Worum es hier geht:
Gerechtigkeit durch Ungerechtigkeit?
Auf dieser Seite fassen wir die ziemlich langen Geschichten in zwei Balladen, die eine besondere Art von Gerechtigkeit zeigen, mal kurz zusammen.
Im ersten Falle werden zwei Leute zu Mördern, aber das Opfer ist auch nicht besser – am Ende sind alle drei tot. Hier scheint die Welt noch in Ordnung.
Im zweiten Fall gibt es auch eine Untat – und der Übeltäter wird auch bestraft, allerdings für eine Tat, die er gar nicht getan hat.
Da kommt man schon ins Grübeln.
Besonders Schüler fragen sich ja häufig, wozu Literatur gut ist. Deshalb präsentieren wir hier mal zwei Beispiele, die zeigen, wie schön zum Beispiel eine Ballade einen Kriminalfall lösen kann. Am Ende hat man als Leser das Gefühl von Gerechtigkeit, aber einer etwas seltsamen.
Ein gewisser Emanuel Geibel hat um 1900 herum eine ziemlich wilde Geschichte in 16 Strophen präsentiert, die es echt in sich haben.
Sind da drei Jungs unterwegs im Wilden Westen, die als Goldgräber Glück haben und einen großen Schatz finden. Dementsprechend ausgelassen ist ihre Freude und groß das Fest am Abend.
Dann aber beginnt das große Nachdenken – besonders, als sich Sam auf den Weg macht, um Nachschub an Speisen und Getränken zu holen.
Während seiner Abwesenheit diskutieren Tom und Will immer intensiver die Frage, ob es nicht besser wäre, wenn sie das Gold nur durch zwei teilen müssten statt durch drei.
Dass das einen Mord bedeutet, nehmen sie in Kauf. Am günstigsten erscheint ihnen, wenn sie den nichtsahnenden Sam einfach von hinten erstechen.
Zunächst aber trinken sie sich noch ein bisschen Mut an – dann ist es soweit. Allerdings ist Sam nicht gleich tot und findet noch die Zeit, ihnen mitzuteilen, dass er ähnliche Gedanken hatte und deshalb den Wein, den sie gerade getrunken haben, vergiftet habe.
Eine schöne Geschichte, könnte man meinen, weil sich so gewissermaßen das Verbrechen auf der Welt von selbst erledigt.
Aber es gibt noch eine zweite Geschichte, sie ist von Annette von Droste-Hülshoff in der Ballade „Die Vergeltung“ verarbeitet worden.
In ihr gerät ein Schiff namens „Batavia 510“ in einen Sturm und sinkt.Ein ziemlich kranker Mann hat das Glück, eine Planke zu erwischen, die ihn trägt. Ein „schwarzgelockter“ (man sieht, im 19. Jahrhundert ging man mit Vorurteilen noch ganz locker um!) Mann hat keine Planke, aber mehr Kraft und stößt den Kranken vom Brett. Nach einiger Zeit wird er wirklich gerettet, leider nur von einem Piratenschiff, aber immerhin.Dummerweise wird dieses Schiff dann von einem Kriegsschiff aufgebracht – und alle sollen hingerichtet werden. Der „Schwarzgelockte“ beteuert seine Unschuld – aber die Piraten machen sich einen Spaß daraus, ihn als Anführer zu bezeichnen.Während er noch mit seinem Schicksal hadert und schon zum Galgen hochgezogen wird, der aus Schiffstrümmern gebaut worden ist, sieht er am Querbalken den Namen des Schiffes, nach dessen Untergang er den Mord begangen hat.Hier wird die Frage nach der Gerechtigkeit jetzt noch deutlich spannender. Ist das auch Gerechtigkeit? Hebt eine Ungerechtigkeit eine andere auf? Kann man sich drüber freuen, wenn der, der einen überfallen hat, einen tödlichen Autounfall hat? Oder sieht man die schlechte Note eines Mitschülers positiver, wenn der einen vorher wegen einer angeblich dummen Bemerkung lächerlich gemacht hat?
Fragen über Fragen. Besonders spannend werden sie in den Randbezirken des Lebens – und für die ist gute Literatur ja am meisten zuständig.
Hier zunächst eine Vorschau – unten gibt es eine Druckvorlage als PDF-Datei.
