Leserbriefvorlage: Wie „politisch korrekt“ muss man in seinen Äußerungen sein? ((Mat206)

Worum es hier geht:

Ausgehend von dem Fall eines Nobelpreisträgers, der in einem Vortrag einen problematischen Witz machte und daraufhin gleich seinen Job verlor, wird darüber diskutiert, wie politisch korrekt man in seinen Äußerungen sein muss. Gibt es nicht auch andere Reaktionsmöglichkeiten – als gleich zu äußersten Maßnahmen zu greifen?

Heiße Diskussionen
um politisch korrekte Sprache

 

(Klarfurter Nachrichten, 24.03.2016)

Das hatten sich die Veranstalter wohl etwas anders vorgestellt, als sie im Rahmen der Vortragsreihe „Anders denken – besser denken?“ den im Ruhestand lebenden Sprachwissenschaftler Rudolf Schawang einluden.

Der begann nämlich seinen Vortrag über „Sinn und Unsinn einer ‚politisch korrekten’ Sprache“ gleich mit einem noch recht aktuellen Beispiel. Da ging es um einen Biologie-Nobelpreisträger, der bei einem Vortrag im Ausland mehr oder weniger scherzhaft vorschlug, männliche und weibliche Wissenschaftler in den Laboren räumlich zu trennen, denn Frauen weinten angeblich immer sofort und intensiv, wenn eine Beziehung zu einem Kollegen zu Ende ginge. Statt Professor Hunt nun freundlich, aber deutlich vielleicht darauf hinzuweisen, dass es für Beziehungen sehr gut sein könnte, wenn Männer rechtzeitig auch mal weinen würden, sah der sich im Internet einem regelrechten Shitstorm ausgesetzt und fand sich schon aus seiner Universität rausgeworfen vor, bevor er überhaupt zu Hause wieder angekommen war.

Dies nahm Prof. Schawang zum Anlass, mit Bezug auf die Themenreihe ein Recht auf Selbstkorrektur einzufordern, bevor jemand „sozial hingerichtet“ werde – so seine meinungsstarke Formulierung.

Im weiteren Verlauf des Vortrags ging es dann weniger um solche offensichtlichen Missgriffe, aber möglicherweise auch Missverständnisse, als um die Sprache selbst. Ausgangspunkt waren dabei Bestrebungen, zum Beispiel Kinderbücher nachträglich von Begriffen wie „Neger“ zu befreien. Ganz eindeutig war die Zustimmung des Vortragenden zum Bemühen, bestimmte soziale Gruppen nicht zu verletzen, also Rücksicht auf sie und ihre Gefühle zu nehmen. Es wurde aber auch darauf hingewiesen, dass hier gleichzeitig eine Verfälschung der Geschichte stattfände. Afro-amerikanische Bürger der USA, so wie sie nach einigen sprachlichen Reform-Bemühungen inzwischen genannt werden, könnten sich auch verletzt fühlen, dass die Literatur und Kunst der letzten Jahrhunderte stark von „Weißen“ geprägt worden sei. Dieses Ungleichgewicht könne nur dadurch in der Zukunft verändert werden, wenn die „Unterrepräsentierten“ von sich aus daran arbeiteten, dass sie noch mehr anböten, was vom „Kulturmarkt“ dann auch gerne aufgenommen würde. Außerdem stellte Prof. Schawang die Frage, ob es nicht auch eine Art Selbst-Diskriminierung sei, wenn man als Betroffener  die Zugehörigkeit zu einer real oder angeblich diskriminierten Gruppe betone. Mit aktuellem Bezug forderte der Redner, weniger von „Willkommenskultur“ oder auf der Gegenseite „Fremdenfeindlichkeit“ als vielmehr von „Menschlichkeit“ zu sprechen – und damit das Trennende positiv für die Zukunft zu überwinden.

Aufgaben:

  1. Lies dir diesen Bericht in der Zeitung genau durch und markiere die Stellen, die wichtig sind, um zu verstehen, worum es in diesem Artikel geht.
  2. Stelle eigene Erfahrungen zusammen, bei denen Diskriminierung im Alltag sichtbar wird.
  3. Was hältst du von dem Vorschlag, weniger über Trennendes und Schmerzhaftes zu reden, stattdessen das Positive und Gemeinsame zu betonen.
  4. Überlege dir, wie du einen Leserbrief zum Umgang mit Vorurteilen und besonders mit sprachlichen „Missgriffen“ gut einleiten könntest. Dabei kannst du von dem gegebenen Fall ausgehen, darüber hinaus aber auch andere, vergleichbare Fälle eingehen.
  5. Wie könnte der gesamte Leserbrief aufgebaut sein?

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