Klausur zur Frage der Erinnerungskultur im Roman „Heimsuchung“ (Mat8630-kle)

Beispiel für einen Sachtext zum Thema Erinnerungskultur – mit Bezug auf den Roman „Heimsuchung“

Mat8630-kle Klausur zur Erinnerungskultur im Roman Heimsuchung

Aufgabe:

  1. Arbeiten Sie aus dem Text die Position des Verfassers heraus. Berücksichtigen Sie dabei Schlüsselelemente seiner Argumentation.
  2. Nehmen Sie ausgehend vom Text selbst Stellung zur Frage, inwiefern und inwieweit der Roman „Heimsuchung“ einen Beitrag zur Erinnerungskultur leistet.

Karel Liebernich

Ein Roman schafft eine Erinnerung, die es so noch nicht gab

 

Erinnerungskultur gehört seit vielen Jahren zu den zentralen Themenfeldern im Deutschunterricht, weil sie einen verantwortungsvollen Umgang mit der deutschen Geschichte ermöglicht. Literatur spielt dabei eine besondere Rolle, denn sie erlaubt es, historische Erfahrungen aus individuellen Perspektiven nachzuzeichnen – auch wenn sie sich damit zwangsläufig Einwänden aussetzt. So war es etwa bei Bernhard Schlinks Roman Der Vorleser: Dort konnte irritieren, dass eine NS-Täterin durch ihre persönliche Vorgeschichte in Teilen verständlich gemacht wurde. Es stellt sich die Frage, ob der Analphabetismus der Figur tatsächlich als mildernder Aspekt gelesen werden darf oder ob dadurch nicht ungewollt Entlastung entsteht.

Vor diesem Hintergrund wirkt die Zurückhaltung, mit der Jenny Erpenbeck in Heimsuchung das Thema der Judenverfolgung anfasst, bemerkenswert. Sie konzentriert sich auf das, was im Zusammenhang mit dem Wechsel der Bewohner eines Hauses über das Schicksal einer jüdischen Familie rekonstruierbar ist. Die distanzierte Erzählsachlichkeit, mit der der Tod eines Mädchens im Gaswagen oder eine Erschießung geschildert wird, kann Erschrecken auslösen – und gerade dadurch Nachdenklichkeit erzeugen. Genau diese neue Form der Wahrnehmung kann für eine lebendige Erinnerungskultur bedeutsam sein.

Daneben macht der Roman darauf aufmerksam, wie bürokratische Zufälle über Leben und Tod entschieden. Besonders eindrucksvoll ist die Darstellung, wie die jüdische Familie knapp an einer Ausreise scheitert oder wie der beschlagnahmte Besitz versteigert wird – ein „Vorhof der Hölle“, der die Mechanismen gesellschaftlicher Teilhabe und Ausgrenzung erkennbar macht.

Auch im Umfeld des Architekten wird deutlich, wie eng persönliche Beziehungen in das NS-Herrschaftssystem hineinreichen konnten. Alltägliche Gespräche über die vermeintliche Schwierigkeit, „arische“ Deutsche für bestimmte Rollen zu finden, verweisen auf eine Normalisierung der Unmenschlichkeit, die der Roman literarisch eindringlich sichtbar macht.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass Heimsuchung durch seine Themen, seine Figuren und seine besondere Erzählweise einen bedeutenden Beitrag zur literarischen Erinnerungskultur leistet. Der Roman verbindet historische Detailgenauigkeit mit ästhetischer Zurückhaltung und eröffnet damit einen Raum, in dem Leserinnen und Leser reflektiert über deutsche Geschichte und Verantwortung nachdenken können.

aus: Durchblicke bis auf Widerruf – Online-Zeitschrift für Schule und Studium – 12/2025

Weitere Infos, Tipps und Materialien

siehe die Themenseite

Infos, Tipps und Materialien zum Roman „Heimsuchung“ von Jenny Erpenbeck
https://schnell-durchblicken.de/themenseite-heimsuchung
—

Themenseite – Teil 1: Infos, Tipps und Materialien zum Einstieg:
Dazu sind vor allem die Videos hilfreich, die wir auf dieser Seite präsentieren.
https://schnell-durchblicken.de/roman-heimsuchung-tipps-und-hilfen-zum-einstieg
—
Themenseite – Teil 2: Materialien zu den Figuren mit ihren Themen
https://schnell-durchblicken.de/roman-heimsuchung-figuren-mit-ihren-themen
—

Themenseite – Teil 3: Materialien zu verschiedenen Aspekten der Interpration
https://schnell-durchblicken.de/roman-heimsuchung-aspekte-der-interpretation
—

Themenseite – Teil 4: Vorbereitung von Klausuren und Prüfungen
https://schnell-durchblicken.de/roman-heimsuchung-vorbereitung-klausuren
—

Tipps und Materialien zu weiteren Themen des Deutschunterrichts
https://textaussage.de/weitere-infos

—