Ernst Stadler, „Bahnhöfe“

Ernst Stadler

Bahnhöfe

01 Wenn in den Gewölben abendlich
02 die blauen Kugelschalen
03 Aufdämmern, glänzt ihr Licht in die Nacht hinüber
04 gleich dem Feuer von Signalen.

  • Wenn man die Überschrift einbezieht, ist klar, dass es um eine Situation abends in Bahnhöfen geht,
  • bei denen ein Licht in „blauen Kugelschalen“ nach außen in die Nacht hinein wirkt.
  • Wichtig ist das Signal am Ende, dass das Licht mit dem „Feuer von Signalen“ verbunden wird.

05 Wie Lichtoasen ruhen in der stählernen Hut
06 die geschwungenen Hallen
07 Und warten. Und dann sind sie

  • Als nächstes geht der Blick innen im Gebäude in die Runde. Hervorgehoben wird die Sicherheit der „stählernen Hut“ (Vertrauen in die Technik) sowie das Warten.
  • Das wird dann direkt in eine Aktion übergeführt. Überhaupt fällt auf, dass jetzt ein sehr langes Satzgefüge folgt, das wohl die beginnende Bewegung sichtbar machen soll.

08 mit einem Mal von Abenteuer überfallen,
09 Und alle erzne Kraft
10 ist in ihren riesigen Leib verstaut,

  • Bemerkenswert ist, dass jetzt von einem „Abenteuer“ die Rede ist,
  • bei der aber zunächst noch die „erzne Kraft“, also das, was sich in dem Eisenungetüm der Lokomotive verbirgt, als im „riesigen Leib verstaut“ betrachtet wird.

11 Und der wilde Atem der Maschine, die wie ein Tier
12 auf der Flucht stille steht und um sich schaut,

  • Der „wilde Atem“ leitet dann noch mehr über zu dem, was kommt.
  • Interessant der Vergleich mit einem Tier, das „auf der Flucht“ (ein sehr extremes Bild für eine startende Lokomotive), das um sich schaut.
  • Ausgedrückt werden soll wohl die Anspannung, das Wissen, dass es gleich mächtig los geht – und gewartet wird nur noch auf das entscheidende Signal.

13 Und es ist,
14 als ob sich das Schicksal vieler hundert Menschen
15 in ihr erzitterndes Bett ergossen hätte,

  • Hier kommen zum ersten Mal die Menschen ins Spiel, die ihr „Schicksal“ mit dieser Maschine verbinden.
  • Der Hinweis auf ein „erzitterndes Bett“ macht deutlich, dass die Maschine sich immer mehr dem Start nähert,
  • „ergossen“ erweckt aber auch den Eindruck, dass die Menschen jetzt der Maschine und dem Zug ausgeliefert sind.

16 Und die Luft ist kriegerisch erfüllt
17 von den Balladen südlicher Meere
18 und grüner Küsten und der großen Städte.

  • Dieser lange Abschnitt des Beginns der Bewegung mündet hier in den seltsamen Vergleich mit Kriegsgeschrei.
  • Das kann man nur vor dem historischen Hintergrund erklären, der stark durch Krieg bestimmt war.
  • Man könnt mal überlegen, wie man heute diesen steigenden Lärm in einem Bild oder Vergleich fassen würde.
  • Dann wird es aber friedlicher, wenn von „Balladen südlicher Meere“ die Rede ist. Hier kommt die Sehnsucht vieler Deutscher zum Beispiel nach Italien bzw. nach dem Mittelmeer durch.

19 Und dann zieht das Wunder weiter.
20 Und schon ist wieder Stille und Licht
21 wie ein Sternhimmel aufgegangen,
22 Aber noch lange halten die aufgeschreckten Wände,
23 wie Muscheln Meergetön, die verklingende Musik
24 eines wilden Abenteuers gefangen.

  • Das Gedicht endet damit, dass „das Wunder“ weiterzieht
  • und die gewohnte Abendatmosphäre wieder zu herrschen beginnt.
  • Die drei Schlusszeilen versuchen dann, die Wirkung des abgefahrenen Zuges noch etwas festzuhalten.
  • Betont werden noch einmal ein gewisser Schrecken, der mit diesen immer noch etwas ungewöhnlichen Verkehrsmaschinen verbunden ist, dann aber auf fast schon romantische Weise verbunden wird mit Natur, Musik und Abenteuer.

Insgesamt zeigt das Gedicht die Gefühle und Gedanken des lyrischen Ichs beim Beginn einer Zugfahrt, die es wohl von außen wahrnimmt.

Man merkt, wie ungewöhnlich und aufregend das zur Zeit der Entstehung des Gedichtes noch war.

Interessant sind einige romantische Anklänge in Richtung Abenteuer und Aufbruch, auch wenn sich Leute wie Eichendorff wohl kaum über Bahnhöfe und Eisenbahnen mit entsprechendem Getöse gefreut hätten.

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