1.  Zur Bedeutung der Axiome von Watzlawick

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Mat1817 2020-09-18 Kuv Die fünf Axiome von Watzlawick Heiratsantrag

Der Einstieg ins Thema

  • Im Deutschunterricht ist Kommunikation ein wichtiges Thema.
  • Besonders wichtig ist dabei ein Herr Watzlawick.
  • Der hat nämlich 5 Axiome in die Welt gesetzt.
    https://www.paulwatzlawick.de/axiome.html
  • Axiome = sind Ausgangspunkte, die nicht mehr hinterfragt werden können. Die setzt man einfach – und dann baut man was darauf auf.
  • Wir spielen diese fünf Grundbausteine mal am Beispiel eines Heiratsantrags durch

Unser Weg zum 1. Axiom: „Man kann nicht nicht kommunizieren!“

  • Ein Paar ist schon längere Zeit zusammen – und dann kommt es eines Abends zu dieser Szene, die im Leben von Menschen eine so große Rolle spielt.
  • Partner 1: Heiratsantrag: “Willst du mich heiraten?”
  • Partner 2: Schweigen oder nur Zögern = sagt viel aus oder wird zumindest so verstanden.Watzlawick: 1. Axiom:
    “Man kann nicht nicht kommunizieren.”Jeder kann sich hier mal eigene Beispiele ausdenken:
    Lehrer: Kommen wir zur Hausaufgabe!
    Blickt herum = auch Kommunikation
    Wegducken kann auch als Antwort verstanden werden.

Unser Weg zum 2. Axiom: „Inhalts- und Beziehungsaspekt“

  • Was ist da eigentlich passiert, wenn der angesprochene Partner zögert oder schweigt?

Inhaltlich ist doch alles ganz einfach: Ja oder Nein!

  • Aber der zögernde oder schweigende Partner kennt auch sein Gegenüber:
    • möchte ihn nicht verletzten
    • oder fürchtet einen Ausbruch.

Das zeigt, Watzlawick hat Recht mit seinem 2. Axiom:

“Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt.”

Eigene Beispiele für das Nebeneinander von Inhalt und Beziehung:

  • Inhaltlich: Kannst du mir das Geld leihen?
  • Beziehung: Freundschaft, da ist eine Ablehnung schwieriger als bei anderen Leuten.

Unser Weg zum 3. Axiom: „Ursache und Wirkung“

  • Nehmen wir mal an, wir sehen diese Situation in einem Film, der zufällig beim Einschalten des Fernsehers an der Stelle ist.
  • Wir schalten um zu einem anderen Programm.
  • Später denkt man drüber nach:
  • Warum hat Partner 2 gezögert oder geschwiegen?
  • Nun, es könnte vorher ein paar Ereignisse gegeben haben, die Partner 2 verunsichert haben.
  • Kommunikation hat also immer eine Ursache.
  • Das kann aber auch jetzt dazu führen, dass Partner 1 ganz negativ reagiert, vielleicht seinen ganzen Frust raus lässt und damit die Heiratsfrage endgültig erledigt.
  • Auf jeden Fall lautet das Axiom Nr. 3 von Watzlawick:
  • “Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung.”
  • Anderes Beispiel: Hausaufgabenfrage
  • Hier hängt viel davon ab, was es da für eine Vorgeschichte bei dem Schüler gibt.
  • Und wenn der Lehrer mit dem Verdacht Recht hat, wird das Folgen haben, mehr Kontrollen.

Auf dem Weg zu Axiom Nr. 4 „analoge und digitale Modalitäten“

Partner 1 hat gefragt.

Partner 2 sagt: “Meinst du das ernst?” und macht dann eine Pause.

  • Eine ganz klare Frage.
  • Oder doch nicht so ganz?
  • Viel hängt jetzt von Mimik und Gestik von Partner 2 ab.
  • Sieht man eher eine Vorstufe der Freude oder der Irritation.
  • Das kann man übrigens schön mal spielen.

Watzlawick hat das so formuliert:

“Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten.”

  • Fangen wir mit “digital” an: Damit ist eine Kommunikation gemeint, die so eindeutig ist wie eine Computersprache:
  • Die Frage ist klar – Entscheidungsfrage
  • Als Antwort ist eigentlich nur möglich: Ja oder Nein.

Menschen sind aber keine Computer, deshalb spielen auch nonverbale Dinge eine Rolle:

  • Art des Sprechens, Mimik und Gestik
  • das nennt man “analog” = alles, was nicht 100prozentig eindeutig ist.

