Ideen für die Inszenierung einer Dramenszene im Deutschunterricht

Das Vorspielen von Szenen als Motivationsschub im Deutschunterricht

Eine gute Idee ist es sicherlich, das Interesse von Schülern an einer Dramenlektüre dadurch zu steigern, dass sie eine Szene inszenieren.

Dabei kommt es nicht so sehr darauf an, dass große Teile des Textes auswendig gelernt werden müssen. Vielmehr reicht es, wenn man sich intensiv mit den einzelnen Figuren und ihren Sprechsituationen auseinandergesetzt hat. Ob man am Ende noch etwas vom Blatt abliest oder nicht, ist dabei für eine vertiefte Annäherung an den Text zweitrangig.

Auch kann es sinnvoll sein, eine lange Szene zu kürzen und auch an der einen oder anderen Stelle sprachlich zu modernisieren.

Wichtig ist, dass der ursprüngliche Gehalt und die Aussage der Szene (Intentionalität) erhalten bleiben.

Natürlich kann man das Ganze auch im Sinne von Brechts Epischem Theater kritisch kommentieren.

Zum Beispiel können Anmerkungen zu besonders interessanten Stellen der Kommunikation in der Szene sehr hilfreich sein und auch ein anschließendes Gespräch zwischen den Schauspielern und den Zuschauern erleichtern.

Beispiel: Überlegungen zum „Vorspielen“ von zwei Dramenszenen

Als Basis nehmen wir mal die genauere Vorstellung zweier Szenen aus Lessings Drama „Emilia Galotti“:

Die folgenden Informationen stammen von dieser Seite:

https://schnell-durchblicken.de/emilia-galotti-akt-3u4-inhalt-zitate-anmerkungen

Dies schon mal als Anregung.

Klärung des Kontextes der Szene

Als erstes muss man sich natürlich den Kontext und besonders die Voraussetzungen der Szenen klarmachen.

Hier helfen entsprechende Übersichten, wie sie z.B. in den folgenden Videos vorliegen:

Lessing, „Emilia Galotti“ – Akt 4 – Textkenntnis in 12 Minuten plus Ausflug zu Kleists „Penthesilea“
Videolink

Klärung der Entwicklung des Konflikts in der Szene und ihrer Aussagen:

Das kann man auch schon der folgenden Übersicht entnehmen.

Klärung des Ziels, des Umfangs und der Akzentsetzung

  1. Als erstes muss natürlich geklärt werden, was die kleine „Inszenierung“ vor den Mitschülern leisten soll. Natürlich kann man eine Szene modernisieren oder sogar karikieren. Aber das sollte nicht der erste Zugang sein. Denn erst mal geht es darum, ein möglichst gutes Verständnis des Textes sichtbar zu machen – und zwar nicht auf dem Weg der Analyse, sondern des verstehenden Spiels.
  2. Dann muss man sich gemeinsam überlegen, inwieweit die Szene vielleicht gekürzt werden könnte und welche Akzente man setzen will.
  3. Was soll besonders betont, was hinterfragt und zur Diskussion gestellt werden.
  4. Inwieweit will man mit der eigenen „Inszenierung“ auch besondere Interpretationsrichtungen ansteuern?
  5. Emilia Galotti, IV,1

„Emilia Galotti“, IV,1: Der Prinz und Marinelli tauschen sich über den Stand der Dinge aus

Der Wortlaut des Textes wird zum Beispiel hier zur Verfügung gestellt und kann dann leicht für die Inszenierung bearbeitet werden:

