Heinrich Heine, „Donna Clara“: eine Ballade gegen Vorurteile (Mat5100)

Worum es hier geht:

Wie man ein Vorurteil bekämpfen kann, zeigt Heinrich Heine in seiner Ballade „Donna Clara“.

Zugleich kann man von dort aus eine historische Gegend erkunden, in der die drei großen Religionen (in alphabetischer Reihenfolge) Christentum, Islam, Judentum in relativem Frieden miteinander lebten – eine gute Voraussetzung für kulturellen Fortschritt.

Interessante Informationen zu dieser Zeit finden sich z.B. hier.

Die Ballade ist u.a. hier zu finden.

https://www.staff.uni-mainz.de/pommeren/Gedichte/BdL/DonnaClara.html

 

Heinrich Heine, „Donna Clara“ – Eine Ballade, die gegen Vorurteile helfen kann

Heinrich Heine 

Donna Clara

 

(1)

In dem abendlichen Garten

Wandelt des Alkaden Tochter;

Pauken- und Trommetenjubel

Klingt herunter von dem Schlosse.

  • In der ersten Strophe geht es offensichtlich um eine Familie, die einem höheren Stand angehört. Denn es ist von einem Schloss die Rede. Außerdem geht es um eine „Donna“, also eine Herrin. Schließlich iste ein „Alkade“ bzw. ein „Alkalde“ auch ein höherer Richter. Näheres dazu findet man hier:
    https://www.dwds.de/wb/dwb2/alkade

(2)

»Lästig werden mir die Tänze
Und die süßen Schmeichelworte,
Und die Ritter, die so zierlich
Mich vergleichen mit der Sonne.

  • Diese Donna steht dem normalen Verhalten vieler Ritter ihr gegenüber sehr kritisch gegenüber.
  • Wahrscheinlich spürt sie das Unechte.
  • Leserlenkung: Hypothese: Offensichtlich ist sie auf wirkliche Liebe aus oder sie will nur in Ruhe gelassen werden.

(3)

Überlästig wird mir alles,
Seit ich sah, beim Strahl des Mondes,
Jenen Ritter, dessen Laute
Nächtens mich ans Fenster lockte.

  • In dieser Strophe wird dann deutlich, dass die Frau tatsächlich einen Verehrer kennengelernt hat,  der es ihrer Meinung nach ernst mit dir meint.
  • Man wird erinnert ein bisschen an Minnesänger erinnert.

(3)

Wie er stand so schlank und mutig,
Und die Augen leuchtend schossen
Aus dem edelblassen Antlitz,
Glich er wahrlich Sankt Georgen.«

  • Dieser Strophe merkt man, wie die junge Frau die Faszination beschreibt, die der Sänger bei ihr ausgelöst hat.
  • Was den Heiligen Georg angeht, so gilt der als Drachentöter. Wahrscheinlich sucht die junge Frau einen Beschützer.
    Näheres zu dem Heiligen gibt es hier
    https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_(Heiliger)#Drachent%C3%B6ter

(4)

Also dachte Donna Clara,
Und sie schaute auf den Boden;
Wie sie aufblickt, steht der schöne,
Unbekannte Ritter vor ihr.

  • In dieser Strophe werden anscheinend kühnste Träume wahr, denn dieser von ihr anscheinend angebetete Ritter steht plötzlich vor ihr.

(5)

Händedrückend, liebeflüsternd
Wandeln sie umher im Mondschein,
Und der Zephir schmeichelt freundlich,
Märchenartig grüßen Rosen.

  • Jetzt geht es wie in manchen Liebesfilm in der heutigen Zeit sehr schnell.
  • Schon gehen die beiden ganz vertraut miteinander um.

(6)

Märchenartig grüßen Rosen,
Und sie glühn wie Liebesboten. –
Aber sage mir, Geliebte,
Warum du so plötzlich rot wirst?

