Anstoßtext: „Der neue Generationenvertrag – oder warum können die Kids nicht Schnee schippen?“ (Mat282)

  • Im Unterricht braucht man als Lehrer immer wieder Texte, die Nachdenklichkeit erzeugen und Diskussionen „anstoßen“. In diesem Falle geht es um die Frage, ob junge Menschen den Erwachsenen nicht mehr unangenehme Arbeiten abnehmen könnten als bisher.
  • Das Material ermöglicht ein vertieftes Verständnis der Frage nach dem Verhältnis der Generationen, bsd. in der Familie.
  • Ein fiktiver Leserbrief, in dem jemand seinen Frust über die heutige Jugend ablässt, was eine Antwort geradezu herausfordert. Dazu Aufgaben.

Hier zunächst der Text, dann das Arbeitsblatt zum Herunterladen.

Der neue Generationsvertrag – oder warum können die Kids nicht Schnee schippen?
Normalerweise versteht man unter dem Generationenvertrag, dass zunächst die Älteren die Jüngeren großziehen und dafür später von denen versorgt werden, wenn sie selbst nicht mehr arbeiten können. Wenn man an einem Wintermorgen aus dem Fenster auf den frisch gefallenen Schnee schaut, fragt man sich allerdings, ob der Generationenvertrag nicht doch in dieser einfachen Form etwas zu grobrasterig ist. Da sitzen die jungen Menschen gemütlich beim Frühstück oder liegen vielleicht sogar noch im Bett, während zumindest ein Teil der Eltern noch früher aufgestanden ist, um rechtzeitig den Schnee vor Haus und Garten entfernen zu können. Mittags oder auch abends sieht es nach dem Essen ähnlich aus. Während Mutter oder Vater für die Vorbereitung allenfalls gnädige Zustimmung bekommen hat und sich jetzt um das Abwaschen und das Aufräumen kümmert, ist der Nachwuchs bereits über alle Berge. Im besten Falle in seinem Zimmer bei den Schulaufgaben, im weniger guten Fall auf dem Weg zu Freunden oder in die Stadt.
Es ist wirklich die Frage, wie lange die hart arbeitende Generation zwischen 20 und 60 sich das noch gefallen lassen will und wird. Warum sollen Leute, die beim Schneeschnippen schnell Rückenprobleme bekommen, sich damit herumplagen, während viele junge Menschen vor Kraft nicht laufen können und man ihnen für teures Geld immer neue Skaterplätze baut. Nur, damit sie sich abreagieren und nicht aus Spaß Papierkörbe herunterreißen oder  Bushaltestellen demolieren.
Allerdings bedeutet jede Veränderung in diesem Bereich geradezu eine Revolution und setzt völliges Umdenken voraus. Oder kann sich jemand an einen Fernseh- oder Kinofilm erinnern, in der die jugendliche Hauptperson vor ihren Heldentaten erstmal ihr Zimmer aufgeräumt oder beim Aufhängen der Wäsche geholfen hat? Das wäre nicht nur völlig uncool, das ist auch unter normalen Verhältnissen undenkbar.
Dementsprechend sehen unsere Schulen aus: Wenn dort mal an ein oder zwei Tagen die Putzkolonnen nicht arbeiten, fragen sich die ersten feinfühligen Menschen (meistens sind es nur Lehrer), ob sie in einem solchen Saustall von Klassenraum überhaupt unterrichten wollen. In Niedersachsen ist die Regierung mal kurzzeitig auf den schönen Gedanken gekommen, eine Menge Geld einzusparen, indem Schüler zumindest einen Teil des Drecks, den sie produzieren, selbst wegräumen.
Aber dieses Paradies (übrigens auch der Erziehung!) hat nur kurze Zeit angehalten, dann hat ein oberschlaues Gericht festgestellt, dass Schüler in der Schule zum Lernen sind und nicht zum Saubermachen – und damit war die Sache gestorben.
Was dabei völlig übersehen wird, ist, dass Schulen für Bildung und Erziehung da sind. Vielleicht sollten unsere Politiker mal darüber nachdenken, ob Schüler, die gut erzogen sind, nicht auch besser lernen. Man darf gespannt sein, ob jemals eine solche Untersuchung gemacht wird.
Auf jeden Fall wäre es einen Versuch wert. Wenn man heute die Ausbilder in den Betrieben fragt, weiß man sowieso nicht, was bei 9,10 oder 12 Schuljahren herausgekommen ist. Die ideale Lösung wäre vielleicht, wenn junge Menschen beim Schneeschnippen, Aufräumen oder Spülen noch Vokabeln lernen oder sich ein paar Informationen zu wichtigen Themen der Geschichte reinziehen würden. Die dafür nötigen MP3-Player  beziehungsweise Handys mit Ohrstöpsel haben wir heutzutage.
Dann wären übrigens all diese guten Taten nicht langweilig und der Bildungsstand sähe auch bald besser aus.
Max Sahlberg
(entn: „Na endlich“ – Zeitschrift für Schule und Unterricht, © www.schnell-durchblicken.de, 2010)

Aufgaben:

  1. Fasse in ein, zwei Sätzen zusammen, was der Verfasser dieses Textes möchte.
  2. Stell dir vor, dieser Text stünde als Leserbrief in einer Zeitung. Verfasse einen Gegen-Leserbrief, in dem du zumindest einen Teil der Haltung des Verfassers kritisierst bzw. eigene, bessere Vorschläge machst, was ein möglichst gerechtes Arbeitsverhältnis zwischen Eltern und Kindern angeht.