Beispiel: Klärung der Voraussetzungen am Abstimmungs-Szene in „Der Besuch der alten Dame“ (Mat248)

Worum es hier geht:

Hier wird beispielhaft mit Hilfe eines Schaubildes gezeigt, wie man bei der Analyse einer Dramen-Szene die Voraussetzungen klärt.

Dabei geht es um die Frage: Welchen Stand hat der Konflikt erreicht, der jetzt in der neuen Szene weiterentwickelt wird.

Wichtig ist, dass nicht einfach „erzählt“ wird, was bisher geschah, sondern genau die „Momente“ präsentiert werden, die die aktuelle Szene bestimmen.

 

Erklärung des Schaubildes:

  1. Es beginnt ganz oben links mit der Vorfreude der Güllener, die glauben, da kommt ein Milliardärin, die nun auch ihrem Ort eine neue Chance geben wird.
  2. Es folgt der Schock, nämlich die unmoralische Forderung, einen Mitbürger zu töten, um an das Geld zu kommen.
  3. Die Antwort darauf ist einhellige Empörung – aber auch die drohende Ankündigung der Milliardärin: „Ich warte“. Sie scheint die Menschen zu kennen.
  4. Es folgt als vorläufiger Tiefpunkt die neue Kauf-Lust der Bürger, die sich damit verschulden und den Tod Ills „brauchen“. Dazu kommt auf einer zweiten Ebene die Distanzierung der Einflussreichen im Ort von ihren Pflichten. Nur der Pfarrer zeigt ein bisschen Menschlichkeit und rät Ill zur Flucht.
  5. Hier fehlt noch ein Hinweis darauf, dass diese Flucht entweder am Widerstand der Mitbürger scheitert oder aber an der Unentschlossenheit Ills, der weiß, dass bei dieser mächtigen und erbarmungslosen Frau auch eine Flucht nach Australien nicht hilft.
  6. Danach gibt es zwei Versuche des Lehrers, aus dem moralischen Dilemma herauszukommen: Die ökonomische Variante scheitert an der Vorausschau der Milliardärin, die alle schon heimlich aufgekauft und erst dadurch in den Ruin getrieben hat.
  7. Auch der Versuch eines moralischen Aufrufs scheitert am Desinteresse, ja am Widerstand der anderen Güllener – allerdings kommt ein neues Element hinzu, nämlich die Schuld-Einsicht Ills, der bereit ist, sein Schicksal anzunehmen.
  8. Die zunehmende moralische Überlegenheit Ills zeigt sich dann in seiner Ablehnung des „Selbstmord-Angebots“ des Bürgermeisters. Hier wird erstmals ganz deutlich, dass Ill nach seiner eigenen Entscheidung nun auch die Verantwortung an seine Mitbürger weitergibt. Die haben ja schließlich alle mitgemacht bei der Vertreibung der jungen Klara.
  9. Direkt vor der zu analysierenden Stelle hat der Lehrer die angekündigte Lügen-Rede gehalten – alle anderen haben geschwiegen – Ill ist auf seiner Linie geblieben: Annahme des Urteils, aber auch Weitergabe der Verantwortung.
  10. Am Ende stehen die Erwartungen und Fragen des Lesers bzw. Zuschauers an die zu analysierende Szene: Wie wird die Abstimmung ausfallen? Wie wird Ill reagieren? Wie wird die Forderung der Milliardärin erfüllt werden? Man könnte noch ergänzen: Wie wird Dürrenmatt den Fall in seinem fiktiven Spiel zu Ende bringen – wird es einen Kommentar o.ä. geben? Dieses Element ist mit Absicht nach rechts offengehalten worden, weil hier natürlich die Individualität der Leser/Zuschauer stark ins Spiel kommt.

Hier zunächst der Download des Bildes

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Mat248-SB Konfliktstand
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Hier nun auch noch der Download eines Arbeitsblattes, das das Bild und die Erklärung enthält

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