Erfolgreich interpretieren mit Indu, Neutik und Schabi (Mat4742)

Worum es hier geht:

Das Folgende war ein Versuch, die Kunst der Interpretation mal ganz einfach zu erklären:

„Interpretieren“ – das ist immer noch ein Schreckgespenst für Schüler. Wir wollen am Beispiel zweier Figuren zeigen, dass das nicht so sein – und vor allem nicht so bleiben muss:

Hier wird nämlich zum einen „induktiv“ an den Text herangegangen. Dafür steht „Indu“.

Dann aber muss man auch immer wieder prüfen, um weiterzukommen. Dafür steht „Neutik“.

Dazu kommt noch Schabi, der Meister der Grafik.

Wir probieren das jetzt mal aus:

Und zwar nehmen wir uns ein sehr schönes Gedicht von Eichendorff vor, das einem mit seinem flotten Ton, seiner Lebenslust und Risikobereitschaft richtig Freude machen kann.

Wir präsentieren zunächst das Gedicht in „normaler Form“ – weiter unten werden unsere drei Interpretationshelfer darüber reden.
Joseph von Eichendorff

Frische Fahrt

01: Laue Luft kommt blau geflossen,
02: Frühling, Frühling soll es sein!
03: Waldwärts Hörnerklang geschossen,
04: Mutger Augen lichter Schein;
05: Und das Wirren bunt und bunter
06: Wird ein magisch wilder Fluss,
07: In die schöne Welt hinunter
08: Lockt dich dieses Stromes Gruß.

09: Und ich mag mich nicht bewahren!
10: Weit von euch treibt mich der Wind,
11: Auf dem Strome will ich fahren,
12: Von dem Glanze selig blind!
13: Tausend Stimmen lockend schlagen,
14: Hoch Aurora flammend weht,
15: Fahre zu! Ich mag nicht fragen,
16: Wo die Fahrt zu Ende geht!

Interpretation im Gespräch>:

Joseph von Eichendorff

Indu: Alles klar, das ist doch ein Dichter aus der Zeit der Romantik. Dann wissen ja schon mal Bescheid. Nacht, Mondlicht, und Träume.

Neutik: Nun mal langsam. Es stimmt zwar, dass Eichendorff aus der Romantik kommt, aber das heißt noch lange nicht, dass hier genau das kommen muss, was man immer erwartet.

Schabi: Na gut, dann kann das ja noch dauern – ich ziehe mich erst mal zurück.

Frische Fahrt

 

Indu: Du hast Recht. Der Titel klingt ja schon mal nicht typisch romantisch. Bin mal gespannt, worauf das hinausläuft.

01: Laue Luft kommt blau geflossen,
02: Frühling, Frühling soll es sein!

 

Neutik: Das klingt schon mal nicht nach Nacht oder Mondlicht. Aber immerhin haben wir hier einen starken Eindruck, der viel mit Natur zu tun hat. Das passt schon mal.

03: Waldwärts Hörnerklang geschossen,
04: Mutger Augen lichter Schein;
Indu: Na also, hier habne wir schon mal den Wald, typisch romantisch. Hörner passen auch dazu. Was den Mut angeht, müssen wir erst mal schauen.
05: Und das Wirren bunt und bunter
06: Wird ein magisch wilder Fluss,
07: In die schöne Welt hinunter
08: Lockt dich dieses Stromes Gruß.

Indu: Was mich wundert, ist, dass jetzt von „Wirren“ die Rede ist.
Neutik: Das passt durchaus zur Romantik. Denn bei ihr war nicht immer alles gleich klar.

Indu: Was auffällt, ist natürlich die Schönheit der Umgebung, verbunden mit der Betonung des Bunten. Und das mit der Verlockung ist erst mal auch romantisch, passt zur Sehnsucht, allerdings ist es ja auch mit Gefahr verbunden – und der soll man sich ja wohl nicht hingeben.

Neutik: Abwarten – die Romantiker hatten ja auch ein Gefühl für die Gefahren der Nacht – erst mal warten, was draus wird. Immer schön am Text bleiben und nicht rumspekulieren.

09: Und ich mag mich nicht bewahren!
10: Weit von euch treibt mich der Wind,
11: Auf dem Strome will ich fahren,
12: Von dem Glanze selig blind!
13: Tausend Stimmen lockend schlagen,
14: Hoch Aurora flammend weht,
15: Fahre zu! Ich mag nicht fragen,
16: Wo die Fahrt zu Ende geht!

 

Indu: Jetzt bin ich aber wirklich von der Rolle. Ich dachte immer, die Romantik würde sich sicher in Gottes Hand fügen und fühlen. Und jetzt will das Lyrische Ich sich „nicht bewahren“, will auch von seinen Freunden und Bekannten weg. Es ist sogar davon die Rede, dass es „blind“ ist.

Neutik: Aber achte drauf: Es gibt keine negative Bewertung – die kommt nur von deinen Vorurteilen über die Romantik, auch wenn die manchmal zutreffen.

Aber du hast schon Recht, dass das Ende seltsam offenbleibt. Wir werden wohl akzeptieren müssen, dass es bei einem romantischen Dichter wie Eichendorff auch mal die Bereitschaft zum Risiko gibt – denk an den Titel, da ist von „frischer Fahrt“ die Rede, also eher etwas Positivem.

 

Schabi: Nun gut, was machen wir daraus? Ich habe mir mal notiert, dass wir den Frühling unterbringen müssen als Auslöser. Dann kommt die Verlockung des Flusses dazu. Das Lyrische Ich ist tatsächlich bereit, sich auf den Weg zu machen, sich von allem Bekannten zu entfernen – und dabei auch voll auf Risiko zu setzen.

Dann muss ich nur noch einbauen, dass es sich hier um ein Gedicht handelt, das in der Romantik einen eigenen Schwerpunkt setzt.

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