https://www.projekt-gutenberg.org/lessing/galotti/chap005.html

  • Marinelli und der Prinz sprechen über den Zorn von Emilias Mutter. Marinelli versucht den Prinzen zu beruhigen, indem er behauptet, die Mutter sei bei seinem Anblick beeindruckt gewesen und still geworden. Der Prinz akzeptiert diese Erklärung aber nicht, sondern sieht den Grund für das Ende des Ausbruchs in der mitleidigen Umarmung der verzweifelten Tochter.
  • Tipp: Dieser Teil, in dem es um die Mutter geht, könnte weggelassen werden, wenn man sich auf ganz wichtige Dinge konzentrieren will. Außerdem sollte das vorspielen vor den anderen Kursteilnehmern auch nicht zu lange dauern.
  •  Was den Tod des Grafen angeht, macht der Prinz zunächst Marinelli Vorwürfe, Der verteidigt sich aber mit dem Hinweis, dass angesichts seiner Duellforderung der Tod des Grafen gar nicht in seinem Interesse habe liegen können.
  • Tipp:  Hier ist es wichtig, dass die Situation deutlich wird, d.h. vor allem die unterschiedlichen Rollen von Fürst und Ratgeber und die damit verbunden unterschiedlichen Interessen. Man könnte überlegen, wie man deutlich macht, dass dieser Verteidigungsversuch von Marinelli natürlich ziemlich schwach ist. Denn er reduziert damit nur ein mögliches Motiv, ändert aber nichts an den tödlichen Folgen wer von Ihnen zu verantwortenden  Aktion. Das könnte zum Beispiel durch ein kommentieren das Plakat im Hintergrund deutlich gemacht werden, was eine Inszenierung im Sinne des „Epischen Theaters“ von Bertolt Brecht deutlich machen würde.
  • Endgültig hat sich Marinelli aus der Schusslinie gebracht, als er den Prinzen darauf hinweist, dass erst seine Attacke auf Emilia in der Kirche ihn überhaupt in Verdacht gebracht hat.
  • Zitat: Der Prinz: „Auch ich erschrecke vor einem kleinen Verbrechen nicht. Nur, guter Freund, muss es ein kleines stilles Verbrechen, ein kleines heilsames Verbrechen sein.“ (56)
  • Daraufhin Marinelli: „Da ich die Sache übernahm, nicht wahr, da wusste Emilia von der Liebe des Prinzen noch nichts? Emilias Mutter noch weniger. Wenn ich nur auf diesen Umstand baute? Und der Prinz indes den Grund meines Gebäudes untergrub?“ (56)
  • „Der Prinz (sich vor die Stirn schlagen). Verwünscht!“ (56)
  • Tipp: Diese Stelle kann vor allem körpersprachlich gut unterstrichen werden.

„Emilia Galotti“: IV,3

IV,3: Die Gräfin Orsina setzt deutliche Akzente für die Frauen und gegen den angeblichen „Zufall“

Der Wortlaut des Textes wird zum Beispiel hier zur Verfügung gestellt und kann dann leicht für die Inszenierung bearbeitet werden:

https://www.projekt-gutenberg.org/lessing/galotti/chap005.html

  • Die Gräfin ist empört, dass sie nicht so freundlich empfangen wird wie sonst.
  • Gegenüber Marinelli verweist sie auf den Brief, in dem sie um ein Treffen mit dem Prinzen in seinem Lustschloss gebeten hat.
  • Dann hat sie von seiner Fahrt dorthin gehört und glaubt nun, dass das ihr gilt.
  • Für Marinelli ist das ein „sonderbarer Zufall“.
  • Für die Gräfin nicht, sie will zum Prinzen in das Zimmer, aus dem sie „weibliches Gekreusche“ gehört hat. Gemeint ist das wütende Schreien der Mutter.
  • Als Marinelli darauf verweist, dass der Prinz den Brief nicht einmal gelesen hat, meint die Gräfin „Verachtung! Verachtung! Mich verachtet man auch! mich! – (Gelinder, bis zum Tone der Schwermut.) „Freilich liebt er mich nicht mehr. Das ist ausgemacht. Und an die Stelle der Liebe trat in seiner Seele etwas anders. Das ist natürlich. Aber warum denn eben Verachtung? Es braucht ja nur Gleichgültigkeit zu sein.“
  • Tipp: Das ist natürlich eine Kernstelle. Etwas schwierig wird es dadurch, dass Marinelli noch in der Nähe ist, denn eigentlich eignet sich eine solche Offenbarung des eigenen Denkens mehr für den Monolog. Eine Idee wäre, Marinelli kurz unter einem Vorwand hinausgehen zu lassen.
  • Dann äußert die Gräfin sich geradezu „höhnisch“ gegenüber Marinelli, den sie „ein nachplauderndes Hofmännchen“ nennt,
  • Dann nimmt sie Partei für jedes „Frauenzimmer, das denket“. „Lachen soll es, nichts als lachen, um immerdar den gestrengen Herrn der Schöpfung bei guter Laune zu erhalten.“
  • Dann setzt sie sich kritisch mit dem angeblichen „Zufall“ ihrer Anwesenheit auseinander: „das Wort Zufall ist Gotteslästerung. Nichts unter der Sonne ist Zufall; – am wenigsten das, wovon die Absicht so klar in die Augen leuchtet.“
  • Tipp: Diese etwas komplizierte Passage könnte weggelassen werden, um die anderen Elemente deutlicher hervortreten zu lassen.
  • Dann verlangt sie mit aller Entschiedenheit, mit dem Prinzen sprechen zu können.
  • Anmerkung: Diese Szene ist besonders interessant, weil die Gräfin sich hier schon fast im Stil des Sturm und Drang äußert, vergleichbar der entsprechenden Szene der Lady Milford in Schillers „Kabale und Liebe“. Auch dort distanziert sich jemand von der höfischen Welt – so wie es in dieser Szene die Gräfin mit dem Hofmann Marinelli macht.“
  • Interessant ist auch die Äußerung zum „Zufall“, die man mit Dürrenmatts Sicht darauf vergleichen kann, wie er sie in „Die Physiker“ zeigt.

Weiterführende Hinweise