 

Auf dem Weg zum 5. Axiom: „symmetrisch und komplementär“

Stellen wir uns vor,

  • da stehen sich zwei Studis gegenüber, die in einer Wohngemeinschaft leben und sich immer mehr mögen. Beide sind in der gleichen Situation, das nennt Watzlawick: “symmetrisch” – sie stehen sich spiegelbildlich gegenüber – auf dem gleichen Level: Heiratsantrag kein Problem – ja oder nein!
  • Oder es geht um Prof (w/m,) und Studi (m/w). Man hat sich näher kennengelernt und mag sich. Und nun fragt Prof seine(n) Studi, der/die von ihm abhängig ist, z.B. bei ihm/ihr eine wichtige Arbeit schreibt, vielleicht sogar die Prüfung machen will. Da wird es schwierig.Eine solche Situation nennt Watzlawick “komplementär” = ergänzend.
    Die Frage ist, ob das nicht eine zu schöne Formulierung ist. Denn hier geht es doch häufig um Macht.
  • Aber natürlich kann es auch um die Kommunikation zwischen Chefarzt und Krankenschwester gehen.
  • Da ist ein großes Machtgefälle, aber die Krankenschwester sieht und weiß damit möglicherweise mehr als der Arzt. Hier kann ein Machtungleichgewicht durchaus zu einem kommunikativen Austausch führen, von dem beide was haben – und besonders auch der Patient.

 

Zum Komplementären der Rollensituation kommt das Symmetrische des Kenntnisstands.

 

Was man sich “verbindlich” merken könnte:

  • Heiratsantrag -> Schweigen = auch Kommunikation
  • Beziehungssituation spielt auch eine Rolle
    Extrem andere Situation, als wenn der Verkäufer auf dem Wochenmarkt fragt: “Noch das passende Gewürz dazu?”
  • Kommunikation hat meistens eine Vorgeschichte und kann Folgen
    • Vorgeschichte: Was man aus früherer Kommunikation positiv oder negativ im Kopf hat
    • Nachgeschichte: z.B. Enttäuschung macht einen vorsichtig
  • Kommunikation =
    • Was man sagt, ist digitaler = eindeutiger (wegen der Bedeutung der Wörter)
    • als das Analoge zum Beispiel der Mimik und Gestik
  • Problem der Rollen / Situationen:
    • komplementär = sich angeblich ergänzend (Anweisung des Chefs?)
    • symmetrisch = auf Augenhöhe zueinander (kein Machtgefälle): Man muss sich also friedlich im Sinne des Kompromisses einigen
      (ziemlich theoretisch, weil auch informelle Dinge eine Rolle spielen, z.B. Stellung in der Gruppe)

Eine kleine Geschichte als Lernhilfe?

Es gibt ja Gedächtnisküntler, die sich eine Menge Dinge merken können, indem sie sie zu Stationen einer Reise machen.

Wir probieren das hier mal mit dem Versuch einer kleinen Heiratsantragsgeschichte aus und haben hinterher alle fünf Axiome hoffentlich gut im Gedächtnis:

Er Professor, sie Studentin – längere Zeit befreundet und dann in einer Beziehung.

  1. Bei einem gemeinsamen Abendessen nutzt er schließlich die Gelegenheit und fragt sie einfach: „Willst du mich heiraten?“
  2. Sie ist überrascht, auch ein bisschen verwirrt, denkt nach und es dauert immer länger mit einer Antwort.
    (Axiom Nr. 1: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“
  3. Er daraufhin: Bist du denn immer noch sauer? Natürlich haben wir uns ziemlich viel gestritten – aber das ist doch gerade ein Grund, es jetzt anders zu machen.
    (Axiom Nr. 3: „Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung“: Ursache für ihr Zögern)
  4. Sie daraufhin: „So einfach geht das nicht. Ich denke, ich brauche eher eine Pause. – zum Nachdenken“
    (Axiom Nr. 3: „Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung“: Folge des Gesprächs)
  5. Er daraufhin erregt: „Dann kannst du deine Doktorarbeit bei mir vergessen.“
    (Axiom Nr. 5: „Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär“ – in diesem Falle komplementär.)
  6. Sie, schmerzlich das Gesicht verziehend und sich abwendend
    (Axiom Nr. 4: „Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten“: Hier geht es um Mimik und Körpersprache, die zeigen, dass sie nicht stolz ist auf ihre richtige Erkenntnis).
    : „Tja, ich habe dich wohl richtig eingeschätzt. Du kannst so was nicht trennen.“
    (Axiom Nr. 2:“Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt.“ Inhaltlich hat sie recht, aber die Beziehung ist eben gestört.)
  7. Während er schwer atmend versucht, das zu verkraften (Axiom Nr. 1 und 4), geht sie zur Garderobe und ruft ihm zu: Ich nehme den Wagen, nimm du dir ein Taxi.“
    (Axiom Nr. 5: „Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär“ – in diesem Falle symmetrisch. Sie hat es akzeptiert, dass sie von ihm nichts mehr zu erwarten hat, damit ist sein Machtvorsprung weg. Sie ist jetzt auf dem gleichen Level, zieht sich auf ihr Auto und ihre Wohnung zurück, nimmt ihn nicht – wie ursprünglich geplant – mit nach Hause. Er ist genauso auf sich selbst angewiesen.)

Weiterführende Hinweise

  • Ein alphabetisches Gesamtverzeichnis unserer Infos und Materialien gibt es hier.
  • Eine Übersicht über unsere Videos auf Youtube gibt es hier.
  • Besonders interessant dürfte sein:
    Schulz von Thun und Watzlawick in einem Schaubild

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