Grönemeyer, „Du bist die“ – Ein Song wie ein Gedicht (Mat4889)

Worum es hier geht:

In der Schule taucht immer wieder die Frage auf: Warum müssen wir uns mit Gedichten beschäftigen – und dann auch noch genauer hinschauen – von Analyse gar nicht zu reden 🙁

An dem Song von Herbert Grönemeyer, „Du bist die“ (zu finden z.B. hier) kann man sehr schön sehen, dass der genauso als Gedicht präsentiert werden könnte. Nur – ist er natürlich gesungen noch viel schöner 🙂

Wir haben uns den Song mal genauer angeschaut und alles festgehalten, was für ein tieferes Verständnis wichtig ist.

Eine Grafik und eine Vorbemerkung

Grün haben wir alles Positive markiert.

Blau haben wir das zusätzlich hervorgehoben, was die Beziehung kennzeichnet.

Gelb sind die Stellen markiert, die uns problematisch für eine Beziehung vorkommen, zumindest als Herausforderung.

Orangefarben sind dann die noch größeren Herausforderungen, die sogar zu Belastungen werden können.

Die roten Stellen markieren dann das Negative.

Insgesamt ist man erstaunt, wie viel ungewöhnliche, also kreativ-dichterische Qualität in diesem Song zu finden ist.

Bleibt die Frage: Warum mögen Leute Gedicht nicht, die auf solche Songs stehen?

Vielleicht könnte man den Umgang mit Gedichten etwas ändern. Uns hat die Beschäftigung mit diesem besonderen Fall jedenfalls viel Spaß gemacht.

Anmerkungen zum Titel

  • Der Titel ist recht kurz, deutet aber das Wesentliche an. Offensichtlich soll hier ein Mensch beschrieben werden, über den zumindest zu reden sich lohnt.
  • Vielleicht ergänzt man den Titel auch schon hypothetisch im Sinne von: „Du bist die einzige, die richtige.“

Anmerkungen zu Strophe 1

  • Die erste Strophe beschreibt eine Art Rückzugsort
  • Das lyrische Ich will nichts Großes, sondern einfach nur normales Zusammenleben.
  • Die zweite Zeile deutet auch an, wo wirkliche Probleme für größere Erwartungen liegen könnten:
  • Es sieht bei sich offensichtlich Fehler, die bei intensiver Betrachtung die Beziehung stören könnten.
  • Die dritte Zeile nimmt dann den Gedanken der ersten Zeile wieder auf und führt dann näher aus, wie so ein gemeinsames einfaches Leben aussehen könnte.
  • Wenn man sich etwas erzählt, dann zeigt das sicherlich eine besondere Qualität einer Beziehung.
  • Am Ende wird noch mal der Gedanke der zweiten Zeile aufgenommen: Das lyrische Ich möchte gar nicht, dass sein Gegenüber meint, alles an ihm mit lieben zu müssen.
  • Denn auch das wäre wieder eine mögliche Störung beziehungsweise Beschränkung der Beziehung.

Anmerkungen zu Strophe 2

  • Erstaunlicherweise beginnt die zweite Strophe dann mit dem Gedanken der Pflicht.
  • Das lyrische Ich scheint zunächst nicht das Absolute zu verlangen, setzt aber jetzt einen doch negativen Punkt.
  • Denn die meisten Leute reagieren auf den Gedanken der Pflicht eher negativ nach dem Motto: Ich habe schon genug Pflichten. Ich brauche nicht noch eine mehr.
  • Die zweite Zeile scheint dann die Härte der ersten Zeile wieder zurückzunehmen. Denn das lyrische Ich ist bereit loszulassen.
  • Unklar bleibt, für welche Situationen das gilt.
  • Vielleicht soll nur unterstrichen werden, dass hier wirklich kein Absolutheitsanspruch besteht.
  • Die nächsten beiden Zeilen gehen darüber darüber hinaus und machen deutlich, dass das lyrische Ich seinem Gegenüber auch beistehen will in schwierigen Zeiten.
  • Das erinnert so ein bisschen an das normale Eheversprechen.
  • Dort geht es ja auch darum, dass man sich auch in schlechten Zeiten gegenseitig unterstützt.

Anmerkungen zu Strophe 3

  • Diese Strophe bietet einen großen Schritt auf das Gegenüber zu.
  • Hier gibt es keine Einschränkungen mehr: Das lyrische Ich will Zufluchtsort sein, die Mitte des Gegenübers.
  • Das Himmelsblau steht einfach für die maximale Schönwettersituation.
  • Das wird dann noch ausgedehnt zu dem Versprechen, für das Gegenüber alles zu sein, was es „vermisst“.
  • Ein größeres Versprechen für eine Beziehung kann es fast nicht geben.

