Worum es hier geht
Verantwortungsbewusste Lehrkräfte mit Blick auf die spätere Zukunft der Schülis setzen gerne schon mal Texte im Unterricht ein, die dem einem höheren „Härtegrad“ entsprechen. Das heißt: Sie präsentieren ein Sprachniveau, das zumindest dem der Oberstufe entspricht, wenn nicht sogar der Universität.
Ein Beispiel dafür ist der Text von Michael Wildt in den „Informationen zur politischen Bildung“ der Bundeszentrale bpb:
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/nationalsozialismus-aufstieg-und-herrschaft-314/137194/machteroberung-1933/
Im Folgenden versuchen wir, für die Schülis, die diesen Text noch nicht so ganz oder nicht schnell genug verstehen, ihn leichter zugänglich zu machen.
Um das Urheberrecht nicht zu verletzten, nummerieren wir die Absätze einfach durch und präsentieren hier als zusätzliche Hilfe immer noch den Anfang und das Ende des Abschnittes.
Dann folgt eine Erklärung in einer Sprache, die hoffentlich alle Schülis der Jahrgangsstufe 10 verstehen. Dabei wird sich herausstellen, dass es bei diesem Text ein doppeltes Problem gibt:
- Eine nicht immer ganz einfache Sprache, die mit Fachbegriffen durchsetzt ist:
„Nachdem Hindenburg für Papens Plan eines vereinigten rechten Kabinetts unter Hitler gewonnen war, vereidigte der Reichspräsident am Mittag des 30. Januar die neue Regierung und ernannte Hitler zum Reichskanzler.“ - Dazu kommen Elemente, die Wissen um die Vorgeschichte voraussetzen:
„Nachdem Hindenburg für Papens Plan eines vereinigten rechten Kabinetts unter Hitler gewonnen war, vereidigte der Reichspräsident am Mittag des 30. Januar die neue Regierung und ernannte Hitler zum Reichskanzler.“
Wir versuchen im Folgenden eine Lösung, die beide Probleme auf einmal löst. Da, wo sie nicht ganz gelöst werden, einfach gezielt nachfragen – zum Beispiel auch die Lehrkraft. Denn für die ist es wichtig, auf solche Schwierigkeiten aufmerksam gemacht zu werden.
Überblicks-Skizze
Hier schon mal eine Tafelskizze, die einen Gesamtüberblick gibt.
Darunter wird die Skizze in einer mp3-Datei erklärt.
Abschnitt 1
Von: „Es ist fast ein Traum“
bis: „ernannte Hitler zum Reichskanzler“
- Anfang 1933, also inzwischen vor fast 100 Jahren, war Deutschland in einer schweren Wirtschaftskrise. Es gab Millionen von Arbeitslosen.
- Dazu kam, dass die Volksvertretung, der Reichstag, zerstritten war. Es gab kaum noch Parteien und damit Abgeordnete, die wirklich hinter der Verfassung von 1919 standen und damit eine echte Demokratie verteidigten.
- Hitler hatte mit seiner NSDAP zwar bei den Wahlen im November 1922 vier Prozent der Stimmen verloren, aber immer noch hatte er 33%.
- Weil die Partei aber auch finanzielle Probleme hatte, kann man sich gut vorstellen, wie erleichtert Goebbels (einer seiner wichtigsten Mitstreiter) war, als Hitler am 30.1.33 doch noch an die Regierung kam. Er spricht sogar von einem „Traum“.
- Hitlers Glück war, dass der frühere rechte Reichskanzler von Papen ein Freund des Reichspräsidenten Hindenburg war. Der war zuständig für die Ernennung eines neuen Reichskanzlers und damit Regierungschefs. Sein Argument war: Lass Hitler an die Regierung, aber sorge dafür, dass nur wenige Nazis mit drin sind. Ich kümmere mich dann mit den anderen Ministern darum, dass die Nazis nicht übermächtig werden.
- Hindenburg war steinalt – so etwa im Alter von Präsident Biden – und hatte auch keine Lust mehr auf den ständigen Streit der Parteien und immer neue Wahlen. Deshalb war er gerne bereit, auf die Idee der „Einrahmung“ Hitlers einzugehen.
Abschnitt 2:
- Hitler wurde von Reichspräsident Hindenburg entsprechend der Verfassung in das Amt des Reichskanzlers berufen. Er war damit Regierungschef.
- Allerdings muss man wissen, dass Deutschland seit 1930 keine normale Demokratie mehr war.
- Der Reichstag konnte sich nicht mehr auf einen Reichskanzler einigen, der auch dem sehr konservativen Präsidenten Hindenburg gefiel.
