Abiturwissen zu Goethe, „Iphigenie auf Tauris“ (Mat118)

Worum es hier geht:

Wer sich auf das Abitur oder vergleichbare Prüfungen vorbereiten muss, findet hier eine kompakte Übersicht.

Hier schon mal die Vorschau, die sich auch gut formatiert unten in der PdF-Druckvorlage findet:

Abitur Wissen und Verständnis: Iphigenie Drama Klassik
  1. Besonderheit der literarischen Grundgattung Drama
    Im Unterschied zu Lyrik und Epik keine Vermittlung durch lyrisches Ich oder Erzähler, sondern direkte Präsentation des Geschehens in einer Bühnen-Umgebung
    Unterscheidung zwischen dem Dramen-Text und der Inszenierung zwischen Realisierung und Interpretation
    Besonderes Problem der Gestaltung der Exposition, da es eben keine Vermittlung gibt

  2. Exposition allgemein und am Beispiel von Iphigenie
    1. In epischen Texten hat man einen Erzähler, der direkt oder indirekt in die Geschichte eingeführt, im Drama muss alles in möglichst authentisch wirkender Rede der Figuren deutlich werden.
    2. In Goethes Iphigenie Realisierung über einen Monolog – mit dem Kernsatz: Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher; Das Land der Griechen mit der Seele suchend Thoas als edler Mann, aber: In ernsten, heil’gen Sklavenbanden; dann Präsentation ihrer Hoffnung auf Rückkehr in die Heimat, dabei zugleich erste Andeutungen auf ihr Schicksal, die Fast-Opferung durch den Vater und das Zurücklassen von Mutter sowie Schwester und Bruder;
      Schluss mit der Bitte, auch vom zweiten Tode gerettet zu werden nach der Rettung vom ersten
    3. Ein Gespräch mit den Königsboten Arkas verstärkt dann das Problem durch den Hinweis auf die Heirats-Werbung des Königs
    4. Die dritte Szene präsentiert schließlich den Konflikt zwischen dem König und der Priesterin, deren Zurückhaltung gegenüber dem Wunsch deutlich wird, der verärgerte König verweist auf zwei Fremde, die geopfert werden soll
      (Ende der angeblichen Pflicht- Vergessenheit)
    5. Den Schluss bildet dann ein erneuter Monolog, mit der Bitte Iphigenies, das Opfer vermeiden zu können, positive, sehr menschliche Sicht der Götter

  3.  Phänomen des Mythos
    1. Erzählung beziehungsweise Geschichte, die existenzielle Fragen beantworten, in der Regel sehr bildhaft
    2. Häufig auch Erklärung von Naturphänomenen im Unterschied zur naturwissenschaftlichen Erklärung
    3. Mythen haben häufig eine lange Rezeptionsgeschichte, in der sie immer wieder neu aufgenommen bzw. abgewandelt werden