  • Dann eine weitere Steigerung, denn der Ritter ist offensichtlich schon seit längerem in die Frau verliebt und die weiß das wohl auch.
  • Nun fragt er sie, warum sie plötzlich im Gesicht so rot wird, also Erregung zeigt.

(7)

»Mücken stachen mich, Geliebter,
Und die Mücken sind, im Sommer,
Mir so tief verhaßt, als wärens
Langenasge Judenrotten.«

  • Jetzt kommt die Enttäuschung für alle, die eine Fortsetzung intensiver Liebesbegeisterung erwartet haben.
  • Die Frau ist nur von Mücken belästigt worden..
  • Das wirkt erst mal wie eine kalte Dusche.
  • Aber es kommt noch schlimmer: Für heutige Verhältnisse völlig inakzeptabel – eine eindeutig antisemitische Bemerkung der jungen Frau.
  • Man ist gespannt, wie die Ballade damit weiter umgeht, denn Heine war ja selbst Jude und hatte sicherlich nicht das geringste Interesse daran, Vorurteile gegenüber Juden zu verbreiten.

(8)

Lass die Mücken und die Juden,
Spricht der Ritter, freundlich kosend.
Von den Mandelbäumen fallen
Tausend weiße Blütenflocken.

  • Der Ritter geht auf das aber gar nicht ein, was man heute sicherlich nicht unwidersprochen stehen lassen würde.
  • Er ist offensichtlich nur an der Beziehung interessiert.

(9)

Tausend weiße Blütenflocken
Haben ihren Duft ergossen. –
Aber sage mir Geliebte,
Ist dein Herz mir ganz gewogen?

  • In dieser Strophe weicht der Ritter in allgemeine Naturbeschreibung aus.
  • Dann stellt er aber doch noch die entscheidende Frage nach der Liebe.
  • Man fragt sich hier natürlich, inwieweit es eine Vorgeschichte bereits gibt, denn die Schnelligkeit der Entstehung einer Beziehung wäre doch sehr überraschend.

(10)

»Ja, ich liebe dich, Geliebter,
Bei dem Heiland seis geschworen,
Den die gottverfluchten Juden
Boshaft tückisch einst ermordet.«

  • Der Ritter bekommt die gewünschte Antwort.
  • Allerdings bleibt die junge Frau bei ihren Vorurteilen und macht die Juden insgesamt für die Hinrichtung ihres Religionsgründers verantwortlich – was ein bei Christen damals häufig gehörter Vorwurf war.

(11)

Lass den Heiland und die Juden,
Spricht der Ritter, freundlich kosend.
In der Ferne schwanken traumhaft
Weiße Liljen, lichtumflossen.

  • Der Ritter versucht noch einmal, die junge Frau von ihren Vorurteilen abzulenken.

(12)

Weiße Liljen, lichtumflossen,
Blicken nach den Sternen droben. –
Aber sage mir Geliebte,
Hast du auch nicht falsch geschworen?

  • Dann die überraschende Frage, ob die junge Frau nicht einen falschen Schwur geleistet hat.
  • Es gibt also hier doch irgendeine Art von Vorgeschichte.

(13)

»Falsch ist nicht in mir, Geliebter,
Wie in meiner Brust kein Tropfen
Blut ist von dem Blut der Mohren
Und des schmutzgen Judenvolkes.«

  • Jetzt wird es langsam peinlich, denn die junge Frau lässt keine Gelegenheit aus, das, was sie sagen will, mit ihren Vorurteilen zu verknüpfen.

(14)

Lass die Mohren und die Juden,
Spricht der Ritter, freundlich kosend;
Und nach einer Myrtenlaube
Führt er die Alkadentochter.

  • Der Ritter bleibt bei seiner Strategie und führt jetzt die Geliebte zu einer Laube.
  • Als Leser geht man davon aus, dass die Intensität der gegenseitigen Liebesbezeugung dort wahrscheinlich noch stärker wird.