- Deshalb ernannte der als Präsident einfach nacheinander mehrere Reichskanzler als Regierungschefs. Die Reichstagsabgeordneten hatten Angst vor Neuwahlen und akzeptierten deshalb diese Ernennungen Auch weiterhin hingen Regierungen völlig vom Reichspräsidenten ab. Deshalb spricht man auch von Präsidialkabinetten.
- Der Reichspräsident griff auf einen Notstandsdartikel der Verfassung zurück und machte damit die Entscheidungen der Regierungen zu Gesetzen – ohne dass der Reichstags zugestimmt hatte. Der Reichstag konnte diese Notverordnungen zwar wieder aufheben, aber dann löste der Präsident einfach den Reichstag wieder auf – und davor hatten die Abgeordneten ja Angst. So ein Wahlkampf machte Stress, kostete Geld und man konnte seinen Sitz auch verlieren.
- Die Konservativen um Hindenburg nutzten mit diesen Notverordnungen einfach eine Lücke in der Verfassung. Man könnte auch sagen: Sie missbrauchten sie.
- Deutschland wurde also seit 1930 nicht mehr parlamentarisch reagiert, d.h. mit Zustimmung des Reichstags.
- Fairerweise muss man sagen, dass Hitler und von Papen, der ihn dem Reichspräsidenten vorgeschlagen hatte, versprachen, dass sie sich um eine parlamentarische Mehrheit bemühen würden.
- Es gab ein paar Wochen nach der Machtergreifung oder besser Machtübertragung dann auch Wahlen. Die waren aber nicht mehr frei. Zum Beispiel wurde die kommunistische Partei einfach verboten, die anderen Parteien wurden mehr oder weniger behindert.
Abschnitt 3:
- Von Papen hatte sich noch etwas ausgedacht, womit er Hindenburgs Bedenken gegenüber Hitler beseitigen wollte und das auch erreichte.
- Er hatte nämlich die Idee, nur drei Nationalsozialisten als Minister in die Regierung zu lassen. Die sollten dann von Ministern aus dem konservativen Bereich eingerahmt werden.
- Von Papen selbst wollte als Vizekanzler dafür sorgen, dass Hitler kein Unheil anrichtete.
- Die Konservativen und auch Hindenburg hofften, dass Hitler dann bald als Kanzler scheitern würde – und dann konnten sie sich was Neues einfallen lassen.
Abschnitt 4:
- Hitler und seine Leute waren aber sehr viel geschickter, als von Papen sich das gedacht hatte. Vor allem gefiel vielen Deutschen die sogenannte „nationale Erhebung“, die die Nationalsozialisten versprachen.
- Damit bezogen sie sich auf den Versailler Vertrag, in dem man das besiegte Deutschland ziemlich schlecht behandelt hatte. Es gab keine echten Verhandlungen, die Deutschen mussten große Gebiete abgeben und gigantische Reparationen (zur Wiedergutmachung der Kriegsschäden) zahlen.
- Grund dafür war die Behauptung, dass die Deutschen allein die Schuld am Ersten Weltkrieg trugen. Das empörte sie, denn sie wussten natürlich, dass Frankreich seit seiner Niederlage von 1871 auf einen Revanchekrieg gegen das siegreiche Deutschland hinarbeitete und dafür Russland als Partner gewonnen hatte. Wegen des 1914 drohenden Zweifrontenkrieges hatte die Deutsche Regierung dann den Krieg begonnen, um die beiden Gegner nacheinander zu schlagen.
Abschnitt 5:
- Nun zu Hitler, der sehr viel raffinierter und zielstrebiger war, als von Papen und seine Leute es sich vorgestellt hatten. Er machte intern schnell deutlich, dass er die Macht nicht mehr wieder abgeben wollte.
- Außerdem wollte er Deutschland in seinem Sinne radikal umbauen.
- Drei Tage nach der Macht Übertragung hielt er schon eine Rede vor hohen Offizieren des Heeres und der Marine (siehe weiter unten die Quelle). Da wurde er schon sehr deutlich
- dass es ihm vor allen Dingen um Macht ging
- und um die Unterdrückung jeder Opposition, vor allem des Marxismus, aber auch sogar der Demokratie.
- Die bezeichnete er in dieser Rede sogar als Krebsschaden.
Zusatz-Info zum Marxismus
- Unter Marxismus versteht man die Theorie und die Bewegung, die von Karl Marx ausgeht.
- Dieser Theoretiker entwickelte im 19. Jahrhundert die These von den Klassenkämpfen in der Geschichte.
- Für ihn kämpften immer Unterdrückte gegen Unterdrücker.
- In seiner Gegenwart waren es die sogenannten Kapitalisten, die das Geld und die Fabriken hatten.
- Dort konnten sie die so genannten Proletarier ausbeuten, die nur ihre Arbeitskraft verkaufen konnten.
