Die Aufklärung – als große Herausforderung auch noch in unserer Zeit
Das Folgende ist ein Auszug aus einem EBook mit dem schönen Titel: „Geschichte für Durchblicker – mit der Lehrer auf Augenhöhe“.
Dahinter steckt unsere Überzeugung, dass Geschichte ein Fach ist, wo man im Detail oder bei einem bestimmten Thema schnell mindestens genauso gut sein kann wie die Lehrkraft. Das hängt mit der ungeheuren Masse des Stoffes zusammen.
Jede gute Lehrkraft freut sich, wenn sie mal an einer bestimmten Stelle auch überholt wird – mit Fakten oder Anregungen.
Ihre Fähigkeit ist es dann, das in größere Zusammenhänge einzuordnen – und beide Seiten können sich freuen.
Hier also das „Grundverständnis“ zum Thema „Aufklärung“, das man leicht an bestimmten Stellen ausbauen kann.
1. Der Niedergang des Absolutismus
Letztlich wurde den französischen Königen ihr System mit der fehlenden Kontrolle zum Verhängnis: Sie gaben so viel Geld aus für den staatlichen Prunk und für Kriege, dass ihr Land kurz vor der Französischen Revolution regelrecht pleite war.
Als sie dann auf den Gedanken kamen, sich von den lange nicht einberufenen Generalständen (Vertretung des Adels, des Klerus und des III. Standes, vor allem des Bürgertums) helfen zu lassen – nutzten die das für eine völlige Veränderung des Systems in der Großen Französischen Revolution von 1789.
Aber dafür waren natürlich auch ganz bestimmte geistige Voraussetzungen nötig, womit wir bei der Aufklärung wären.
2 Die Infragestellung von Staat und Kirche in der Aufklärung
Beim Übergang zwischen Mittelalter und Neuzeit gab es zwei gegenläufige Tendenzen: Zum einen konzentrierte sich im Absolutismus die Macht immer stärker auf eine Person. Zum anderen wurde das Bürgertum immer wichtiger – zum einen auf Grund seiner ökonomischen Betriebsamkeit als Besitzer von Manufakturen (Vorformen von Fabriken), als Reeder oder Bankiers, zum anderen durch seine Einbeziehung in die staatliche Verwaltung – nach der Ausschaltung des Adels als Herrschaftsschicht.
Dieses Bürgertum nun schuf sich ein neues Bewusstsein, das alle Tradition in Frage stellte, nur noch den Verstand und die Empirie (Experimente) als Quelle der Erkenntnis zuließ.
Damit gerieten natürlich auch die beiden Institutionen in die Kritik, die in allen Epochen früher mehr oder weniger gut zusammengearbeitet hatten, nämlich Staat und Religion. Schauen wir uns diese Entwicklung im Folgenden einmal genauer an.
3. Die Aufklärung als Fortsetzung von Humanismus und Renaissance
Nachdem schon zu Beginn der Neuzeit – in der Epoche des Humanismus und der Renaissance – die Menschen begannen, sich aus den Fesseln des Vorgegebenen und Althergebrachten zu lösen, brachte das 18. Jahrhundert einen weiteren Schub in dieser Richtung.
Am besten macht man es an drei Personen und einem Projekt fest:
4 Immanuel Kant
Da ist zum einen der deutsche Philosoph Immanuel Kant, der die Frage, was denn Aufklärung eigentlich sei, beantwortete mit: „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“. Das heißt, der Mensch soll für sich selbst denken und sprechen – und dazu muss er sich in Bewegung setzen, sich dem Risiko des Neuen aussetzen. Nicht von ungefähr gehört zu der berühmten Definition auch die Aufforderung: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“
Dann gibt es da zwei berühmte Franzosen, die sich vor allem mit Staat und Gesellschaft beschäftigt haben und dabei zu ganz unterschiedlichen und sehr folgenreichen Ergebnissen gekommen sind:
5 Montesquieu – der Verfechter der Freiheit durch Gewaltenteilung
Montesquieu setzt in seinem Werk „De l’esprit des lois“ auf Deutsch: „Vom Geist der Gesetze“ aus dem Jahr 1748 vor allem auf den Gedanken der Freiheit, ihr ordnet er alles andere unter. Erreichen und sichern will er sie vor allem durch Gewaltenteilung. Damit wird der absolutistische Staat fundamental in Frage gestellt: Der König soll in seinen Rechten durch eine Verfassung beschränkt sein und sich im Wesentlichen nur noch um die Exekutive, d.h. die Ausführung der Gesetze kümmern, die die Volksvertretung als Legislative beschließt. Die dritte Gewalt ist die Judikative, die richterliche. Sie sorgt dafür, dass alle entsprechend den Gesetzen leben und handeln.