  4. Tantalidenmythos
    1. Iphigenie gehört mit ihrer Familie zu den Nachkommen von König Tantalus, der noch heute in einer sprichwörtlichen Wendung mit Tantalus-Qualen verbunden wird
    2. In der Unterwelt steht er in einem Teich, kann aber nicht trinken, da das Wasser zurückweicht, ebenso kommt er nicht an Früchte, weil die jeweils durch Wind von ihm weggeweht werden, Dazu kommt ein Felsbrocken, der über ihm schwebt und ihn ständig zu erschlagen droht
    3. Hintergrund des Sturzes mit ungeheurer Fallhöhe: Liebling der Götter, darf an deren Tafel teilnehmen, provoziert seine Gönner, indem er ihnen seinen geschlachteten Sohn Pelops vorsetzt, um ihre Allwissenheit auf die Probe zu stellen
    4. Die Strafe der Götter erstreckt sich auch auf die Nachkommen bis hin zum Vater von Iphigenia, der das griechische Heer gegen Troja anführt Auf dem Weg dorthin provoziert Agamemnon die Göttin Artemis, indem er ihre heilige Hirschkuh erledigt, die Strafe dafür ist eine verhängnisvolle Windstille, die die Flotte am Auslaufen hindert Als Sühne soll der König seine eigene Tochter Iphigenie opfern, die Göttin ist aber gnädig und entrückt Iphigenie in
      das Land der Taurer, wo sie im Auftrage von deren König Menschenopfer vollziehen muss
    5. Die Gattin des Agamemnon ist so empört, dass sie nach der Rückkehr ihres Mannes diesen im Bade von ihrem Geliebten umbringen lässt, Tochter und Sohn können sich aber retten
    6. Als Erwachsener kehrt Orest zurück, bringt die Mutter und ihren Liebhaber um, wird dann zur Strafe aber selbst von den Rachegöttinnen verfolgt
    7. Das Orakel eröffnet ihm die Chance, davon befreit zu werden, wenn er das Bild der Göttin Artemis aus dem Taurerland nach Griechenland zurückbringt
    8. Dabei wird er gefangengenommen und soll mit seinem Freund Pyladen geopfert werden, aber die Geschwister erkennen sich gegenseitig und fliehen gemeinsam mit dem Götterbild nach Griechenland (anders als bei Goethe)

  5.  Entwicklung des dramatischen Konflikts bis zum Schluss, Veränderung durch Goethe
    1. Von Anfang an mehr Menschlichkeit bei Goethe, Iphigenie hat nämlich Thoas dazu bewegen können, auf die Opfer zu verzichten
    2. Deren Wiedereinführung ist entsprechend eine bedeutende Verschärfung des Konflikts
    3. Im Unterschied zur Vorlage findet Goethe eine weniger kriminelle Lösung indem er das Wort Schwester, die zurückgebracht werden soll, am Ende nicht als Schwester des Apollo, also das Götterbild, sondern als Schwester des Orest, also Iphigenie, verstehen lässt
    4. Wichtiger ist aber Iphigenies Sprung in die Wahrheit und die Tatsache, dass der König auch als Barbar sich zur Entsagung, und damit einem zentralen Begriff der Klassik emporschwingt
    5. Von daher die Frage, ob das Stück nicht besser Iphigenie und Thoas heißen sollte
6. Iphigenie als Ideal der „schönen Seele“ oder „bleiches Tugendideal“
  • Goethe selbst erkannte, dass er eine sehr ideale Figur geschaffen hat, auch wenn diese zwischendurch hin und her schwankt und sehr stark kämpfen muss.
  • Am Ende präsentiert sie die Umsetzung der Forderung der Klassik, wie sie zum Beispiel in dem Gedicht Das Göttliche formuliert ist: Edel sei der Mensch, hilfreich und gut
  • Zwischen Pflicht und Neigung überwindet sich Iphigenie zu einer Lösung, die auf Offenheit und Vertrauen setzt (mutiger Sprung in die Wahrheit, nach dem sie selbst rückblickend zittert, was ihr ganz normales Mensch-Sein zeigt)
  • In typisch aufklärerischem Optimismus wird diese Haltung am Ende belohnt, Thoas Verhalten ist offensichtlich das Ergebnis eines erfolgreichen Erziehungsprozesses, ebenfalls hin zur Selbstüberwindung
7. Alternative: Pylades Als Goethes Amerikaner
  • Pylades bildet mit seinem Denken und seinen Ratschlägen die Alternative und ständige Herausforderung für Iphigenie
  • Bereitschaft zum Kampf und zu Optimismus bis zum letzten Moment, nie aufgeben ist sein Prinzip, dazu die Bereitschaft zum Einsatz aller Tricks

