Bürger, „Der Bauer an seinen Durchlauchtigsten Tyrannen“ – einfach erklärt (Mat4789)

Worum es hier geht:

Vorgestellt wird ein berühmtes Gedicht aus dem Jahre 1773, in dem ein Bauer die Ansprüche seines Fürsten zurückweist, der selbst nichts leistet, aber ihm großen Schaden zufügt. Letztlich wird eine solche Obrigkeit sogar in Frage gestellt, was eine Verbindungslinie direkt zur amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und zur Französischen Revolution hat.

Wir stellen im Folgenden die einzelnen Strophen vor und zeigen auf, wie hier Kritik geübt wird, die weit in die Zukunft weist.

Der Bauer

An seinen Durchlauchtigen Tyrannen

  • Was hier auffällt, ist, dass sich ein Vertreter eines unteren Standes an seinen Souverän wendet, also den, der die Macht im Staate hat. Er behält mit dem Attribut „Durchlauchtig“ die damals übliche Amtsbezeichnung bei – die darauffolgende Anklage stellt sie aber fundamental in Frage.

Wer bist du, Fürst, dass ohne Scheu
Zerrollen mich dein Wagenrad,
Zerschlagen darf dein Ross?

  • In der ersten Strophe wird gleich kritisch das Verhalten des Fürsten in einem ersten Schritt in Frage gestellt. Es geht darum, dass ein Bauer einfach überrollt und zertreten wird, was radikal in Frage gestellt wird.

Wer bist du, Fürst, dass in mein Fleisch
Dein Freund, dein Jagdhund, ungebläut
Darf Klau‘ und Rachen haun?

  • Es folgt ein zweiter Tatbestand, nämlich, dass jederzeit auch der Hund auf den Bauern gehetzt werden kann.

Wer bist du, dass, durch Saat und Forst,
Das Hurra deiner Jagd mich treibt,
Entatmet, wie das Wild? –

  • In der dritten Strophe geht es um das Unheil, das mit den ständigen Jagden verbunden war, die die Felder der Bauern zerstörten.
  • Interessant hier, dass der nicht direkt gefährdete Bauer sich genauso fühlt wie das bedrohte Wild. Ein schöner Neologismus, eine Wortneuschöpfung: Die Jagd „entatmet“ das Wild und den Bauern in ähnlicher Weise, macht sie atemlos, ja nimmt ihnen das Leben.

Die Saat, so deine Jagd zertritt,
Was Ross, und Hund, und du verschlingst,
Das Brot, du Fürst, ist mein.

  • Die vierte Strophe geht jetzt über von den reinen Übergriffen zum Kernproblem, dass bei der Jagd Brot vernichtet wird.
  • Das spielt besonders in der Religion eine Rolle – damit wird deutlich, dass der Fürst auch gegen göttliches Recht verstößt.

Du Fürst hast nicht, bei Egg und Pflug,
Hast nicht den Erntetag durchschwitzt.
Mein, mein ist Fleiß und Brot! –

  • In der fünften Strophe wird der Blick auf die Arbeit, den Schweiß gelenkt, der mit der Herstellung von Brot verbunden war und ist.
  • Man wird an das erinnert, das Gott in der Bibel dem aus dem Paradies vertriebenen Adam hinterherruft: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen.“ (1. Mose 3,19)

Ha! du wärst Obrigkeit von Gott?
Gott spendet Segen aus; du raubst!
Du nicht von Gott, Tyrann!

  • In der sechsten und letzten Strophe hat der Bauer nur noch ein zorniges Lachen für seinen „Herrn“ über, dem er die Legitimation, die Berechtigung zur Herrschaft abspricht, weil er das Gegenteil von dem tut, was Gott tut.
  • Damit wird das damalige Gottesgnadentum, die Berufung der Fürsten auf Gott, radikal in Frage gestellt und eigentlich eine Revolution vorbereitet.

Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung hat übrigens den gleichen Ansatz: In ihr werden alle Untaten des englischen Königs aufgeführt, um sich am Ende von ihm lossagen zu können.

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