Worum es hier geht:
Ein wichtiges Thema bei der Argumentation ist erst mal die sog. „Erörterung“: Dabei wird zu einer Frage oder einem Problem alles geprüft, was dabei eine Rolle spielt. Alles bekommt dabei gewissermaßen seinen richtigen Ort (daher: „Erörterung“): Welche Gesichtspunkte spielen eine Rolle? Was spricht für eine Idee, was dagegen usw..
In diesem Zusammenhang taucht dann auch der Begriff der „Dialektik“ auf bzw. bemüht man sich um eine „dialektische“ Erörterung. Darauf gehen wir jetzt mal genauer ein.
Was ist eigentlich „Dialektik“ oder „dialektisch“ und was bringt das?
- Dialektik ist ein Vorgang, bei dem man erst mal etwas hinstellt, zum Beispiel eine These.
- Dann kommt das Gegenstück dazu, die Antithese.
- Anschließend bemüht man sich um die Vermittlung der beiden Gegensätze, die sog. Synthese. Das muss nicht immer der „Mittelweg“ zwischen den beiden Extremen sein, es kann auch eine andere Art von Kompromiss sein – oder sogar eine ganz neue Idee.
- Ein berühmter Philosoph hat von einer dreifachen „Aufhebung“ gesprochen. Der Ursprungskonkonflikt wird „aufgehoben“, er verschwindet, aber er bleibt auch versteckt in der Lösung „aufgehoben“ – und diese ist auf einem höheren Niveau, also „aufgehoben“ im Sinne von „höher gehoben“.
Das Problem mit der Sanduhr beim Thema „Dialektik“
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- Normalerweise wird die Dialektik in der Schule mit dem sogenannten „Sanduhrprinzip“ verbunden: Zuerst kommen dann etwa Contra-Argumente (die du nicht so gut findest). Die werden absteigend sortiert, also die starken am Anfang und am Ende die schwachen – weil immer das am stärksten wirkt, was am Ende steht 😉
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- Anschließend kommen die Pro-Argumente: Hier beginnst du entsprechend schwach und steigerst dich.
- Am Ende kommt die „Synthese“, d.h. das Fazit, das hoffentlich in deinem Sinne ausfällt.
- Dies ist aber nur die „große Dialektik“ für Einsteiger. So nennen wir diese ganz grobe Aneinanderreihung der drei Gruppen: These, Antithese, Synthese.
- Daneben gibt es die „kleine Dialektik“ – die ist viel wichtiger, denn da wird jedes Argument genauer geprüft. Denn was ist ein starkes Pro-Argument wert: Schüler sollen stärker mitdenken und deshalb auch den Unterricht stärker mitbestimmen. Wenn man nicht gleich auch die Einschränkung mitbedenkt (Vieles können sie gar nicht beurteilen). und dann zu einem guten Fazit kommen: Etwa: Lehrer sollten zumindest ihre Entscheidungen begründen und sie auch erkennbar abändern, wenn Schüler gute Argumente bringen.
- Letztlich kann man ein Argument im Pro und Contrag solange prüfen, bis man auf „Felsen“ stößt, über den man nicht hinauskann. Das ist dann „Ende Gelände“. Also: Beim Thema Mitbestimmung landet man am Ende an dem Punkt, dass der Lehrer sich an Vorschriften des Staates muss und auch für die Einhaltung zuständig ist. Entsprechend verringern sich die Spielräume der Schüler.
Dann kann man höchstens noch anhängen, dass man nach möglichen Kompromissen suchen sollte: Etwa: „Wir müssen Kleider machen Leute lesen“ – aber die Schüler erreichen, dass man das schnell macht und dann eine Modernisierung versucht. Vielleicht sind sie dann im ersten, dem „amtlichen“ Teil sogar so motiviert, dass sie das schnell erreichen und der Zeitraum für den kreativen Bereich sich noch entsprechend vergrößert.
Was ist das Besondere an einer dialektischen Erörterung? (Beispiele)
- Das Ziel der Erörterung: Ausgewogenheit und Differenzierung:
Wichtig bei einer Erörterung ist, dass man selbstkritisch, ausgewogen und differenziert an ein Thema beziehungsweise ein Problem herangeht.
— - Vorteil der Dialektik:
Das kann man gut erreichen, wenn man dialektisch vorgeht, weil hier ja immer gleich zur Gegenseite übergegangen wird.
— - Beispiel: Schulunterricht erst ab 9 Uhr: Forderung = These
Nehmen wir die Frage, ob man im Winter den Schulunterricht morgens erst um 9:00 Uhr beginnen lassen sollte. Die Forderung danach wäre dann gleich auch schon der Einstieg in Form einer These.
— - Erster Einwand = Antithese
Als Gegenthese könnte schnell kommen, dass das sehr viel Aufwand produzieren würde und damit auch Kosten.
— - Verteidigung der These durch Hinweis auf eine erfolgreiche Alternative:
Hier könnte man natürlich gleich polemisch werden und darauf hinweisen, dass in diesem Staat so viel Geld für unsinnige Dinge ausgegeben wird, dass man manches besser für so etwas einsetzen könnte. Besser ist es aber, zum Beispiel auf die Aufteilung des Jahres in Sommerzeit und Winterzeit hinzuweisen. Wenn sich das einmal eingespielt hat, ist das kein Problem mehr.
— - Die Verteidigung der These als Synthese:
Das sieht jetzt wie eine Rückkehr zur Ausgangsthese bzw. Forderung aus, ist aber in Wirklichkeit schon eine Synthese, denn die Gegenmeinung wird ja aufgenommen, aber gewissermaßen in ihrer Bedeutung minimiert. Man könnte es auch anders herum formulieren: die Veränderung wird der Gegenseite etwas mehr schmackhaft gemacht.
Genau das ist ja die dritte Stufe der Dialektik, weil wir möglichst die beiden zunächst gegensätzlichen Ansichten auf einer höheren, besseren Ebene versöhnt werden.
— - Synthese als neue These wieder in der Kritik: Abends wird es auch dunkel
Nun ist es ja immer so, dass der dialektische Prozess und damit auch überhaupt das Finden der besten Lösung nicht dadurch beendet ist, dass man einmal eine Gegenmeinung minimiert und damit letztlich überwunden hat.
Jede Synthese ist zugleich eine neue These, die wiederum die Gegenseite herausfordert. In diesem Falle könnte darauf hingewiesen werden, dass ein späterer Schulbeginn am Morgen zu einem späteren Nach-Hause-Kommen am Nachmittag führt, was dann auch wiederum in der Dunkelheit geschieht.
— - Erneute Verteidigung der Ausgangsthese mit Morgen-Abend-Vergleich
Hier wird jetzt die Befürworter-Seite gefordert und sie könnte zum Beispiel darauf verweisen, das ist ein großer Unterschied ist, ob man noch halb verschlafen morgens im Winter zu Schule kommt und dabei vielleicht noch ungestreute Straßen und Bürgersteige passieren muss oder ob man das eben wach und sicher am Abend macht.
— - Ausblick auf die Fortsetzung des Ping-Pong-Spiels bis zum hoffentlich guten Ergebnis
Auf diese Art und Weise kann der dialektische Prozess beziehungsweise die ständig erneute Aufnahme von Einwänden und ihre Überwindung noch eine Weile fortgesetzt werden, bis entweder alle erschöpft sind oder man glaubt, das gesamte Feld der Argumente beackert zu haben – mit einer guten Lösung am Schluss. Ideal wäre natürlich die zweite Variante.
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