„Das Haus in der Dorotheenstraße“ – Schlüsselzitate (Mat1273)

Worum es hier geht:

https://textaussage.de/

Wenn man nur Inhaltsangaben oder ähnliche Zusammenfassungen liest, weiß man zwar ungefähr, worum es geht, hat aber keine wirkliche Ahnung vom Text.

Das zeigt sich dann, wenn man über den Text sprechen soll.

Deshalb wählen wir hier einen anderen Ansatz.

Wir geben einen Überblick über den Inhalt der Novelle, konzentrieren uns aber auf Schlüssel-Stellen. Auf die kann man dann schnell zurückgreifen, wenn man sie in einer Klausur oder in einer mündlichen Prüfung braucht.

Wir beziehen uns im Folgenden auf die E-Book-Ausgabe der Novelle, die im entsprechenden Sammelband auf den Seiten 72 bis 92 zu finden ist.

Noch eine Vorab-Info zum zugehörigen Video

Wir haben zu diesem Thema auch ein Video gemacht, das bei Youtube abrufbar ist:
https://youtu.be/fryHDGH4sPw

Hier kann die Video-Dokumentation heruntergeladen werden.

Kapitel 1

  • Nach einer groben Beschreibung der Gegend vom Teltowkanal bis zur Dorotheenstraße und der Villa des Ehepaars Klausen geht es um ihre gemeinsame Vergangenheit und Gegenwart:
  • S. 11: “Die beiden kannten sich aus der gemeinsamen Schulzeit, waren also, was ihre Eigenarten und Interessen betraf, über Jahre hinweg miteinander vertraut, und sie hatten mit dem Haus in der Dorotheenstraße etwas gefunden, das ihnen das Gefühl von Geborgenheit gab  …”
  • Dieses Zitat macht auf kürzestem Raum deutlich, was diese beiden Menschen zusammenhält.
  • S. 74: Der Rest des ersten Kapitels beschreibt dann sehr zügig, was der Mann bisher gemacht hat und wie er es gemacht hat, welche Veränderung sich jetzt ergibt und wie sie darauf reagieren:
    • Er nimmt seinen Beruf „sehr ernst“, alles muss für ihn „klar und nachvollziehbar“ sein und er fühlt sich deshalb gezwungen, „gründlich zu recherchieren“.
    • Seine Frau erklärt im Hinblick auf seinen beruflichen Wechsel nach London nur, „dass sie fürs erste“ in der Villa bleiben würde, Klausen ist sehr verständnisvoll: „Wir haben keine Eile.“ Sie sind sich einig, dass sie die Trennung „möglichst rasch beenden“ wollen, und als sie sich beim Abschied umarmen, „dauerte dies etwas länger als gewöhnlich.“
  • Fazit: Alles sieht sehr harmonisch aus – allenfalls vermisst man eine nähere Erklärung für das Zurückbleiben der Frau – der Hinweis auf ihr Nachkommen erfolgt von ihrem Mann, kommt nicht von ihr. Hier deutet sich möglicherweise eine innere Reserve an.