Anmerkungen zu Strophe 4

  • Diese Strophe geht wieder einen Schritt zurück.
  • Es setzt zunächst den Gedanken der vorherigen Strophe fort, schiebt aber alles, was zugesagt worden ist, in einen Vorbehalt hinein.
  • Das erscheint ihm das dann doch anscheinend wieder zu negativ.
  • So ist das lyrische Ich zumindest bereit, seinem Gegenüber jeden zweiten Wunsch zu erfüllen.
  • Es folgt in der letzten Zeile etwas besonders Wichtiges, was vom Grundproblem dieser Beziehung ausgeht:
  • Es gibt dort anscheinend Unterschiede und Problemstellen. Die können nur überwunden werden, wenn man sie akzeptiert.
  • Und das lyrische Ich ist dazu offensichtlich bereit.

Anmerkungen zu Strophe 5

  • Hier wird die Überschrift des Gedichtes mit Leben gefüllt.
  • Das lyrische Ich beschreibt alles das, was das Gegenüber ihm bedeutet.
  • Am Ende dann wieder eine kleine Relativierung. Man weiß nicht genau, ob es sich um einen Bedingungssatz („falls“) handelt oder den Hinweis auf bestimmte Zeiten („dann wenn), in denen es ideal läuft.

Anmerkungen zu Strophe 6

  • Diese Strophe setzt sich mit dem GAU, dem „größten anzunehmenden Unfall“ einer jeden Beziehung auseinander.
  • Und der ist natürlich das Verschwinden der Intensität der Liebe.

Anmerkungen zu Strophe 7

  • Das lyrische Ich bittet dann nur um Klarheit und deutet gewissermaßen an, dass es sich dann positiv von seinem Gegenüber verabschieden will. Keine Rede von Kampf um die Liebe, sondern das Akzeptieren des normalen Laufs der Welt und eben auch der Beziehung.
  • Jeder Eheberater würde an einer solchen Stelle wohl den Kopf schütteln und sich die Frage stellen, wie es mit dieser Beziehung überhaupt aussieht.
  • Aber es gehört eben hier zur Besonderheit, dass sie alles zu geben bereit ist, aber offensichtlich wenig bis gar nichts verlangt. Das lyrische Ich beruhigt sich mit dem, was ist. Wenn es nicht mehr da ist, ist es auch gut.

Anmerkungen zu Strophe 8

  • Diese Strophe geht einen Schritt zurück.
  • Man könnte auch sagen, sie beschreibt einfach die Gegenwart. Von daher passt sie durchaus zur vorangehenden Strophe.

Anmerkungen zu Strophe 9

  • Diese Strophe beschreibt noch einmal die Rahmenbedingungen für ein optimales Gefühl von Partnerschaft und eben auch
  • Die letzte Zeile muss man natürlich insofern in Frage stellen oder relativieren, als dieses Sich-verlassen-Können natürlich nicht die Zukunft betrifft.
  • Von daher wird es gedanklich etwas fragwürdig, entspricht aber dem aktuellen Gefühlsstand und hat damit seine Berechtigung.

Anmerkungen zu Strophe 10

  • Diese Strophe formuliert zwei wesentliche Wünsche und dann die Feststellung der Gemeinsamkeit.
  • Dann wird die Frage der Verlässlichkeit etwas näher ausgeführt.
  • Es bleibt aber das Gefühl, dass sie aktuell ist und damit auch nur oder immerhin flüchtiges Bewusstsein formuliert wird.
  • Aber das ist ja der große Vorbehalt dieses Gedichtes und macht damit auch seine Besonderheit aus.

Anmerkungen zu Strophe 11

  • Typisch für einen Song wird hier noch einmal wiederholt, was vorher schon gesagt worden ist.
  • Es bleibt also dem Leser beziehungsweise dem Hörer überlassen, auf der Basis dieses Gedichtes sein eigenes Liebesverständnis zu entwickeln.

Anmerkungen zu Strophe 12

  • Die letzte Strophe bringt noch einige neue Aspekte in den Song hinein.
  • Über jeden dieser Begriffe „anfallen“, „schieben“, „begreifen“, „fassen“, „ordnen“, „decken“ muss jeder wohl für sich selbst nachdenken und ihn mit Leben füllen.
  • Am Ende dann wieder diese vorsichtige Skepsis, die sich auf das Schöne einlassen will, es aber nicht als  selbstverständlich und fortdauernd fordert.

Zusammenfassung

  • Insgesamt ein Song, der auf beeindruckende Weise zeigt, dass er einem Gedicht, wie man sie aus Schulbüchern gewohnt ist, in keiner Weise nachsteht.
  • Man wünscht sich, dass noch mehr solcher Texte im Deutschunterricht besprochen würden.
  • Sie kehren einfach zu den Ursprüngen der Lyrik zurück, schon dieser Begriff hat ja (Lyra) etwas mit einem Musikinstrument zu tun.

Weitere Infos, Tipps und Materialien 

https://textaussage.de/weitere-infos