6 Rousseau – der Verfechter der Gleichheit auch mit Zwang
Während Montesquieu den Menschen misstraut und damit sehr realistisch denkt, ist sein geistiger Gegenspieler Rousseau einer, der an das Gute glaubt. Ihm geht es in seinem Hauptwerk „Du contract social ou Principes du droit politique“, auf Deutsch: Vom Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des Staatsrechtes, das 1762 erschien, vor allem um Gleichheit. Alle Menschen sollen erst einmal ihre Freiheit an die Gesellschaft abgeben – die verteilt sie dann gerecht und gibt das an den Einzelnen zurück, was ihm zusteht.
Man merkt, dass dieses Modell sich später in den kommunistischen Systemen wiedergefunden hat und natürlich auch in der radikalen Phase der Französischen Revolution unter Robespierre. Dort gab es Parteien oder Gruppierungen, die wussten bzw. zu wissen glaubten, was das „Gemeinwohl“ war – nur das zählte, nicht die Zufallsmehrheit in einem Parlament.
Wer gegen dieses Gemeinwohl verstieß, wurde entweder bestraft – die Guillotine galt da als sehr humane Art und Weise, jemanden endgültig als Gefahr für die Gemeinschaft auszuschalten. Rousseau war nicht ganz so extrem, er konnte sich auch vorstellen, dass man unzuverlässige Mitglieder der Gemeinschaft in Krankenhäusern behandelte. Übrigens war das später in der Sowjetunion eine Variante des Umgangs mit Dissidenten (geistigen Abweichlern).
7 Die Enzyklopädie und der Optimismus der Aufklärung
Neben den drei vorgestellten Geistesgrößen der Aufklärung mit ganz unterschiedlichen Ansätzen und Konzepten sollte man noch ein Projekt kennen, nämlich die Enzyklopädie. Während wir heute im Wesentlichen auf Wikipedia zurückgreifen und als Wissenschaftler natürlich weiter auf Fachlexika und Handbücher, entstand zwischen 1751 und 1772 in Frankreich ein erster Versuch, das gesamte Wissen der Menschheit zusammenzufassen.
Das Projekt ist insofern interessant, weil es zeigt, wie sehr man auf den Fortschritt im Wissen und im Verstehen der Welt setzte. Man war sehr optimistisch in der Zeit der Aufklärung, glaubte, dass mit Verstand und Erziehung letztlich alles besser wird zwischen den Menschen und in der Welt.
8 Das Scheitern des zu großen Optimismus der Aufklärung
Es hat sich dann in den kommenden Jahrhunderten bis in unsere Gegenwart hinein gezeigt, dass dieser Optimismus nicht berechtigt war: Schon die Französische Revolution leistete sich ein Blutbad und endete in der Militärdiktatur eines Napoleon, dessen Kriege Hunderttausende von Menschenopfern kosteten. Im 20. Jahrhundert schafften dann die europäischen Völker im Ersten Weltkrieg sogar Millionen von Toten und noch schlimmer wurde es in den beiden großen Ideologien, dem Kommunismus-Leninismus-Stalinismus und dem Faschismus-Nationalsozialismus.
Zwar gelang es, nach dem Zweiten Weltkrieg ein neues, friedliches Europa aufzubauen und schließlich auch den Kalten Krieg zu beenden, dennoch kam es weiterhin zu unglaublichen Massenmorden: Da waren die Roten Khmer in Kambodscha, die eine Art Steinzeitkommunismus einrichteten und alles totschlugen, was eine Brille trug oder zu wenig nach Bauernarbeit aussehende Hände hatte.
Nach dem Zerfall Jugoslawiens kam es zu jahrelangen Bürgerkriegen und Massenmorden – ein Tiefpunkt verbindet sich mit dem Namen der UN-Zone Srebenica, wo die Blauhelmsoldaten den serbischen Soldaten unter General Mladic zuprosteten, die anschließend ca. 7000 bosnische Männer ermordeten. In Afrika fiel in Ruanda die Bevölkerungsgruppe der Hutu über die Tutsi her – mit Hunderttausenden von Toten.