Kapitel 2

  • S. 76: In London bemüht sich Klausen durchaus um eine größere Wohnung, muss seine Frau aber erst mal vertrösten, weil es nicht so schnell geht.
  • S. 76: Das schlechte Wetter lässt ihn an seinem Umzugsentschluss zweifeln.
  • S. 76/77: Beruflich zeigt er sich in seinen Artikeln weiterhin „kenntnisreich“, es macht ihm auch „Spaß“, ist aber auch Routine.
  • Seite 77: Es ist dann ein Besuch in der Royal Shakespeare Company, in der ihm „eine Welt vor Augen geführt wurde, die nicht irgendwelchen Fakten und deren Nachweisbarkeit, sondern ausschließlich der Willkür, der Unzuverlässigkeit des schönen Scheins geschuldet war.“
  • ‚S. 77: Die Handlung der Tragödie Othello, in der ein Mann seine angeblich untreue Frau umbringt, erscheint Herrn Klausen zwar „vollkommen unglaubwürdig“. Besonders kritisiert er, dass Othello vorschnell handelt und die angebliche Untreue seiner Frau nicht hinterfragt.
  • Weiter geht er darauf aber nicht ein, stattdessen ist er erstaunt, dass seine eigene Frau für ihn telefonisch abends nicht zu erreichen ist. Für sich kommentiert er das dann so (S. 78): „Er, Klausen, hatte sich an die Verabredung gehalten, und falls Xenia etwas dazwischen gekommen war …“
  •  Der Rest des Kapitels beschäftigt sich dann mit der Fremdheit, die um einen Schlafenden entsteht, wenn er von seinem gewohnten Umfeld getrennt ist.
  • Der Erzähler hält es für möglich, dass in einer solchen Situation der Schlafende bei kurzzeitigem Erwachen das Gefühl hätte, „dass sich zwei Welten, die zusammengehören, für Augenblicke nicht mehr berühren.“ (S. 78)
  • Man merkt hier eine deutliche Leserlenkung in Richtung mögliche Untreue auch von Frau Klausen und eine daraus entstehende gefährliche Situation. Auf jeden Fall ist die enge Verbundenheit und Harmonie, von der am Anfang die Rede war, jetzt nicht mehr nur im räumlichen Bereich infragegestellt, sondern auch im persönlichen.

Kapitel 3

  • S. 80: Es beginnt mit Informationen aus der Sicht von Gottfried Klausen, was eine gemeinsame Wohnung angeht. Interessant der Einstieg: „Wir müssen uns um die gemeinsame Wohnung kümmern.“
  • S. 80: Seine Frau Xenia verhält sich dem gegenüber „zögerlich“, nennt auch keine Gründe, warum sie am Abend vorher telefonisch nicht erreichbar war. Interessant ist die häufige Verwendung des distanziert wirkenden Pronomens „man“ verabredet („Man verabredete …“)
  • S. 81: Es passiert das, was der Leser schon erwartet, dass die Frau dann nicht nur telefonisch mal nicht erreichbar ist, sondern auch einfach nicht in London erscheint. Es wird dann noch schlimmer, weil bei einer telefonischen Nachfrage plötzlich eine Männerstimme zu hören ist.
  • S. 82: Interessant ist der Schluss dieses Kapitels, da verhält sich Klausen nämlich zunächst etwas eingeschnappt und macht innerlich seiner Frau auch Vorwürfe, versucht allerdings, „einen Anflug von Gekränktheit loszuwerden“ .
  • S. 82: Und der Rest des Kapitels besteht aus einer Art von Unterwerfung, Der Mann ist pure Rücksicht, seine Frau solle sich keine „Sorgen“ machen. Er empfindet alles als seine Schuld und ist auch sogar bereit, „koste es, was es wolle“, eine dringende Arbeit liegen zu lassen.
  • S. 82: Noch interessanter ist dann allerdings der Schluss, indem betont wird, wie wichtig es für ihn sei, endlich wieder einmal auf der Nathan Brücke zu stehen. Da hat man als Leser eigentlich etwas anderes erwartet.

