Lars Krüsand, „Der Held“ – oder die Frage, wie man so etwas aus Versehen wird … (Mat7111)

In dieser Geschichte geht es um einen Helden, der überhaupt keiner ist, sondern eher durch Zufall in die Rolle hineingerutscht ist.

Er hat dann auch einige Probleme damit und kommt auch schwer wieder aus aus der Nummer heraus.

Am Ende gelingt es ihm zwar, aber auf eine Weise, die viele Fragen und Diskussionen auslösen dürfte.

Zunächst eine Seite nur mit Text und Aufgaben:
Mat162S-Kurzgeschichte Der Held mW
Dann eine Seite, auf der auch Hinweise zur Lösung gegeben werden:

Hier nun der Text für den schnellen Einblick:

Aufgabenstellung:
1. Verfasse zu der unten abgedruckten Geschichte eine Inhaltsangabe.
2. Erläutere, inwiefern und inwieweit es sich um eine Kurzgeschichte handelt.
3. Erkläre, was „innere Handlung“ ist und zeige, wo es sie in dieser Geschichte
gibt (mit Zeilenangabe).
4. Was zeigt die Geschichte? (Hier gibt es möglicherweise mehrere
Antworten!)
5. Wie könnte die Geschichte weitergehen?
6. Wie beurteilst du Jans Verhalten gegenüber dem Lehrer, als er statt Tim die
Verantwortung für den Vorfall übernimmt?
Lars Krüsand,
Der Held
Irgendwie war sie ausgerutscht, jedenfalls lag Lara in einem Eisloch und schrie
wie am Spieß. In ihrem Anorak war wohl noch genug Luft, so ging sie nicht
gleich unter. Jan überlegte, ob er sie nicht rausziehen sollte, aber sie war über
einen Meter entfernt und er hätte sich noch weiter von der sicheren Böschung
des Sees entfernen müssen. Er beschloss Hilfe zu holen. Während er sich
umdrehte, rutschte auch er aus, weil noch mehr Eisflächen abbrachen.
Glücklicherweise bekam er einen Ast zu packen, aber der brach und so lagen sie
beide im Wasser, das erbärmliche Stückchen Holz war nicht mehr als eine
Brücke über den Abgrund, der ihnen aber nicht viel half. Jan strampelte nach
dem ersten Schrecken noch wie wild, als er sich am Arm gepackt fühlte, es war
einer der beiden Angler, die an diesem See häufig ihr Glück versuchten. Er lag
bäuchlings auf dem noch einigermaßen sicheren Eis, während der andere ihn an
den Beinen festhielt. Inzwischen war auch Herr Konjak, ihr Klassenlehrer,
herangekommen, der mit den anderen aus der Klasse sich an einem kleinen
Lagerfeuer aufwärmte. Warum hatten sie sich auch von der Gruppe entfernt? Er
hätte Lara doch auch später sagen können, dass er gerne mit ihr am nächsten
Wochenende ins Kino gehen würde. Während Jan schon das Schlimmste
befürchtete, als sie endlich wieder sicheren Boden unter den Füßen hatten und
einigermaßen durch herbeigeholte Jacken gewärmt wurden, spürte Jan plötzlich
ein anerkennendes Klopfen auf der Schulter: “Mann, Junge, wenn du die Idee
mit dem Ast nicht gehabt hättest, Lara läge jetzt vielleicht schon unter dem Eis –
aus und vorbei – schrecklich – nicht auszudenken – wie hätte ich das ihrer Mutter
erklären sollen?!! Inzwischen waren auch die anderen Mitschüler
herangekommen und staunten. Jan galt allgemein als Feigling, eher in Bücher
verliebt als in große Taten. Aber jetzt – ein Lebensretter – unglaublich.
Kurze Zeit später lagen die beiden im Krankenwagen – noch ein bisschen später
in warmen Betten, leider getrennt. Lara hatte die ganze Zeit nur geweint und
lange noch gezittert. Umso mehr hatte er jetzt Zeit zum Nachdenken. Sollte er
die Wahrheit sagen, dass es eigentlich nur Zufall war, dass er mit ins Wasser gestürzt war und dabei diesen verdammten Ast mitgerissen hatte? Er beschloss
erst mal abzuwarten.
Am Tag drauf waren sie wieder in der Schule – und es gab nur ein Thema: Jans
Heldentat. Der fühlte sich wie auf einer schiefen Ebene. Einmal falsch
abgebogen – nein, noch schlimmer, gar nichts getan. Schon ist man auf einem
Weg, der einen immer mehr vom sicheren Hafen der Wahrheit wegführt, immer
weiter auf ein Meer voller Ungewissheiten hinaus.
Schwierig wurde es dann für Jan in der Schwimmstunde am selben Tag. Bisher
hatte er sich immer stark zurückgehalten, war allenfalls mal vorsichtig vom
Einer-Brett gesprungen. Heute aber wurde sogar der Fünfer-Turm aufgemacht –
und schon richteten sich alle Augen auf ihn: “Na, Jan, jetzt, wo wir deine
wahren Fähigkeiten kennen …,” meinte Tim, der eindeutige Meinungsführer in
der Klasse. Etwas Unsicherheit war in seiner Stimme. Einerseits konnte er nicht
glauben, dass jemand sein Heldentum bisher so erfolgreich im Verborgenen
gehalten hatte, andererseits wusste er, dass es solche Menschen gab, die erst in
besonderen Situationen zeigen, was sie draufhaben. Mit dem Sprung wurde es
dann nichts, Jan war rechtzeitig ausgerutscht und hielt sich tapfer lächelnd den
Knöchel. Den Rest der Stunde verbrachte er auf der Bank.
Am nächsten Tag blieb er zu Hause, das notwendige Humpeln hatte er schnell
gelernt – nur die Schwellung war schwer herzustellen, aber zumindest eine
ausreichende Rötung hielt er gut am Leben. So hatte er immer was zum
Vorzeigen.
Am dritten Tag danach ging er wieder zur Schule. Die Stimmung war
inzwischen etwas gekippt. Hatte Lara geredet? Sie hatte sicher gemerkt, dass er
nur hilflos hinter ihr im Wasser herumgezappelt war, statt sich um sie zu
kümmern. Richtig festgekrallt hatte er sich mit der einen Hand in ihrem Haar –
er konnte sich noch an den zusätzlichen Schmerzensschrei erinnern. Jedenfalls
guckten alle etwas seltsam – aber vielleicht kam ihm das auch nur so vor.
Dann aber kam seine Chance: Die Jungs machten hinter dem Rücken von Dr.
Koch mal wieder Unsinn, Tim, der vor ihm saß, schmiss dabei sogar ein
wertvolles Glas mit einer Messapparatur vom Tisch. Kaum hatte der Lehrer sich
umgedreht und gesehen, dass Tim versuchte, die Scherben aufzulesen, als er
völlig außer sich schrie: “Jetzt reicht es, jetzt ist Schluss, gleich gehe ich mit dir
zum …” Es war ein spontaner Entschluss gewesen. Jan meldete sich: “Tut mir
leid, Herr Dr. Koch, aber ich war es. Mein Etui wäre fast heruntergefallen – und
da habe ich zu schnell zugegriffen und dann ist das Glas gefallen.”
In der Pause kam Tim zu ihm, klopfte ihm auch auf die Schulter und sagte nur
leise: “Danke, du bist wirklich ein Held.”

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