Klausur zum Schlussteil des 5. Kapitels aus Fontane, „Irrungen, Wirrungen“ (Mat7194)

Aufgabenstellung:

  1. Analysieren Sie den unten abgedruckten Textauszug aus dem 5. Kapitel von Fontanes Roman „Irrungen, Wirrungen“, indem Sie
    1. den Auszug zunächst kurz vorstellen (Textsorte, Ort im Roman, Verfasser, Thema),
    2. dann die Voraussetzungen klären (Was muss man wissen, um diesen Abschnitt verstehen zu können),
    3. ihn dann in Erzählabschnitte einteilen und diese im Hinblick auf die Beziehung zwischen Lene und Botho auswerten,
    4. schließlich zusammenfassend beschreiben, was der Textauszug deutlich macht,
    5. schließlich einige sprachlich-rhetorische Mittel aufzeigen, die diese Aussagen unterstreichen.
  2. Nehmen Sie Stellung zur aktuellen Lage der Perspektive und zu den Perspektiven.
    Bleiben Sie dabei im Verständnis eines Lesers/einer Leserin, der/die den Roman nur bis zu diesem Abschnitt gelesen hat.

Hier zunächst eine Vorschau, dann der Textauszug und ganz unten eine PDF-Vorlage

Auszug
aus dem Schlussteils des Kapitels von Fontanes Roman „Irrungen, Wirrungen“

So vergingen ihr Minuten, schweigend und glücklich, und erst als sie sich wie von einem Traume, der sich doch nicht festhalten ließ, wieder aufrichtete, sagte sie: »Woran hast du gedacht? Aber du mußt mir die Wahrheit sagen.«

»Woran ich dachte, Lene? Ja, fast schäm ich mich, es zu sagen. Ich hatte sentimentale Gedanken und dachte nach Haus hin an unsren Küchengarten in Schloß Zehden, der genauso daliegt wie dieser Dörrsche, dieselben Salatbeete mit Kirschbäumen dazwischen, und ich möchte wetten, auch ebenso viele Meisenkästen. Und auch die Spargelbeete liefen so hin. Und dazwischen ging ich mit meiner Mutter, und wenn sie guter Laune war, gab sie mir das Messer und erlaubte, daß ich ihr half. Aber weh mir, wenn ich ungeschickt war und die Spargelstange zu lang oder zu kurz abstach. Meine Mutter hatte eine rasche Hand.«

»Glaub’s. Und mir ist immer, als ob ich Furcht vor ihr haben müßte.«

»Furcht? Wie das? Warum, Lene?«

Lene lachte herzlich, und doch war eine Spur von Gezwungenheit darin. »Du mußt nicht gleich denken, daß ich vorhabe, mich bei der Gnädigen melden zu lassen, und darfst es nicht anders nehmen, als ob ich gesagt hätte, ich fürchte mich vor[33] der Kaiserin. Würdest du deshalb denken, daß ich zu Hofe wollte? Nein, ängstige dich nicht; ich verklage dich nicht.«

»Nein, das tust du nicht. Dazu bist du viel zu stolz und eigentlich eine kleine Demokratin und ringst dir jedes freundliche Wort nur so von der Seele. Hab ich recht? Aber wie’s auch sei, mache dir auf gut Glück hin ein Bild von meiner Mutter. Wie sieht sie aus?«

»Genauso wie du: groß und schlank und blauäugig und blond.«

»Arme Lene« (und das Lachen war diesmal auf seiner Seite), »da hast du fehlgeschossen. Meine Mutter ist eine kleine Frau mit lebhaften schwarzen Augen und einer großen Nase.«

»Glaub es nicht. Das ist nicht möglich.«

»Und ist doch so. Du mußt nämlich bedenken, daß ich auch einen Vater habe. Aber das fällt euch nie ein. Ihr denkt immer, ihr seid die Hauptsache. Und nun sage mir noch etwas über den Charakter meiner Mutter. Aber rate besser.«

»Ich denke mir sie sehr besorgt um das Glück ihrer Kinder.«

»Getroffen…«

»…Und daß all ihre Kinder reiche, das heißt sehr reiche Partien machen. Und ich weiß auch, wen sie für dich in Bereitschaft hält.«

»Eine Unglückliche, die du…«

»Wie du mich verkennst. Glaube mir, daß ich dich habe, diese Stunde habe, das ist mein Glück. Was daraus wird, das kümmert mich nicht. Eines Tages bist du weggeflogen…«

Er schüttelte den Kopf.

»Schüttle nicht den Kopf; es ist so, wie ich sage. Du liebst mich und bist mir treu, wenigstens bin ich in meiner Liebe kindisch und eitel genug, es mir einzubilden. Aber wegfliegen wirst du, das seh ich klar und gewiß. Du wirst es müssen. Es heißt immer, die Liebe mache blind, aber sie macht auch hell und fernsichtig.«

»Ach, Lene, du weißt gar nicht, wie lieb ich dich habe.«

»Doch, ich weiß es. Und weiß auch, daß du deine Lene für was Besondres hältst und jeden Tag denkst, ›wenn sie doch[34] eine Gräfin wäre‹. Damit ist es nun aber zu spät, das bring ich nicht mehr zuwege. Du liebst mich und bist schwach. Daran ist nichts zu ändern. Alle schönen Männer sind schwach, und der Stärkre beherrscht sie… Und der Stärkre… ja, wer ist dieser Stärkre? Nun entweder ist’s deine Mutter oder das Gerede der Menschen oder die Verhältnisse. Oder vielleicht alles drei… Aber sieh nur.«

Und sie wies nach dem »Zoologischen« hinüber, aus dessen Baum- und Blätterdunkel eben eine Rakete zischend in die Luft fuhr und mit einem Puff in zahllose Schwärmer zerstob. Eine zweite folgte der ersten, und so ging es weiter, als ob sie sich jagen und überholen wollten, bis es mit einem Male vorbei war und die Gebüsche drüben in einem grünen und roten Lichte zu glühen anfingen. Ein paar Vögel in ihren Käfigen kreischten dazwischen, und dann fiel nach einer langen Pause die Musik wieder ein.

»Weißt du, Botho, wenn ich dich nun so nehmen und mit dir die Lästerallee drüben auf und ab schreiten könnte, so sicher wie hier zwischen den Buchsbaumrabatten, und könnte jedem sagen: ›Ja, wundert euch nur, er ist er und ich bin ich, und er liebt mich und ich liebe ihn‹ – ja, Botho, was glaubst du wohl, was ich dafür gäbe? Aber rate nicht, du rätst es doch nicht. Ihr kennt ja nur euch und euren Club und euer Leben. Ach, das arme bißchen Leben.«

»Sprich nicht so, Lene.«

»Warum nicht? Man muß allem ehrlich ins Gesicht sehn und sich nichts weismachen lassen und vor allem sich selber nichts weismachen. Aber es wird kalt, und drüben ist es auch vorbei. Das ist das Schlußstück, das sie jetzt spielen. Komm, wir wollen uns drin an den Herd setzen, das Feuer wird noch nicht aus sein, und die Alte ist längst zu Bett.«

Druckvorlage
Mat7194 Klausur Irrungen, Wirrungen, Schluss von Kapitel 5

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