5-Minuten-Tipp: Kann man sich für Frischs Drama „Andorra“ ein Happy End vorstellen? (Mat4862)

Worum es hier geht:

Wir stellen uns vor: Jemand fragt uns, ob Frischs Drama „Andorra“ auch gut enden könnte – und wie das aussehen könnte.

Das wäre übrigens ein ungewöhnlicher, aber sicher interessanter Unterrichtseinstieg. Zunächst klärt man, was da abläuft – dann geht es um die Frage von Alternativen.

Wir versuchen hier mal, in maximal fünf Minuten ein paar Tipps zur Klärung der Frage zu geben:

  1. Zunächst muss man eine Stelle im Drama finden, an der die Handlung in eine andere Richtung abbiegen könnte. Dafür kommt vor allem Bild 6 in Frage, denn dort versucht der Lehrer ja, Andri die Wahrheit über seine Herkunft zu sagen.
    Hier zeigt sich Andri aber so trotzig-verstört, dass ein echtes Gespräch mit seinem zumindest angetrunkenen Vater nicht zustande kommt.
  2. Selbst wenn es geklappt hätte, wäre da die Vergewaltigung Barblins schon passiert. Die Wahrheit würde übrigens bedeuten, dass aus der Liebe zwischen ihr und Andri nichts werden kann – denn sie sind Halbgeschwister.
  3. Außerdem ist fraglich, wie die Andorraner und die zum Angriff angetretenen Schwarzen auf die Neuigkeit reagieren würden. Zumindest hätte Andri eine Chance.
    Am besten wäre wohl gewesen, wenn der Lehrer seinen Kindern bei der Flucht geholfen hätte.
  4. Eine bessere Lösung wäre auf jeden Fall, wenn der Lehrer den Mut gehabt hätte, nicht einfach Nein zu sagen zur geplanten Hochzeit seiner beiden Kinder. Er hätte ihnen hier die Wahrheit sagen können, tut es aber nicht.
  5. Man sieht deutlich, dass es in diesem Stück nicht nur um Antisemitismus bzw. jede Form von „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ geht, sondern auch um Identität (bsd. bei Andri) und den Mut zur Wahrheit. Aber den hat der Lehrer ja von Anfang nicht gehabt. Er hat auch nicht seine zweite Chance genutzt, als die Senora erscheint. Von daher läuft dieses Theaterstück von vornherein auf eine Katastrophe zu, die sich auch nicht wirklich aufhalten lässt. Die einzige Alternative wäre die von Andri geplante Flucht – und dann hätten er und Barblin ein Leben lang mit einer Liebe leben müssen, die sich nicht verwirklichen lässt – auch kein Happy End.
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  6. Nachtrag 1:
    Im neunten Bild wird deutlich, dass auch die Senora dazu bei trägt, dass es keine andere, bessere Lösung des Konflikts gibt. Sie könnte sich einfach dazu bekennen, dass sie Andris Mutter ist. Er würde ihr wohl am ehesten zuhören, weil sie in seinen Augen ja nicht vorbelastet ist.  Aus unerfindlichen Gründen verzichtet sie auf diese Klarstellung. Dabei weiß sie doch, dass die Truppen ihres Landes im Anmarsch  sind.
  7. Nachtrag2:
    Das 11. Bild macht dann deutlich, dass Andri stark zum tragischen Ende beiträgt. Wie in einem schlechten Liebesfilm konfrontiert er Barblin nur mit der einen typisch männlichen Frage: Wie oft hast du mit dem Soldaten geschlafen.
    Hier wird deutlich, dass es zwischen Barblin und ihm ein echtes Kommunikationsproblem gibt. Denn Andri weiß anscheinend nichts davon, dass der Soldat auf hässliche Art hinter seiner Verlobten her ist.
    Das ist ein Problem, dass es schon länger gibt und Andris Liebe doch in ein recht schiefes Licht rückt. Auf jeden Fall verpasst er so die letzte Chance, mit Barblin zu fliehen.

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