Deutschland als verspätete Nation – in fünf Punkten zusammengefasst (Mat141)

Worum es hier geht:

Die besondere Entwicklung Deutschlands ab den napoleonischen Kriegen bis zum Ende des II. Weltkrieges wird oft mit der These verbunden: Deutschland sei eine „verspätete Nation“ gewesen – und das habe zu einer Sonderentwicklung bis hin zu zwei Weltkriegen geführt.

Es handelt sich im folgenden um eine sogenannte „Fünf-Punkt-Zusammenfassung-im-Kontext“ und gemeint ist damit, dass eine Problemfrage möglichst systematisch in fünf Punkten zusammengefasst wird, wobei besonders auch auf den Kontext geachtet wird.

Im Idealfall wird jeder Punkt in einem Satz konzentriert – entscheidend aber sind die klar voneinander getrennten und schließlich ein Ganzes ergebenden Gedanken.

Es geht also um:

  1. eine Problemfrage, über die man nachdenken (muss) und sich Klarheit verschaffen will.
  2. eine möglichst knappe Zusammenfassung in fünf gedanklichen Schritten,
  3. die Einbettung in größere Zusammenhänge, damit klar wird, wohin die Frage gehört und welche
    Bedeutung sie hat.
  4. Nehmen wir ein Beispiel: Es geht um die Frage, worin die Besonderheiten der deutschen Geschichte
    liegen, die vor allem im 20. Jahrhundert zu zwei unheilvollen Weltkriegen geführt hat. Hier spielt die
    These von der „verspäteten Nation“ eine große Rolle – deshalb soll sie im Folgenden „entwickelt“
    werden.
    Was versteht man unter der „verspäteten Nation“ und welche Bedeutung hat die dahinterstehende
    Idee?

Überblick: Deutschland als verspätete Nation

  1. Die Idee von der „verspäteten Nation“ geht auf 1959 in Buchform präsentierte, allerdings
    schon 1934/1935 im Exil in den Niederlanden entwickelte Gedanken des Philosophen Helmuth
    Plessner zurück. Er wies damit zum einen darauf hin, dass Deutschland ein Sonderfall der
    Geschichte der Nationen ist – zum anderen macht er deutlich, dass sich daraus die verhängnisvolle
    Geschichte Deutschlands von 1914 bis 1945 erklären lässt.
  2. Während sich in Frankreich im Rahmen der großen Revolution von 1789 eine Ideen- und Willensnation
    entwickelte, fehlten dafür im „Heiligen Römischen Reich deutscher Nation“ alle
    Voraussetzungen: Es war nämlich monarchisch und ständisch aufgebaut, d.h. es fehlten alle
    Voraussetzungen für einen demokratischen Verfassungsstaat.
  3. Der Abwehrkampf gegen Napoleon ließ in den deutschen Staaten (das „Alte Reich“ war 1806
    ruhmlos zugrundegegangen) ein Nationalgefühl entstehen, das sich auf gemeinsame Herkunft
    und eine gemeinsame Kultur und Geschichte gründete und damit weithin exklusiv blieb.
  4. Die verzögerte bzw. „verspätete“ Nationsbildung im zweiten Kaiserreich von 1871 verstärkte
    dann noch die antiwestlichen Tendenzen und die Konzentration auf das „deutsche Wesen“, an
    dem nach einem Gedicht von Geibel die ganze Welt „genesen“ sollte. Bis ins Verbrecherische
    hinein wurde die Idee des „deutschen Volkstums“ dann während der NS-Zeit ausgeweitet, indem
    es auch die Unterdrückung, ja Ausrottung von Menschen anderer Herkunft einschloss.
  5. Nach 1945 nutzte dann Konrad Adenauer die Teilung Deutschlands, um die Bundesrepublik als
    westlichen Teilstaat eng in die westeuropäische Wertegemeinschaft, die EWG und die NATO
    einzubinden und damit von jedem weiteren Sonderweg abzuhalten. Fortgeführt wird diese Politik
    seit der Wiedervereinigung von 1990 von all denen in Deutschland, die eine immer engere
    wirtschaftliche, finanzielle und damit auch politische Zusammenarbeit für „alternativlos“ erklären
    und den Nationalstaat an sich überwinden wollen – zumindest in Deutschland.

Druckdatei

Mat133 fszk1 Deutschland als verspätete Nation

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