Sie saßen und tranken am Teetisch,
Und sprachen von Liebe viel.
Die Herren waren ästhetisch,
Die Damen von zartem Gefühl.

  • Hier wird darauf hingewiesen, dass vor allem von der Liebe gesprochen wird – sie wird nicht praktiziert.
  • Im weiteren Verlauf wird dann deutlich, dass die Männerwelt hier ziemlich abgehoben redet, während die Frauen stärker vom Gefühl ausgehen.

Die Liebe muss sein platonisch,
Der dürre Hofrat sprach.
Die Hofrätin lächelt ironisch,
Und dennoch seufzet sie: Ach!

  • Hier macht sich das lyrische Ich lustig über zwei Verzichtsvarianten:
    • Der Hofrat ist anscheinend etwas eingeschränkt, was die Liebe angeht.
    • Seine Frau kann das das Defizit nur beklagen.

Der Domherr öffnet den Mund weit:
Die Liebe sei nicht zu roh,
Sie schadet sonst der Gesundheit.
Das Fräulein lispelt: Wie so?

  • Auch hier wieder ein Gegensatz: Jetzt kommt eher ein moralischer Aspekt zum Tragen.
  • Auch hier wieder dann der Kontrast: Es ist bezeichnenderweise wieder eine Frau, die sich wohl mehr unter der Liebe vorstellt.

Die Gräfin spricht wehmütig:
Die Liebe ist eine Passion!
Und präsentieret gütig
Die Tasse dem Herrn Baron.

  • Auch hier wieder das Leiden einer Frau, die wohl nicht genug Liebe bekommt oder keine, die sie sich wünscht.
  • Sie flüchtet sich in eine Minimalform von Zuneigung, nämlich die Präsentation einer Tasse Tee.

Am Tische war noch ein Plätzchen;
Mein Liebchen, da hast du gefehlt.
Du hättest so hübsch, mein Schätzchen,
Von deiner Liebe erzählt.

  • Jetzt die für Heine typische Wende: Er ändert die Perspektive.
  • Dabei denkt er an sein Liebchen und deutet an, dass da ganz andere Dimensionen der Liebe erreicht werden.
  • Man kann davon ausgehen, dass das lyrische Ich von den gemeinsamen Erfahrungen ausgeht.

Kreative Anregung:

Das Gedicht bleibt – typisch für die Zeit – ja recht theoretisch bzw. allgemein und beschränkt sich auf auf Andeutungen.

Hier könnte man zum Beispiel eine der im Gedicht genannten Frauen einen Tagebucheintrag schreiben lassen, in der das näher ausgeführt wird, was im Gedicht nur als Defizit oder Passion angedeutet wird.

Eine andere Möglichkeit wäre ein Gespräch zwischen zwei Freundinnen über ein Date, das genau im Stil der ersten Strophen des Gedichtes abgelaufen ist.

Die letzte Strophe überlässt man am besten der Fantasie eines jeden Einzelnen 😉

Man kann das Gedicht natürlich auch einfach seinem Partner oder seiner Partnerin mit einem erwartungsvollen Gesichtsausdruck vorlesen 😉

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