Kapitel 4

  • S. 84:  Der Beginn dieses Kapitels passt dann überhaupt nicht zum Schluss von Kapitel 3: Es heißt nämlich: „In den nächsten Wochen“ ist er mit dem Abschluss seiner Arbeiten beschäftigen.
  • S. 84:  Dann erreicht er eine Woche Urlaub, hat auch Geschenke für Xenia gekauft, wird allerdings durch den Ausbruch eines Vulkans auf Island gestoppt. Als geübter Leser hat man hier gleich den Eindruck, dass das auch seine innere Situation widerspiegelt, nur dass der Ausbruch noch unterdrückt wird.
  • S. 85:  Zu der Männerstimme am Telefon seiner Frau kommt noch ihr unterdrücktes Lachen im Hintergrund hinzu.
  • Interessant auch, dass Xenia sich auch diesmal ihm gegenüber nicht erklärt. Das sieht alles nach einer mächtigen Steigerung aus.
  • Insgesamt wird bei unserer Zitiertechnik deutlich, dass dieses Kapitel weniger von Zitat-Höhepunkten geprägt ist als vielmehr von der zu ahnenden Parallelität zwischen dem Vulkanausbruch auf Island und dem Verhalten seiner Frau, während der Mann anscheinend etwas länger braucht bis zu dem am Schluss der Novelle angedeuteten Ausbruch auch auf seiner Seite.

Kapitel 5

  • S. 87: Der Einstieg hier bestätigt unsere Sicht auf den Vulkan: „Der Ausbruch dews Grimsvötn fiel gewaltiger aus als erwartet.“
  • S. 87: Außerdem ist interessant, wie die Haltung des Mannes noch stabil bleibt: Er ist wie „betäubt. Dabei wäre es naheliegend gewesen, sich, so oder so, Klarheit zu verschaffen. Aber er unterließ es, vielleicht, weil er fürchtete, der Vorgang könnte sich wiederholen.“
  • S. 87: Er fängt dann aber doch an, sich Gedanken zu machen: „Und wer weiß, vielleicht waren die beiden, als Xenia über den Anruf ihres Mannes lachte, nicht etwa im Flur oder in der Küche, sondern im Schlafzimmer! Und war Klausens Ehe mit dieser Frau vielleicht schon seit Jahren derart verlogen, dass er ihre und Treue nicht bemerkt hatte?“
  • Auf S. 88 sitzt Klausen dann wieder im Theater und lässt sich jetzt schon stärker auf die Mord-Aktion Othellos ein – zumindest fragt er sich das, auch wenn er sich am Ende doch noch mal zu moralischer Entrüstung und Ablehnung durchkämpft.
  • S. 88 Er verlässt dann auch vorzeitig das Theater und geht in einen Pub, „um alles, was ihm seit kurzem zu schaffen machte, nochmals zu überdenken.“

 

