Gottfried Benns „Reisen“ – etwas erweitert (Mat8029)

Gottfried Benns „Reisen“ – etwas erweitert
Viele kennen das Gedicht von Gottfried Benn, in dem er sich sehr kritisch zum Reisen äußert. Grundsätzlich ist da auch was dran – aber einen Aspekt hat er vielleicht doch übersehen. Es gibt noch einen weiteren Grund, nicht einfach wild durch die Welt zu reisen, sondern sich zu „begrenzen“, aber nicht ganz so eng, wie Benns Gedicht es vorzugeben scheint.
Über Gottfried Benn hinaus

Natürlich hat er Recht, der Mann,
wie oft sind wir schon weg gewesen
und haben uns dann nur gefragt:
Hat sich’s gelohnt, war es den Aufwand wert?

Jedoch ist das die Wahrheit nicht so ganz:
Zum einen gibt es da den Lagerkoller:
Man muss hinaus, auch mal was Anderes sehn.
Zu viel Umgrenzung ist nicht gut für unser Ich.

Viel wichtiger aber ist doch die Erfahrung,
dass man ja auch zu Orten reisen kann,
die man schon kennt und die man schätzt,

Und doch entdeckt man immer wieder Neues
Fühlt sich bereichert und weit weg von Rilke,
der einmal sagte, dass die Schönheit nur
der Anfang wäre jedes Schreckens.

Denn wer hält wirklich aus, was einen plötzlich trifft
In seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit
Mitnehmen kann man’s nicht,
so bleibt der Abschied nur, es sei denn, dies gelingt:
sich „anverwandeln“ hat Freund Goethe es genannt.

Das Große und das Schöne werden dann zu Freunden,
die man besucht und voller Freude feststellt,
dass man das schon Bekannte schätzt und Neues sieht.

Das Reisen selbst ist also nicht das Wahre,
Es geht allein darum, was man draus macht.
Und Sinn, das wissen wir seit langem,
entsteht im Auge des Betrachters.
Darüber hat nicht Gottfried zu befinden,
auch wenn er vieles richtig sieht.

Es kommt drauf an, was man draus macht
Und was man lieb gewinnt und dann beachtet,
als wär’s das erste mal. Was man dann festhält,
ach, es wird zum Baustein jener Pyramide,
die uns nach oben trägt, den Sternen zu.

Weitere Infos, Tipps und Materialien

https://textaussage.de/weitere-infos