Kästner, „Hotelsolo …“ – auf dem Weg zur guten Deutungshypothese
- Eine Deutungshypothese ist gewissermaßen der erste große Schritt, um die Aussage eines Gedichtes zu begreifen.
- Es ist eine „Hypothese“, also eine vorläufige Annahme.
- Auf sie kommt man, wenn man die „Signale“ des Gedichtes sammelt.
- Das sind Textstellen, die gewissermaßen die Richtung angeben, die das Gedicht in sich hat.
- In dem besagten Gedicht muss man jetzt nur einfach die Strophen durchgehen und schauen, was sich da an Verständnis aufbaut.
- Wichtig ist, immer nah am Text zu bleiben und das Verständnis auch fortlaufend zu korrigieren und damit zu verbessern:
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Erste Signale – aus dem Titel heraus
- Der Titel ist erst mal seltsam,
- setzt aber Signale in Richtung „Hotel“ = nicht zu Hause,
- „Solo“ = Alleinsein
- und „Männerstimme“, es geht also um einen Mann – und das, was er gewissermaßen raushauen möchte – darauf kommt man aber erst, wenn man das Gedicht schon einmal gelesen hat.
Strophe 1
- Hier gibt es Signale, dass etwas nicht mehr so ist, wie es war oder sein sollte.
- Außerdem geht das eine Bett, das das lyrische Ich nur noch braucht, in Richtung erzwungene Selbstbeschränkung.
- Am Ende dann das Signal, dass dem lyrischen Ich hier anscheinend etwas passiert ist, was schon häufiger vorkam.
Strophe 2
- Hier gibt es Signale für Müdigkeit und für die Konkurrenzsituation,
- außerdem für die Zerrissenheit zwischen anständigem Verzicht und realem Nicht-Verzichtenwollen.
Strophe 3
- Hier wieder ein Signal, dass es sich um einen Verlust handelt, den das lyrische Ich gerne vermieden hätte
- dazu kommt die innere Widersprüchlichkeit:
- Angeblich ist es gerne allein, was aber allem widerspricht, was vorher gesagt worden ist.
- Dann flüchtet sich das lyrische Ich in Arroganz – nach dem Motto: Soll sie doch ins Unglück laufen.
- In Wirklichkeit ist wahrscheinlich nur das lyrische Ich unglücklich.
Strophe 4
- Auch hier wieder der Gegensatz von scheinbarer Überlegenheit und Angst, dass dem Ex-Partner was passieren könnte.
- Was bleibt, war zu Kästners Zeiten typisch männlich: Seinen Kummer wegsaufen
- und dann am Ende die Selbstüberhebung ins Hochmoralische: Das lyrische Ich wünscht seiner Ex-Partnerin doch Glück.
Zusammenfassung der Signale in Richtung Deutungshypothese
Das Gedicht zeigt:
- ein intensives Verlassenheitsgefühl, das mit Müdigkeit und fast Verzweiflung einhergeht
- die Zerrissenheit im Hinblick auf die eigenen Gefühle: zwischen schlechten und guten Wünschen
- am Ende dann den Sprung in eine hochmoralische Haltung, die noch echte Liebe zeigt, nämlich gute Wünsche.
Noch ein Tipp: Video zum Umgang mit schwierigen Strophen
Das folgende Video gibt Tipps, wie man mit schwierigen Gedichten umgehen kann:
Kleine Nebenbei-Sammlung von „künstlerischen Mitteln“
Zwar ging es uns hier in erster Linie um die Herstellung einer brauchbaren Deutungshypothese, die ist aber – als inhaltliche Kernaussage – eng verknüpft mit künstlerischer Unterstützung.
An dieser Stelle verweisen wir kurz auf ein Video.
In ihm geht es darum, dass man künstlerische Mittel
- nicht suchen,
- sondern finden soll.
Das hört sich erst mal seltsam an, aber wer das Video gesehen hat, versteht, worum es geht:
Hier der Link zum Video:
https://youtu.be/8N2lTia5qLk
Nun die Liste dessen, was uns im Gedicht aufgefallen ist:
- I,1 (1. Strophe, 1. Zeile)
Korrektur des eben Gesagten – dafür gibt es ein Fachwort, was aber nicht entscheidend ist. - I,3 = Gegensatz
- II,1: Da merkt man deutlich die Personifizierung, wichtig ist aber die Erklärung des Mittels: Erstens ist der Koffer jetzt sein einziger Partner – und das lyrische Ich sieht auch in den Dingen das Gleiche, was ihm passiert.
„ziemlich anderen Mann“ = Hier wird die Distanz zu dem Konkurrenten auf eine sehr besondere Weise ausgedrückt. - Dann II,3 und 4 = der Gegensatz als Ausdruck der inneren Zerrissenheit
- III,1u2: Ungewollte Satire, weil das lyrische Ich etwas sagt, was ganz offensichtlich im Widerspruch steht zu allem anderen.
- IV,1u2: Die Bilder des Sich-Verlaufens und des Sich-Verirrens, was wieder genutzt wird, um die bestehende Entfernung zu bewältigen.
- IV,4: der absolute Höhepunkt in Form einer Überraschung – eine überraschende Klimax.