Kapitel 6

  • S. 90: Zu Beginn dieses Kapitels beginnt auch Klausens Vulkanausbruch, aber zunächst mal im ständigen Denken an Othellos Tat, dann immer mehr auch in der Vernachlässigung seiner beruflichen Pflichten bis hin zu einem für Außenstehende nicht mehr erklärbaren Verhalten.
  • S. 90: Der Leser versteht natürlich durchaus, wenn Klausen statt seiner sonstigen konzentrierten Wirtschaftsberichte seine Empfindungen in London so darstellt: „Es sei ein Gefühl, als hätten sich die Dinge bis zur Unkenntlichkeit entfernt.“
  • S. 92: Seinem Chefredakteur erklärt er, dass er unbedingt weg müsse. Als Begründung gibt er an: „Denn wenn man sich mit einer Gegend nicht anfreunden kann, wird man auf sich selbst verwiesen. Man lernt sich kennen, und man erlebt, das kann ich versichern, manche unangenehme Überraschung.“
    Interessant ist hier, dass er sich auf sich selbst und die Vorgänge im eigenen Inneren konzentriert, gar nicht in erster Linie an seine Frau denkt.
  • S. 91: Als Ziel gibt er schließlich den Vulkan auf Island an: „Das muss ein Aschefeld sein, das alles unter sich begraben hat, sagte er und meinte, dass es sich lohnen würde, darüber eine Reportage zu schreiben.“
    Hier kommt neben seinem Inneren  jetzt wohl auch seine Situation in der Beziehung mit in dieses Bild hinein. Offensichtlich kommt hier sein alter Charakter durch, der immer bestrebt ist, allen Dingen auf den Grund zu gehen. Eine Reportage ist allerdings kein rein sachlicher Bericht mehr, sondern schließt eben auch Anschaulichkeit und die Aufnahme von Gefühlsregungen mit ein.
  • Am Ende verschiebt sich die Erzählerperspektive von der Figur hin zum Erzähler, der sich Gedanken macht, ob nicht mit dem Haus in der Dorotheenstraße eben auch noch etwas geschehen müsse. Bezeichnenderweise heißt es auf Seite 92: „Und war es überhaupt möglich, dass Gottfried Klausen, so wie sich die Verhältnisse nun einmal entwickelt hatten, dass er dort, als wäre nichts geschehen, wieder hätte auftauchen können, um wenigstens seine persönlichen Sachen zusammen zu suchen?“
  • Am Ende merkt man deutlich, dass es dem Erzähler und wohl auch dem dahinterstehenden Autor sehr daran gelegen ist, den Leser selbst urteilen zu lassen, wie diese offene Frage noch beantwortet werden kann oder wird. Der Erzähler zieht sich einfach darauf zurück, noch einmal auf das Frauenlachen in neuer Gemeinschaft einzugehen zu zu betonen, dass die betreffenden „sich nicht allzu sicher fühlen“ sollten.
  • Am Ende heißt es lakonisch, dass er „alles Recht“ hatte, „das zu tun, was er für nötig befand.“ Das hört sich schon sehr nach Selbstjustiz an.
  • Vor dem Hintergrund ist es dann auch nicht mehr verwunderlich, dass Othellos Aufforderung, das Licht auszumachen, noch mal einbezogen wird. Das wird dann auch – so oder so – umgesetzt, und alles liegt dann „in völliger Dunkelheit“.

Zur Frage der Intentionalität – Die Novelle zeigt …?

  1. … dass sich hier wie unter einem Vulkan über eine lange Zeit etwas angestaut hat, was dann auf unterschiedliche Art und Weise ausbricht.
  2. Bei der Frau ist es die mangelhafte Rücksichtnahme auf ihren Mann. Sie tut einfach das, wonach ihr ist, lebt vielleicht tatsächlich das jetzt ganz offen aus, was schon lange so gelaufen ist.
  3. Vielleicht sind es noch Restgefühle, die sie am Anfang dazu bringen, bei ihrem Mann den Eindruck zu erwecken, dass sie mit ihm nach London gehen will.
  4. Es kann auch sein, dass das alles nur Wunschdenken des Mannes ist, aus desswen Perspektive wir die ganze Handlung eigentlich geboten bekommen. Von der Frau, ihrem Denken und Fühlen sowie dem Umfang und Ausmaß ihres Handelns bekommt der Leser nichts mit.
  5. Bei dem Mann dauert es dann etwas länger, bis auch sein Innerstes zum Ausbruch kommt. Der ist dann aber wohl umso heftiger, indem er sein angebliches Recht in Anspruch nimmt, auch zum Äußersten zu schreiten, wie Otello.
  6. Die Abscheu, die er zunächst gegenüber der Gewalttat empfunden hat, ist ganz offensichtlich weggeschmolzen wie Schnee unter der Sonne seiner Rachegefühle.
  7. Letztlich muss man sich die Frage stellen, ob nicht sowohl in Shakespeares Drama als auch in dieser Novelle Urkräfte der menschlichen Seele aufgezeigt werden, die über jede Vernunft und Zivilisation triumphieren.
  8. Das dürfte auch die „unerhörte Begebenheit“ sein, die diese Novelle sichtbar machen will.
  9. Als Dingsymbol dient das Haus, das ihre alte Gemeinsamkeit über viele Jahre hinweg darstellt und das nun auch der Ort einer neuen Gemeinsamkeit in Trennung und Konflikt wird.

Weitere Infos, Tipps und Materialien 

https://textaussage.de/weitere-infos