Lars Krüsand, „Entscheidung“ – so viel kann in einer Parabel stecken (Mat8043)

Lars Krüsand, „Entscheidung“ – so viel kann in einer Parabel stecken

Lars Krüsand,

Entscheidung

Gewiss, du lebst in einem mäßigen Land, das Leben lässt sich ertragen, viel mehr aber auch nicht. Was tust du, wenn man dich an den Rand der Wüste führt und dir hinter dem Horizont ein gelobtes Land verheißt? Nun gut, du hast dich zur Reise entschlossen, deine Kamele sind mit Wasserschläuchen wohl beladen. Was aber tust du, wenn die Linie erreicht ist, wo das Wasser zur Rückkehr gerade noch reicht?

Und nun in Gedichtform

Gewiss,
du lebst in einem mäßigen Land,
das Leben lässt sich ertragen,
viel mehr aber auch nicht.

Was tust du, wenn man dich
an den Rand der Wüste führt
und dir hinter dem Horizont
ein gelobtes Land verheißt?

Nun gut, du hast dich
zur Reise entschlossen,
deine Kamele sind
mit Wasserschläuchen wohl beladen.

Was aber tust du,
wenn die Linie erreicht ist,
wo das Wasser
zur Rückkehr
gerade
noch
reicht?

Man merkt hier schön, was die Gedichtform an einem ansonsten unveränderten Text verändert. Alles wirkt konzentrierter, fordert stärker zum Nachdenken auf.

Aber nun zum Inhalt und seinem Bedeutungspotenzial

Hier wird zwar nicht direkt eine Geschichte erzählt, sie entsteht aber vor dem inneren Auge des Lesers.
Er stellt sich richtig vor, wie er als Karawanenführer plötzlich ein ungeheuer attraktives Angebot bekommt – das einzige Problem ist nur, dass er der erste wäre, der diese Reise wagt und er sich fragt, wie sehr er dem Auftraggeber trauen kann.
Vor allem arbeitet diese Geschichte die Spannung heraus, wenn man sich dem „point of no return“ nähert. Wer auch nur ein bisschen Fantasie hat, kann sich vorstellen, wie man mit jedem Meter mehr sich von der rettenden Umkehr entfernt.

Offen bleibt, worauf die Geschichte sich bezieht. Aber jeder kennt wohl Situationen, in denen er aufgefordert wurde, etwas zu wagen – und es ging dann um etwas, wo man sich mit jedem Schritt mehr von der sicheren Rückkehr zum alten Zustand entfernte.

Man kann das aber auch politisch sehen und damit als Kritik an Ideologien, die ein Paradies versprechen, bei dem man nur erst mal die Wüste der Leiden, vielleicht auch der Grausamkeiten durchqueren muss – und immer mehr entfernt man sich von seinem normalen Leben. Auch den amerikanischen Soldaten in Vietnam hat man den Sieg und eine glückliche Heimkehr als Helden versprochen – und am Ende waren sie traumatisiert und hatten keine Chance mehr, ein normales Leben zu führen.

So viel kann in einer Parabel stecken!

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