Daniel Kehlmann, „In Gefahr“ – zwei Erzählungen aus dem Roman „Ruhm“

Im Folgenden geht es um zwei Geschichten aus „Ruhm: Ein Roman in neun Geschichten“ von Daniel Kehlmann, erschienen 2009, gelesen als rowohlt e-book.

ln diesen Geschichten geht es um den Schriftsteller Leo und seine Freundin Elisabeth. Im ersten Teil ist er auf Lesereise in Südamerika und präsentiert sich als weltfremdes, weinerliches, ständig überfordertes Nervenbündel, das zugleich seine Begleiterin nervt, deren Freunde in einer Hilfsorganisation gerade in Afrika entführt worden sind.

In der zweiten Geschichte ändert sich dann alles: Leo ist Elisabeth nach Afrika in ein Bürgerkriegsgebiet gefolgt und blüht plötzlich auf, fühlt sich wie Hemingway, bleibt aber genauso in seiner Fantasiewelt wie im ersten Teil, wo Elisabeth ständig Angst hatte, von ihm zu einer seiner Figuren zu werden.

Am Ende dieser an sich beeindruckenden Darstellung der Konfrontation zwischen wirklich gefährlicher Wirklichkeit und eingebildeter Probleme leistet sich Kehlmann dann einen zwar überaus kunstvollen, aber doch recht schrägen Scherz, indem er die scheinbar auf einer normal erzählten Fiktionswelt eine Stufe höher springen lässt, indem sie sich plötzlich als Romanfiguren über das Ausschreiben dieser Romanfiguren unterhalten.

Den gleichen Effekt der Bewusstmachung des Verhältnisses von Fiktion und Wirklichkeit hätte man erreichen können, wenn sich am Ende herausgestellt hätte, dass Leo und Elisabeth in der Weise erzählt werden, dass er ihr seine Geschichte erzählt, bis zu dem Punkt, an dem sie ihn unterbricht, weil sie mit der Art, wie da ihre Wirklichkeit verarbeitet wird, nicht einverstanden ist. Und dann hätte es verschiedene Möglichkeiten gegeben, die beiden Welten auf nachvollziehbarere Weise weiter zu entwickeln.

Die Doppel-Erzählung kann man gut vergleichen mit der Novelle „Sommerhaus. Später“, weil es zum einen um eine nur mäßig gelingende, zum Teil sich sperrende Beziehung geht. Außerdem zeigt sich dieser Leo in der ersten Erzählung aus ähnlichem Holz geschnitzt wie die Figuren in Judith Hermanns Geschichte. Es ist ein Leben, das sich selbst genauso wenig ernst nimmt wie die Umwelt, sich treiben lässt, plötzlichen Eingebungen folgt, ohne Verantwortung zu übernehmen. Spannend ist dann die Frage, ob es Leo im zweiten Teil zumindest in der erzählten Wirklichkeit gelingt, das zu ändern.