- Weil sie weniger bekommen, als die Kapitalisten mit Ihnen verdienten, ergab sich ein Mehrwert.
- Auf Dauer würden die Kapitalisten nach Meinung von Karl Marx dadurch immer reicher und die Proletarier immer ärmer werden.
- Daraus ergab sich für ihn zwingend als Konsequenz eines Tages der Zusammenbruch des kapitalistischen Systems, weil die Proletarier nicht mehr genug kaufen konnten und die Wirtschaft sich immer mehr auf wenige Leute konzentrierte.
- Dann würden die Proletarier in einer Revolution die Macht übernehmen – angeführt von den „Kommunisten“, das waren für Marx die Leute, die begriffen hatten, was los war, und wussten, was zu tun ist.
- Davor hatten die Regierenden und auch viele normale Menschen besonders aus dem Bürgertum Angst, weil sie viel zu verlieren hatten. Das machte Hitler, sich zunutze, er präsentierte sich als Bollwerk gegen die Revolution, und viele Leute waren bereit, ihm deshalb zu folgen.
Reaktion auf Hitlers Machtergreifung
- Klaus Mann, Sohn des Nobelpreisträgers, Thomas Mann und selbst auch Schriftsteller,, zeigte sich direkt am Tag der Machtübertragung in seinem Tagebuch erschrocken, weil er so etwas nicht für möglich gehalten hätte.
- Auch der demokratische Polizist Sebastian Haffner zeigte sich anfangs erschrocken. Dann war er sich aber mit seinem Vater einig darüber, dass diese Regierung zwar viel Unheil anrichten konnte, aber sicherlich bald abgelöst werden würde.
- Aufgeführt wird dann auch die Gegenseite, eine deutschenationale Lehrerin aus Hamburg, die ganz begeistert ist von der neuen Regierung, weil sie davon neuen nationalen Schwung erwartet. Sie ist froh, dass die Konservativen jetzt mit den Nationalsozialisten zusammengehen.
- Der französische Botschafter hielt in einem Bericht an seine Regierung vom April 1933 fest, dass alle Beteuerungen umsonst gewesen sein. Man habe ihn anfangs auf alle möglichen Gegenkräfte hingewiesen, die seien aber alle weggespült worden.
- Ein jüdischer Hochschullehrer befürchtete das Schlimmste, weil seiner Meinung nach die meisten gar nicht begreifen, was wirklich vor sich geht. Gewisse Hoffnungen setzt er noch auf die Reichstagswahlen und darauf, dass die Leute auf Dauer den Terror nicht hinnehmen werden.
Auswertung der Rede vor den Militärs
Auswertung der Rede Hitlers vor den Befehlshaber der Wehrmacht am 3. Februar 1933
Die Quelle zeigt:
- Dass Hitler eine radikale Einstellung hat:
- Er will Deutschland völlig verändern und alle bekämpfen, die dagegen sind.
- Er will einen autoritären Staat, die Demokratie hält er für ein Krebsschaden.
Anmerkung: Heute nennt man das, was Hitler wollte und aufbaute, ein totalitäres System – weil es sich nicht nur mit der Macht begnügt, sondern auch will, dass alle mitmachen.
- Um das zu erreichen, will Hitler bis hin zu Todesurteilen gehen.
- Vor allem will er der Jugend deutlich machen, dass nur der Kampf Deutschland retten kann (also auch Krieg)
- In der Außenpolitik will er vor allen Dingen gegen den Versailler Vertrag und für Gleichberechtigung der Staaten kämpfen. Deutschland wurde ja als Verlierer des I. Weltkrieges diskriminiert.
- Auch betont Hitler die Notwendigkeit der Bereitschaft auch zum militärischen Kampf.
- In dem Zusammenhang will Hitler die allgemeine Wehrpflicht wieder einführen und dafür sorgen, dass die Jugend nicht eine unmilitärische Einstellung entwickelt.
- Wichtig ist Hitler die Landwirtschaft und eine Siedlungspolitik. Im Export sieht er keine Lösung der Probleme Deutschlands.
- In dem Zusammenhang spricht Hitler auch von der Eroberung neuen Lebensraums im Osten. Er ist bereit, diese Gebiete rücksichtslos zu germanisieren, was natürlich zu Lasten der dort lebenden Bevölkerung geht.
- Am Ende beruhigt er die Generäle, dass er die Wehrmacht nicht ideologisch beeinflussen will. Sie soll also unparteilich bleiben. Das sei die Aufgabe der Naziorganisation.
- Insgesamt ist erstaunlich, in welchem Ausmaß Hitler bereits eine totalitäre Diktatur andeutet und die Bereitschaft, andere Länder zu überfallen. Deutlich wird aber auch, dass Hitler die Generäle beruhigen und für sich gewinnen will.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
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