Eine Dramenszene analysieren – am Beispiel von „Kabale und Liebe“, I. Akt, Szene 4 (Mat2095)

Worauf es hier geht:

Das Besondere an einem Drama ist, dass dort ein Konflikt durchgespielt wird. Wenn man nun eine bestimmte Szene analysieren soll, dann kommt es darauf an, sie unter diesem Gesichtspunkt zu analysieren.

Welche Fragen sollte/müsste man sich stellen?

Zum einen muss man natürlich erst mal den Stand der Dinge zu Beginn der Szene klären. Dabei geht es nicht um die Frage: Was bisher geschah? Vielmehr geht es um die „Momente“ (vgl. das Drehmoment in der Physik), die gewissermaßen zu Beginn der Szene aktiv sind.

Als nächstes geht es um die Veränderung des Konflikts in der aktuellen Szene und schließlich die Frage, wie es weitergehen könnte oder geht.

Ein Beispiel: Das Gespräch zwischen Luise und Ferdinand in Kabale, I,4

Als Beispiel haben wir uns mal die vierte Szene vorgenommen, in der erstmals die beiden Liebenden aufeinandertreffen, wobei sich ganz seltsame Dinge zeigen.

Wir packen eine stichwortartige Musterlösung hier einfach mal rein, hängen sie aber zum leichten Herunterladen und Ausdrucken auch unten noch an.

Wir immer sind wir am Nutzerkontakt interessiert und freuen uns über Fragen und Anregungen.

Viel Erfolg bei der Nutzung.

Check der Entwicklung des dramatischen Konflikts in I-4

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass in einer Klausur zu einem Drama aller Wahrscheinlichkeit nach eine Szenenanalyse verlangt wird, ist es sicher sinnvoll, zu checken, wo man steht, was man schon kann und wo es noch Entwicklungsbedarf gibt.

1.       Klärung der dramatischen Ausgangssituation:

a.        Wird sie wirklich auf den Konflikt bezogen vorgestellt?

  • persönliche Liebe und gesellschaftliche Rahmenbedingungen

b.       Wird die bisherige Entwicklung des Konflikts vorgestellt?

  • Szene 1 = Sorge des Vaters vor einer unstandesgemäßen Beziehung der Tochter und Bemühen um Erhalt der Option auf einen „wackern, ehrbaren Schwiegersohn“, wohingegen die Mutter sich und für Luise Chancen ausrechnet -> Plan Millers, direkt beim Präsidenten Klartext zu reden.
  • Fortsetzung der Ausgangssituation mit einer Verschiebung hin zum neuen bürgerlichen (und Sturm-und-Drang-)Denken einer echten, radikalen Liebesbeziehung; Verprellen des Sekretärs verstärkt die Gefahren weiter oben in der Gesellschafts- und Machtstruktur
  • Veränderung der Beziehungsperspektive hin zu Luise: Zerrissenheit Luises wird deutlich -> Absage für das Diesseits
  • Schlusspunkt: Infragestellung der hochmoralischen Haltung wird deutlich angesichts der Liebesrealität

c.        Wird auf den „Absprungpunkt“ in die aktuelle Szene hingearbeitet?

  • Nachdem die Position der Eltern klar ist, auch die Luises, ist jetzt spannend, wie die Liebenden miteinander umgehen. Es ist zu erwarten, dass der Konflikt sich noch verstärkt.

2.       Analyse der dramatischen Entwicklung in der aktuellen Szene:

a.        Gibt es eine Anknüpfung an die Vor-Entwicklung?

  • Ferdinand knüpft direkt an die innere Zerrissenheit und die entsprechende Blässe Luises an.

b.       Ist die Szene in ihre dramatischen Entwicklungsstufen zerlegt worden?

  • Daraus wird ein Gegensatz zwischen dem selbstbewussten und besitzergreifenden Adligen und der zurückhaltenden, nachdenklichen und zerrissenen Luise: „Männliche“ Schnelligkeit gegen „weibliche“ Tiefe
  • Dazu „Absolutismus der Liebe“ bei Ferdinand: „Du bist meine Luise.“ (15,27)
  • Unterschiedliche Bewertung der Zukunftsperspektiven: „ein Dolch über dir und mir“ (16,9) gegen „Ich bin ein Edelmann […] Dieses Weib ist für diesen Mann“ (16,13 und 16,16/17)
  • Dazu die Liebe zu Luise als Ersatz für die Unmoral zu Hause
  • Furcht gegen Hüpf-Flucht
  • Schluss-Situation: „Drückt ihn von sich“ – „Feuerbrand“ (17,18)

c.        Wird die Dramatik auch an Textstellen festgemacht?

  • s.o., das könnte/müsste noch in der Klausur erweitert werden

d.       Ist der Schlusspunkt präzise beschrieben?

  • Luise ist am anderen Ende der Zerrissenheit angelangt: „Wilde Wünsche“ (17,11) statt „Ich entsag ihm für dieses Leben.“ (14,12)

3.       Perspektiven der weiteren Entwicklung

a.        Sind verschiedene Möglichkeiten der weiteren Entwicklung beschrieben worden, vom Prinzip her erst mal unabhängig von dem von Schiller fixierten Verlauf?

  • Es kann zum Konflikt mit dem Vater kommen, der über diese neue, alte Luise enttäuscht ist.
  • Es kann zum Eingreifen der Obrigkeit kommen, die von Wurm informiert wird.

b.       Sind die möglichen Varianten von der Wahrscheinlichkeit her bewertet?

  • Die erste Variante würde auf der Stelle treten.
  • Daher ist die zweite realistischer.

4.       Sinnpotenzial der Szene

a.        Sind Überlegungen angestellt worden, die gegebene Szene auf ihre grundsätzliche Bedeutung – auch und gerade für uns – hin zu überprüfen?

  • Hochinteressant ist der Gegensatz zwischen dem eher aktiven Macho Ferdinand und der zarten, eher passiven, formbaren Luise

b.       Wären Alternativen des Verlaufs denkbar, die andere Intentionen aufbauen würden?

  • Luise könnte die Grenzüberschreitungen Ferdinands zurückweisen, zum Beispiel die Frage der Realisierung stärker einbringen.
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