Insgesamt hat man nicht den Eindruck, als seien die Menschen grundlegend und dauerhaft „zur Vernunft gekommen“. Kluge Leute haben sogar von einer „Dialektik der Aufklärung“
https://schnell-durchblicken.de/adorno-und-horkheimer-die-dialektik-der-aufklaerung
gesprochen. Das heißt: Die Herrschaft der Vernunft bringt auch ihr Gegenteil hervor, neue Mythen mit zum Teil mörderischem Charakter.
Sehr gut dargestellt wird die Anfälligkeit der Aufklärer für den Gedanken der Durchsetzung ihrer Ideen auch mit Gewalt in dem Buch „Das Zeitalter des Zorns“ von Pankaj Mishra, erschienen bei S. Fischer, 4. Auflage, Juli 2017. Er formuliert überdeutlich den „fatalen Widerspruch in ihrem Projekt zur menschlichen Emanzipation. In ihren Augen war die Ausübung der Vernunft der beste Weg zur Sicherung individueller Autonomie und damit eines Lebens, das nicht ausschließlich von den Zufällen der Natur und des Schicksals oder den Zwängen religiöser Autorität bestimmt wurde. Deshalb kamen sie ‚auf den Gedanken, die Gesellschaft ihrer Zeit nach einem vollständig neuen Plan einzurichten, den jeder von ihnen nur im Licht seiner Vernunft entwarf.’“ (121). Präsentiert wird anschließend der Versuch Rousseaus, „die Intellektuellen als intolerante weltliche Priester zu entlarven, deren scheinbar universalistische Philosophie nur eine verkleidete sektiererische Ideologie war […] Sie hülfen bei der Verfestigung der Ungleichheit mitsamt dem Leid und der Gewalt, die daraus erwuchsen.“ (123)
9 Die fortdauernde Aufgabe der Aufklärung
Es sieht so aus, als behielte Montesquieu Recht, der davon ausging, dass im Menschen eben nicht nur Gutes steckt, sondern auch das Böse – und dementsprechend muss dieses durch geschickte politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen im Zaum gehalten werden. Das wäre dann die Synthese des dialektischen Prozesses, eine ständige Aufgabe für jeden und alle.
Diese Einsicht passt übrigens auch zu dem berühmten Milgram-Versuch, der 1961 erstmals durchgeführt wurde und der zeigte, dass fast jeder Mensch zu Grausamkeiten bereit ist, wenn sie scheinbar einem guten Zweck dienen. Entscheidend sind also die Rahmenbedingungen, die Umstände: Sie holen aus Menschen das Heilige oder auch das Verbrecherische heraus – dementsprechend umsichtig müssen staatliche und gesellschaftliche Systeme gestaltet werden.
Sehr gut deutlich wird dieser Zusammenhang übrigens in dem 2015 erschienenen Buch „Der wilde Kontinent: Europa in den Jahren der Anarchie 1943 – 1950“ von Keith Lowe, einem britischen Historiker. Dort werden die „neuen Vernichtungslager“ vorgestellt, denen die Deutschen, ganz gleich, wie viel Schuld sie auf sich geladen hatten, ausgesetzt wurden. Gaskammern und damit systematischen Massenmord gab es nicht mehr, dafür aber die ganze Palette der Unmenschlichkeit unterhalb dieser Ebene. Entscheidend dabei war und ist, dass deutlich wird, was in den Menschen an Bestialität steckt, wenn der schmale Überzug der Zivilisation schwindet bzw. zerstört wird. Bei Hitler und seinen Anhängern bzw. „willigen Vollstreckern“ kam hinzu, dass das Mörderische von höchster Stelle aus legitimiert wurde.
10 Der durch die Aufklärung erreichte Fortschritt bei den Menschenrechten und der Demokratie
Kehren wir zurück zur Aufklärung des 18. Jahrhunderts: Sie hat entscheidende Fortschritte gebracht in der geistigen Befreiung der Menschen und im Bereich des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts. Die Französische Revolution scheiterte zwar teilweise, auf sie wurde aber immer wieder zurückgegriffen – und heute gibt es universell geltende Menschenrechte und auch die weltweit gültige Vorstellung, dass staatliche Macht der Zustimmung der Regierten bedarf.
In einem aufregenden revolutionären Akt wurde dieser Gedanke erstmals in den englischen Kolonien Amerikas durchgesetzt.
Referat-Impulse zu den Ideen der Aufklärung in unserer Zeit gibt es hier:
https://textaussage.de/referat-idee-die-ideen-der-aufklaerung-heute
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Geschichte für Durchblicker – Überblick über Infos, Tipps und Materialien
https://textaussage.de/geschichte
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