8. Einordnung von Goethes Drama in die Geschichte dieser Gattung
  • Große Bedeutung für die Kultur der Griechen, Antwort des Aristoteles auf den Vorwurf des Plato, dass die Dichter lügen
  • Drama bekommt die Funktion, die Menschen in der Katharsis zu reinigen, schwieriger Begriff, aber gemeint ist wohl ein Herauslösen aus dem Alltäglichen und ein Sichbewusstwerden auch der Verpflichtungen gegenüber den Göttern, zum Beispiel Warnung vor Hybris, wie sie sich gerade bei Tantalus zeigte
  • Drei Einheiten (Ort, Zeit, Handlung) und Fallhöhe (nur Könige und andere hohe Personen sind tragödienwürdig, weil ihr Sturz maximale Erschütterung auslöst) für Aristoteles nötig, später zwanghaft verstanden
  • Erst zur Zeit Lessings eine Veränderung in Richtung bürgerliches Trauerspiel, wie es exemplarisch in Kabale und Liebe gezeigt wird, allerdings nur auf der inhaltlichen Ebene, formal bleibt es in seiner Fünf-Akt-Anlage und seinem hohen Kompositionsgrad ein der Klassik verpflichtetes Stück
  • Im 20. Jahrhundert entwickelte Bertolt Brecht ein Gegenmodell, nämlich das epische Theater mit seinem
    Verfremdungseffekt, bei dem der Mensch sich in die Erkenntnis nicht hineinfühlen, sondern hineindenken sollte.
9. Bedeutung von Goethes Werk – bis heute?
  • Zunächst einmal Vorgaben-Zwangslektüre im Rahmen des Epochenwechsels um 1800, sprachlich schwer verständlich, Intention und Sinn schwer vermittelbar, Belastung als Bildungsgut
  • Heute gibt es keine allgemeinen Normen mehr, keine verbindlichen Autoritäten, aber noch Herrschaft des traditionellen Kulturbetriebs mit zunehmender Einbeziehung der Moderne, Vielfalt der Meinungen und Formen
  • Allenfalls die Menschenrechte werden noch vom Prinzip her hochgehalten, aber zunehmend verletzt Dazu eine um sich greifende moralische Desorientierung, erkennbar am Verlust moralischer Schranken, im Bereich der persönlichen Gewaltanwendung (bis hin zu Übergriffen gegenüber Rettungskräften), aber auch der Morallosigkeit (etwa mancher Finanzjongleure in den Banken)
  • Aber auch die Zeit Goethes war nicht frei von Krieg, Kriminalität, Grausamkeit: Auf dem Weg nach Rom sah er an den Straßen die gehenkten Räuber
  • Von kann man die Notwendigkeit eines idealen Gegenbildes, auch wenn die Helden der Selbstbildung und Entsagung heute andere sein mögen als Iphigenie
10. Was ist überhaupt eine Epoche und welche sind im Umfeld unserer Abiturtexte wichtig?
  • Epoche ist gekennzeichnet durch Gemeinsamkeit von Auffassungen und Handlungsweisen, die zugleich normal wie auch Norm sind
  • Am besten auch mit Moden vergleichbar, aber nur im Auf und Ab, weniger von der Bedeutung dessen her, was prägend ist
11. Inwiefern kann man von einem Epochenumbruch um 1800 sprechen?
  • Am Beispiel von Goethe und Schiller kann man besonders gut die Veränderungen vom Sturm und Drang hin zur Klassik erkennen
  • Zugleich aber auch ein großes gemeinsames Dach des Idealismus, das dann im 19. Jahrhundert dem Realismus und schließlich dem Naturalismus, aber auch den Expressionismus sowie der Neuen Sachlichkeit weichen muss
  • Aber auch diese findet etwa im Roman Hiob wieder eine romantisch-märchenhafte Antithese
  • Dann in Tauben im Gras wieder eine Antithese, allerdings mit durchaus positiven Hoffnungs-Elementen trotz des trostlosen Rahmens ständiger neuer Kriegsgefahr.
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Abiturwissen Iphigenie auf Tauris, Klassik und Einordnung in die Geschichte des Dramas
Mat 118 Abitur 2015 Wissen und Verständnis – Iphigenie Drama Klassik

Weitere Infos, Tipps und Materialien

Sammlung von Infos, Tipps und Materialien zu Goethes „Iphigenie auf Tauris“
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