„Der zerbrochene Krug“ – Beurteilung des Richters Adam – auch die KI kann irren (Mat7421-abs-kii )

 

Worum es hier geht:

Ausgangspunkt war die Frage, ob Richter Adam in Kleists Komödie „Der zerbrochene Krug ein Schelm oder ein Bösewicht ist.

Basis war dabei die folgende Unterscheidung:

Ein Bösewicht handelt mit klarer Schädigungsabsicht. Er weiß, dass er Unrecht tut, und nimmt in Kauf, dass andere darunter leiden – aus Eigennutz, Machtlust oder Gleichgültigkeit. Ein Schelm dagegen ist ein Listiger, Schlitzohriger, Verschmitzter. Er übertritt Regeln, aber oft mit Witz, Leichtsinn oder Selbst-ironie, nicht mit echter Bosheit. Sein Unrecht ist häufig komisch, weil es menschlich, durchschaubar und manchmal sogar sympathisch wirkt.

Kimia Tivag

Auch die KI kann irren

Kurzer Hinweis zu den Farben: rot und kursiv haben wir die Einlassungen der KI formatiert, blau sind unsere Kommentare und Ergänzungen.

Im Mittelpunkt von Heinrich von Kleists Lustspiel „Der zerbrochne Krug“ (1808) steht der Dorfrichter Adam, der während einer Gerichtsverhandlung über ein zerschlagenes Gefäß selbst der Täter ist. Er hat in der Nacht zuvor versucht, Eve, die Verlobte des Bauernsohns Ruprecht, zu bedrängen. Dabei zerbricht ein Krug, und Adam versucht am nächsten Morgen, als Richter den Fall so zu leiten, dass seine eigene Schuld nicht ans Licht kommt.

Die Komödie ist zugleich lustig und entlarvend: Adams Lügen und Ausflüchte sind grotesk, seine Panik wirkt komisch, doch seine Taten bleiben moralisch verwerflich. Das führt zur zentralen Frage:

Die Frage ist nun: Ist dieser Richter ein Schelm, also ein verschmitzter Spaßmacher, oder ein Bösewicht, der aus Eigennutz und Machtmissbrauch handelt?

Wir haben dann NotebookLM auf der Basis des gesamten Komödientextes die Frage beantworten lassen. Das Programm ist ja dafür bekannt, dass es quellenbezogen sehr sorgfältig arbeitet und für die Beurteilung dann die eingebaute logisch-sachliche Programmierung nutzt.

Da unser eigenes Urteil über diesen Dorfrichter ziemlich feststeht und wir bei ihm nur kriminelle Haltungen und Taten im Kopf hatten, waren wir sehr erstaunt:

Denn NLM kam zunächst zu einem vermittelnden Urteil: Richter Adam zeige Eigenschaften beider Typen. Seine Verbrechen machten ihn zwar zum Bösewicht, aber seine absurden Lügen und hilflosen Vertuschungsversuche verliehen ihm auch die Wirkung eines Schelms.

Begründung:
– Adam habe aus Machtgier und Eigennutz gehandelt – das spreche für den Bösewicht.
– Doch die Art, wie er sich dabei anstellt – die komische Zerstreutheit, seine absurden Ausreden, seine panische Flucht – wirke „schelmisch“.
– Die Mischung aus Schuld und Tollpatschigkeit sei es, was den Witz der Komödie ausmache.

Kurz gesagt: Adam ist ein schuldig-komischer Bösewicht, dessen moralisches Vergehen durch seine unfreiwillige Komik gebrochen wird.

Das konnten wir natürlich so nicht stehenlassen. Deshalb die Rückfrage:

„Spielt denn für die Beurteilung seiner Taten überhaupt eine Rolle, dass Adam komisch wirkt – und zwar unfreiwillig?“

Denn Adams Ziel ist ja nicht, witzig zu sein. Er will nicht scherzen oder necken, sondern lügen, vertuschen und sich retten. Die komische Wirkung entsteht nicht aus seiner Absicht, sondern aus der Situation.

Damit stellte sich die entscheidende Klärungsfrage:
Zählt die Wirkung oder die Absicht? Wird jemand schon dadurch zum Schelm, dass andere über ihn lachen – oder nur, wenn er selbst humorvoll und mit Augenzwinkern handelt?

NotebookLM reagierte darauf mit einer präziseren Unterscheidung, die der moralischen Logik der Komödie besser gerecht wird:

Adam handelt als Bösewicht. Seine Taten (Erpressung, Amtsmissbrauch, Bedrohung eines jungen Paares) beruhen auf klarer Schädigungsabsicht und Eigennutz. Er weiß, dass er Unrecht tut, und versucht, es zu vertuschen.

• Adam wirkt komisch, aber unfreiwillig. Die Komik entsteht aus seiner Panik, seinen absurden Ausreden („die Katze habe Junge in der Perücke gesäugt“), seiner hilflosen Lügenkette und seiner kläglichen Flucht. Diese Komik mildert seine Schuld nicht, sondern macht sie sichtbar.

• Das Lachen des Publikums gilt nicht seiner Harmlosigkeit, sondern seiner Entlarvung. Kleist führt die Zuschauer in eine moralische Falle: Man lacht – und merkt zugleich, dass man über das Scheitern eines Schuldigen lacht.

Das abschließende Bild fasste es treffend zusammen:
„Adam ist wie ein Brandstifter, der aus Bosheit ein Haus anzündet, aber dann über den Benzinkanister stolpert und sich selbst in Brand steckt. Er bleibt ein Verbrecher – nur eben ein lächerlicher.“

Die Klärung zeigt, wie wichtig es ist, in literarischen Figuren Absicht, Wirkung und moralische Bewertung auseinanderzuhalten. Adam ist kein Schelm, weil er nicht spielen, sondern betrügen will. Seine unfreiwillige Komik ändert nichts an seiner Schuld – sie entlarvt sie nur.

Kleist macht damit sichtbar, dass das Böse nicht immer groß und heroisch auftritt, sondern manchmal in der peinlichen Gestalt eines feigen, komischen Amtsrichters.

Damit wird an einem konkreten Beispiel deutlich, dass es sich lohnt

  • der KI klare Vorgaben und entsprechende Daten zu geben, denn besonders in der Auswertung großer Datenmengen liegt ein Vorteil z.B. von NLM.
  • aber selbst natürlich so in der Sache zu stehen, dass man das Ergebnis kritisch prüfen kann.
  • Dabei zeigt sich dann unserer Erfahrung nach mehr oder weniger, dass die KI dann ihre Nur-Datenbasis verlässt und Argumente mit einbezieht.
  • Bei NotebookLM ist die Datenauswertung besser als zum Beispiel bei ChatGPT, aber die Beurteilungsspielräume sind da deutlich geringer, da ja nicht einfach auf weitere Quellen zugegriffen wird. Was ein deutlicher Vorteil ist, denn es geht nicht darum, was Leute zu dem Stück gesagt haben, sondern was in ihm steht.
  • Umso mehr haben wir uns gefreut, dass auch NLM bereit war, seine „Meinung“ zu ändern und zu einem neuen Urteil zu kommen. Das lässt die Programmierung anscheinend zu – zumindest in diesem Falle.