(15)

Mit den weichen Liebesnetzen
Hat er heimlich sie umflochten;
Kurze Worte, lange Küsse,
Und die Herzen überflossen.

  • Genauso kommt es. Das Gedicht macht auf die knappestmögliche Weise deutlich, dass jetzt von Worten zu Taten in der Liebe übergegangen wird.
  • Am Ende wird klar, dass beide an dieser Liebesbeziehung beteiligt sind und sie offensichtlich glücklich sind.

(16)

Wie ein schmelzend süßes Brautlied
Singt die Nachtigall, die holde;
Wie zum Fackeltanze hüpfen
Feuerwürmchen auf dem Boden.

  • Diese Strophe geht jetzt auf die Umgebung ein. Die Natur soll wohl das Liebesglück untermalen.

(17)

In der Laube wird es stiller,
Und man hört nur, wie verstohlen,
Das Geflüster kluger Myrten
Und der Blumen Atemholen.

  • In dieser Strophe dann die Beschreibung einer kurzen Pause in den Aktivitäten. Auch hier untermalt die Natur das Liebesglück.

(18)

Aber Pauken und Trommeten
Schallen plötzlich aus dem Schlosse,
Und erwachend hat sich Clara
Aus des Ritters Arm gezogen.

  • Dann wird es Liebesglück gestört,, weil plötzlich im Schloss Lärm entsteht.
  • Heine verwendet hier möglicherweise bewusst eine sprichwörtliche Wendun: „mit pauken und Trompeten“, was meistens auf etwas Negatives hinausläuft?

(19)

»Horch, da ruft es mich, Geliebter;
Doch, bevor wir scheiden, sollst du
Nennen deinen lieben Namen,
Den du mir so lang verborgen.«

  • Offensichtlich ist das Paar aber nicht direkt in Gefahr, allerdings muss die Frau jetzt ins Schloss zurück.
  • Sie will am Ende aber noch den Namen des Ritters erfahren.

(20)

Und der Ritter, heiter lächelnd,
Küsst die Finger seiner Donna,
Küsst die Lippen und die Stirne,
Und er spricht zuletzt die Worte:

  • Dann eine geschickt eingesetzte Verzögerung, bevor die Antwort gegeben wird.

(21)

Ich, Sennora, Eur Geliebter,
Bin der Sohn des vielbelobten,
Großen, schriftgelehrten Rabbi
Israel von Saragossa.

  • Dann der Paukenschlag: der Ritter bekenntihr, dass er der Sohn eines jüdischen Gelehrten ist.

Anmerkung zum Schluss:

An dieser Stelle endet die Ballade. Sie hat damit ein extrem offenes Ende. Denn alles hängt jetzt davon ab, wie die junge Dame auf diese Eröffnung reagiert und wie der Ritter, insgesamt mit dieser Situation umgeht.

Es spricht aber wohl alles dafür, dass er diese Frau trotz ihrer Vorurteile liebt. Alles hängt jetzt davon ab, ob ihre Liebe größer ist und sie bereit ist, ihre Meinung zu ändern.

Was dabei natürlich wichtig ist, ist die allgemeine Situation im Land. Offensichtlich werden Juden zu der Zeit noch nicht verfolgt, denn sonst hätte kein Jude Ritter werden können. Am besten geht man davon aus, dass es in Spanien eine Zeit gab vor der Rückeroberung durch die Reconquista, in der muslimische Mauren, Christen und Juden friedlich zusammenlebten. Darüber ließe sich gut eine Recherche anstellen, mit einem Referat am Ende.

Wenn man davon ausgeht, dass zur Zeit dieser Ballade die Mauren in Spanien herrschen, ist es umso erstaunlicher, dass die Vertreterin einer Nicht-Führungsgruppe hier solche Vorurteile hat gegenüber einer anderen. Damit hätte der Ritter auch einen guten Ansatz für eine Reaktion – nach dem Motto: Sollten wir als Nicht-Muslime nicht lieber zusammenhalten?

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