Anmerkungen zur Überschrift
Es ist alles eitel
- Die Überschrift ist heute nicht mehr sofort verständlich. Heute kennen wir den Begriff eitel nur noch als Bezeichnung eines Menschen, der sich auf seine Schönheit oder sonst etwas was einbildet, was andere nicht so recht überzeugt.
- In der Barockzeit wurde der Begriff noch in einem etwas anderen Zusammenhang verwendet. Da ging es darum, dass etwas wertlos ist.
- Dieses Gedicht vertritt also die These, dass alles wertlos ist. Was damit im einzelnen gemeint ist, macht das Gedicht klar.
01 Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden.
02 Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein:
03 Wo jetzt noch Städte stehn, wird eine Wiese sein,
04 Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden.
- Das Gedicht wiederholt noch einmal das, was im Titel schon gesagt worden ist.
- Es folgt eine Zeile, die den Gegensatz von bauen und zerstören hervorhebt und zwar in einer engen zeitlichen Abfolge.
- Die Zeile verallgemeinert das von einem einzelnen Bauwerk auf ganze Städte und zeigt mit der Wiese eine scheinbar friedliche Perspektive auf, die für den Menschen allerdings auch fehlende Lebensgrundlagen mit sich bringt.
- Die letzte Zeile schränkt das dann auf das Kind eines Schäfers ein, das mit seinen Schafen angeblich noch überleben kann.
- Vor dem Hintergrund des 30-jährigen Krieges mit seiner unglaublichen Unmenschlichkeit und Zerstörungswut dürfte das aber eine Illusion sein. Denn es gab dort zu viele Interessenten an dem in diesem Fall noch vorhanden Schaffleisch. Und auch das Schäfermädchen wäre unter Umständen nicht ungeschoren davon gekommen.
- Also insgesamt eine einseitige und in der Perspektive auch unrealistische Sicht selbst auf die Geschehnisse des Dreißigjährigen Krieges.
05 Was jetzt noch prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
06 Was jetzt so pocht und trotzt, ist morgen Asch’ und Bein,
07 Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
08 Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.
- Die zweite vierzeilige Strophe (Quartett) wiederholt den Grundgedanken der ersten Strophe noch einmal und hebt dabei den Aspekt der Zeit hervor.
- Bei der letzten Zeile denkt man allerdings eher an individuelle Krankheits oder Alterserscheinungen.
09 Der hohen Taten Ruhm muss wie ein Traum vergehn.
10 Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch, bestehn?
11 Ach! Was ist alles dies, was wir für köstlich achten,
- Das erste Terzett (Strophe mit drei Zeilen) in den Gedanken die Zerstörung noch einmal auf und wendet ihn auf das Phänomen des Ruhms an.
- Das Gedicht geht dann über zu der Frage, ob und wie der Mensch vor diesem Hintergrund und angesichts seiner eigenen Leichtgewichtigkeit bestehen könnte.
- Die letzte Zeile formuliert die negative Sicht dann noch einmal in einer Klage.
12 Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;
13 Als eine Wiesenblum’, die man nicht wieder find’t.
14 Noch will, was ewig ist, kein einzig Mensch betrachten!
- Die letzte Strophe beschreibt noch einmal in anderen Bildern die Nichtigkeit des Menschen.
- Die letzte Zeile allerdings weitet dann den Blick auf eine mögliche Mitschuld der Menschen aus, was das Verfehlen ihres Glückes angeht.
- Es gibt also doch so etwas, was ewig ist, nur wird das nicht beachtet. Offen bleibt die Frage, was denn die Betrachtung dem vergänglichen Menschen bringen könnte.
- Das ist natürlich nur zu verstehen vor dem Hintergrund der christlichen Grundierung der Barocklyrik. Sie ging davon aus, dass eben alles eitel ist, nichts wert, dass es aber im christlichen Glauben etwas gäbe, was zum einen dauerhaft ist und zum andern den Menschen auch nach dem Tod zumindest eine bessere Existenz im Jenseits verspricht.
Kritik aus heutiger Sicht
Auch hier wieder eine nur negative Sicht des menschlichen Lebens, allerdings mit der kleinen Fluchtmöglichkeit in den christlichen Glauben und seine Versprechungen hinein.
Das bleibt allerdings auf der Ebene der Andeutungen und allenfalls der Behauptungen. Letztlich dient es möglicherweise nur dazu, dass einige Leser sich auf wohltuende Art und Weise vom Schicksal anderer abgegrenzt und gerettet fühlen.
Beispiel für eine leichte, aber wichtige Modernisierung
Lars Krüsand,
Andreas Gryphius, Es ist alles eitel – wie man es heute sagen könnte
Ganz gleich, wohin du schaust, nirgends ist was von Dauer.
Der eine baut was auf, der andere reißt es ein.
Wo jetzt Millionen wohnen, wird eine Wüste sein.
Nur Trümmer, keine Nahrung, nur Hunger gibt es noch.
Selbst was zum Himmel ragt, Zerstörung droht auch ihm.
Und wo noch Stolz und Pracht, wird bald auch Elend sein.
Nichts bleibt von allem hier, so hoch es auch mag stehn.
Das Glück, das wir noch spüren, wird krachend pleite gehen.
Selbst wer im Guiness steht, das Buch wird auch vergehn.
Was bleibt denn dann von uns, sind Menschen auch ein Nichts?
Wir glauben an so viel – und doch scheint alles nichts.
Nur Vorhang alles, dahinter find sich nichts
Als eine Ahnung nur von Glanz, die schon verschwunden ist.
Was ewig könnte sein, drum kümmert sich kein Schwein.
Der kleine, aber wichtige Unterschied
Gryphius schreibt:
Noch will, was ewig ist, kein einzig Mensch betrachten!
Krüsands Gedicht hat diese Sicherheit nicht mehr, ihm reicht schon die Prüfung und ggf. Nutzung von Möglichkeiten:
Was ewig könnte sein, drum kümmert sich kein Schwein.
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