Ein Zitat aus einem Text von Herder verstehen („Humanität“) (Mat1876)

Worum es geht: Leichtes Verstehen eines Zitats aus einem älteren Sachtext

Im Folgenden wird gezeigt, wie man ein Zitat aus einem wichtigen Werk des Kulturphilosophen der Goethezeit Johann Gottfried Herder verstehen kann:

Zu finden ist es etwa Herder: Zitat zur Frage der Humanität.

Dort heißt es – in leicht angepasster Rechtschreibung:

Zur Humanität und Religion ist der Mensch gebildet

„Ich wünschte, dass ich in das Wort Humanität alles fassen könnte, was ich bisher über des Menschen edle Bildung zur Vernunft und Freiheit, zu feinern Sinnen und Trieben, zur zartesten und stärksten Gesundheit, zur Erfüllung und Beherrschung der Erde gesagt habe; denn der Mensch hat kein edleres Wort für seine Bestimmung, als er selbst ist, in dem das Bild des Schöpfers unsrer Erde, wie es hier sichtbar werden konnte, abgedruckt lebet. Um seine edelsten Pflichten zu entwickeln, dörfen wir nur seine Gestalt zeichnen.“

Schritt 1: Zerlegung des Zitats in seine Bestandteile

  1. „Zur Humanität und Religion ist der Mensch gebildet
    • Die Überschrift gibt bereits wichtige Hinweise:
    • Nach Herders Auffassung ist der Mensch gebildet = geschaffen zu zwei Dingen:
      • zum einen zur Humanität, worunter man edles Verhalten verstehen kann
      • und Religion, was für uns heute nicht mehr selbstverständlich ist, zur Zeit Herders aber noch ein ziemliches Muss war angesichts der Herrschaft der Kirchen in Europa.
  2. Ich wünschte,
    • Wichtig, was das Folgende ist, nämlich ein Wunsch, also eine Zielvorstellung, deren Realisierung nicht sicher ist.
  3. dass ich in das Wort Humanität alles fassen könnte,
    • Hier merkt man, dass der Wunsch sich aber doch auf etwas bezieht, was Herder sich selbst als Aufgabe stellt.
    • Er will „Humanität“ zu einem zentralen Begriff machen.
  4. was ich bisher über des Menschen edle Bildung
    • Anscheinend geht es ihm darum, vieles von dem, was er bisher über seine Zielvorstellungen beim Menschen gesagt hat, nun in einem Wort zusammenzufassen.
      1. zur Vernunft und Freiheit,
        • Hier nennt Herder zentrale Ziele der Aufklärung.
      2. zu feinern Sinnen und Trieben,
        • Hier wird das in Richtung Gefühle ausgeweitet, was die Gegenbewegung der Aufklärung, die Empfindsamkeit mit einschließt.
      3. zur zartesten und stärksten Gesundheit,
        • Interessant, dass Herder der Meinung ist, dass ein edler Mensch auch eher ein gesunder Mensch sein kann.
        • Diese soll aber nicht roh bzw. robust sein, sondern „zart“. Das ist natürlich ein schwierig zu erreichendes Ziel.
      4. zur Erfüllung und Beherrschung der Erde gesagt habe;
        • Dies klingt aus heutiger Sicht recht problematisch, weil wir heute der Meinung sind, dass gerade die „Erfüllung“ der Erde durch den Menschen ein Problem ist für zum Beispiel indigene Völker, aber besonders auch die Tierwelt.
        • „Beherrschung“ macht dann deutlich, dass Herder hier noch vor der Industrialisierung in dem Wort der Bibel lebt: „Machet euch die Erde untertan.“ Seit der Erklärung des Club of Rome sind wir hier vorsichtiger.
  1. denn der Mensch hat kein edleres Wort für seine Bestimmung, als er selbst ist,
    • Hier wird die völlige Konzentration auf den Menschen deutlich, was für die Zeit des Idealismus (Aufklärung, Klassik, Romantik) kennzeichnend ist.
      1. in dem das Bild des Schöpfers unsrer Erde,
      2. wie es hier sichtbar werden konnte,
      3. abgedruckt lebet.
        • Hier wird der Mensch als „alter deus“ verstanden, zwar ein Geschöpf, aber zugleich ein „Abdruck“ Gottes. Man wird hier an Goethes Gedicht „Das Göttliche“ erinnert, wo auch betont wird, dass wir nur im Menschen erkennen können, was und wie Gott ist.
      4. Um seine edelsten Pflichten zu entwickeln, dürfen wir nur seine Gestalt zeichnen.“
        • Hier wird aus dem Wesen des Menschen seine Bestimmuzng und vor allem auch seine Moral, seine Ethik abgeleitet.
        • Das nimmt Herder sich wahrscheinlich in dem vor, was auf dieses Zitat folgt.

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