Text zum Durchlesen
Ein Text des Anstoßes: Gibt es Gerechtigkeit durch Ungerechtigkeit?
Besonders Schüler fragen sich ja häufig, wozu Literatur gut ist. Deshalb präsentieren wir hier mal zwei Beispiele, die zeigen, wie schön zum Beispiel eine Ballade einen Kriminalfall lösen kann. Am Ende hat man als Leser das Gefühl von Gerechtigkeit, aber einer etwas seltsamen.
Ein gewisser Emanuel Geibel hat um 1900 herum eine ziemlich wilde Geschichte in 16 Strophen präsentiert, die es echt in sich haben.
Sind da drei Jungs unterwegs im Wilden Westen, die als Goldgräber Glück haben und einen großen Schatz finden. Dementsprechend ausgelassen ist ihre Freude und groß das Fest am Abend.
Dann aber beginnt das große Nachdenken – besonders, als sich Sam auf den Weg macht, um Nachschub an Speisen und Getränken zu holen.
Während seiner Abwesenheit diskutieren Tom und Will immer intensiver die Frage, ob es nicht besser wäre, wenn sie das Gold nur durch zwei teilen müssten statt durch drei.
Dass das einen Mord bedeutet, nehmen sie in Kauf. Am günstigsten erscheint ihnen, wenn sie den nichtsahnenden Sam einfach von hinten erstechen.
Zunächst aber trinken sie sich noch ein bisschen Mut an – dann ist es soweit. Allerdings ist Sam nicht gleich tot und findet noch die Zeit, ihnen mitzuteilen, dass er ähnliche Gedanken hatte und deshalb den Wein, den sie gerade getrunken haben, vergiftet habe.
Eine schöne Geschichte, könnte man meinen, weil sich so gewissermaßen das Verbrechen auf der Welt von selbst erledigt.
Aber es gibt noch eine zweite Geschichte, sie ist von Annette von Droste-Hülshoff in der Ballade „Die Vergeltung“ verarbeitet worden.
In ihr gerät ein Schiff namens „Batavia 510“ in einen Sturm und sinkt. Ein ziemlich kranker Mann hat das Glück, eine Planke zu erwischen, die ihn trägt. Ein „schwarzgelockter“ (man sieht, im 19. Jahrhundert ging man mit Vorurteilen noch ganz locker um!) Mann hat keine Planke, aber mehr Kraft und
stößt den Kranken vom Brett. Nach einiger Zeit wird er wirklich gerettet, leider nur von einem Piratenschiff, aber immerhin.Dummerweise wird dieses Schiff dann von einem Kriegsschiff aufgebracht – und alle sollen hingerichtet werden. Der „Schwarzgelockte“ beteuert seine Unschuld – aber die Piraten
machen sich einen Spaß daraus, ihn als Anführer zu bezeichnen.Während er noch mit seinem Schicksal hadert und schon zum Galgen hochgezogen wird, der aus Schiffstrümmern gebaut worden ist, sieht er am Querbalken den Namen des Schiffes, nach dessen Untergang er den Mord begangen hat.
Hier wird die Frage nach der Gerechtigkeit jetzt noch deutlich spannender. Ist das auch Gerechtigkeit?
Hebt eine Ungerechtigkeit eine andere auf? Kann man sich drüber freuen, wenn der, der einen überfallen hat, einen tödlichen Autounfall hat? Oder sieht man die schlechte Note eines Mitschülers positiver, wenn der einen vorher wegen einer angeblich dummen Bemerkung lächerlich gemacht hat?
Fragen über Fragen. Besonders spannend werden sie in den Randbezirken des Lebens – und für die ist gute Literatur ja am meisten zuständig.
Aufgaben:
- Fasse jeweils in einem Satz zusammen, worum es in den beiden Balladen-Geschichten geht.
- Worin besteht die Gemeinsamkeit?
- Worin besteht der Unterschied?
- Denk dir selbst einen Fall aus, in dem jemand das Gefühl hat, dass es da jemand „recht geschieht“, obwohl das spätere Unglück mit der früheren Untat nichts zu tun hat.
- Was ist für dich eine „gerechte Strafe“? Kann sie gewissermaßen auch vom „Schicksal“ oder
einer anderen „höheren Gewalt“ verhängt werden?