Lessings „Emilia Galotti“: ein beeindruckender Ort für Kommunikation und Rhetorik

Das Drama

ist verständlicherweise die Grundgattung der Literatur, die am meisten mit Kommunikation und Rhetorik zu tun hat. Denn es gibt in der Regel keinen Erzähler, die gesamte Handlung spielt sich mit und zwischen den Figuren ab, die auf der Bühne agieren.

Aber es gibt natürlich Unterschiede in der Geschliffenheit des sprachlichen Handelns.

Im folgenden wollen wir einige Szenen aus Lessings bürgerlichem Trauerspiel „ Emilia Galotti“ vorstellen, in denen Figuren auch besonders raffinierte Art und Weise die sprachlichen Klingen kreuzen.

 

I. Akt, Szene 6

Diese Szene ist besonders interessant, weil der Prinz in ihr sein besonderes Interesse an einer scheinbaren Nebensache deutlich machen muss.

Das besondere Interesse: Seine Leidenschaft für ein bürgerliches Mädchen

Die scheinbare Nebensache: Dass dieses Mädchen kurz davor steht, einen zu ihr passenden Mann zu heiraten und von der Hofwelt nicht viel hält.

Außerdem geht es um die Frage der Vollmachten, die der Ratgeber Marinelli bekommt. Denn später gibt es ja die befürchteten „Unglücksfälle“ bei den Maßnahmen, die er durchführen lässt.

  • Marinelli erscheint und berichtet dem Prinzen, was es Neues in der Stadt gibt
  • Erscheinen der Gräfin Orsina, die besorgt ist, was ihr Verhältnis zu dem Prinzen angeht
    Damit ist eine „abgelegte“ Vorgängerin auf der Bühne
  • Heirat des Grafen Appiani, was den Prinzen in größte Erregung versetzt
  • Der Prinz offenbart seine Liebe zu der Braut des Grafen (Emilia).
  • und Appiani bekommt Vollmachten, die Eheschließung mit allen Mitteln zu verhindern.
  • Zunächst soll Appiani mit einem raschen Auftrag aus der Stadt entfernt werden.

II,4:

  • Odoardo ist begeistert von Grafi Appiani als seinem zukünftigen Schwiegersohn.
    Vor allem freut er sich über den „Entschluss, in seinen väterlichen Tälern sich selbst zu leben“. (24)
    Demgegenüber Kritik an seiner Frau und Emilias Mutter: „dass es mehr das Geräusch und die Zerstreuung der Welt, mehr die Nähe des Hofes war, als die Notwendigkeit, unserer Tochter eine anständige Erziehung zu geben, was dich bewog, hier in der Stadt mit ihr zu bleiben; – fern von einem Manne und Vater, der euch so herzlich liebet.“ (24)
  • Claudia, Emilias Mutter, erzählt ihrem Mann, dass der Prinz sehr von Emilia angetan ist.
  • Odoardo ist besorgt, ja wütend darüber, denn der Prinz ist nicht sein Freund.
  • Er will Appiani aufsuchen.

II,9/10

  • Marinelli erscheint
  • und informiert ihn über den „Befehl“ des Prinzen, in für ihn einen Auftrag als Gesandter zu übernehmen.
  • Appiani lehnt das ab, weil es zu einer Verschiebung seiner Hochzeit führen würde und er ist auch nicht bereit, Befehle entgegenzunehmen.
    Marinelli: „Befehl des Herrn“ – Appiani: „Ich wollte die Ehre haben, ihm zu dienen: aber nicht sein Sklaven werden.“
  • Darüber hinaus lässt er sich auf einen Streit mit Marinelli ein, so dass der ihn sogar zum Duell fordern will.
  • Daraus wird aber erst mal nichts, weil Appiani ja an dem Tag erst mal heiraten will.

 

III,1: Der Prinz und Marinelli

  • Marinelli berichtet, dass der Graf den Auftrag nicht angenommen hat:“
    „Umsonst; er schlug die angetragene Ehre mit der größten Verachtung aus.“
  • Der Prinz ist sehr unzufrieden mit dem Ergebnis:
    „Ich versprach mir von Ihrem Einfalle so viel! – Wer weiß, wie albern Sie sich dabei genommen. – Wenn der Rat eines Toren einmal gut ist, so muss ihn ein gescheiter Mann ausführen. Das hätt’ ich bedenken sollen.“
  • Marinelli spielt nun eine besondere Karte aus, nämlich die angeblich absichtlich herbeigeführte Beschimpfung des Grafen mit anschließender Duellforderung:
    „Dass ich noch mein Leben darüber in die Schanze schlagen wollte. – Als ich sah, dass weder Ernst noch Spott den Grafen bewegen konnte, seine Liebe der Ehre nachzusetzen, versucht‘ ich es, ihn in Harnisch zu jagen. Ich sagte ihm Dinge, über die er sich vergaß. Er stieß Beleidigungen gegen mich aus, und ich forderte Genugtuung – und forderte sie gleich auf der Stelle. – Ich dachte so:
    entweder er mich oder ich ihn. Ich ihn: so ist das Feld ganz unser. Oder er mich: nun, wenn auch; so muss er fliehen, und der Prinz gewinnt wenigstens Zeit.“
  • Das scheint den Prinzen doch zu beeindrucken – was sich aber gleich wieder ändert, als er erfährt, dass Graf Appiani erst heiraten will, bevor er sich mit dem Duell abgibt.
  • Darauf reagiert der Prinz ironisch, weil es ja letztlich wieder zum Ausgangspunkt zurückführt.
  • Marinelli geht jetzt zum Angriff über und fragt den Prinzen, was seine Bemühungen um Emilia denn gebracht hätten.
  • Der berichtet daraufhin von der Begegnung in der Kirche, aber in selbstkritisch-ironischer Form.
  • Anschließend fordert er Marinelli auf zu gehen, weil er von ihm nichts mehr erwartet. Sein Vertrauter rückt aber jetzt mit seiner zweiten Idee, einer Entführung Emilias heraus.
  • Der Prinz bleibt skeptisch, vor allem, als Marinelli von ihm Strafverschonung zugesichert haben möchte, falls sich „Unglücksfälle“ bei der Ausführung der Aktion ergeben könnten.
  • Der Prinz bleibt ironisch, aber seiner Äußerung kann man seine Haltung indirekt entnehmen:
    „Und es ist meine Art, dass ich Leute Dinge verantworten lasse, wofür sie nicht können!“
    Er meint damit wohl das Gegenteil, spricht es aber nicht offen aus – ein Zeichen für seine Kunst der diplomatischen Sprache.
  • Das Gespräch wird dann durch einen Schuss unterbrochen und es stellt sich heraus, dass zur gleichen Zeit die Kutsche des Grafen Appiani schon überfallen worden ist.
  • Der Plan Marinelli ist es gewesen, von einem Teil seiner Leute die Kutsche überfallen zu lassen, der andere Teil sollte Emilia scheinbar zu ihrer Rettung ins Schloss bringen.
  • Während Marinelli auf den Boten mit dem Bericht wartet, entfernt sich der Prinz, um nicht mit dem Vorfall in Verbindung gebracht zu werden.
  • Marinelli ist sich sicher:
    „Wenn wir die Braut in unserer Gewalt hätten: so stünd‘ ich dafür, dass aus der Hochzeit nichts werden sollte.“ (41)
  • Emilia soll entführt werden, „ohne dass es einer gewaltsamen Entführung ähnlich gesehen“ (42) hätte.

wir setzen das hier noch fort.

Weiterführende Hinweise