Michaela Seuls Kurzgeschichte „Allmorgendlich“ – Infos und Anregungen (Mat2873)

Die Kurzgeschichte „Allmorgendlich“ beschreibt den zunehmenden Ärger, den die Ich-Erzählerin beim Anblick einer Mitfahrerin auf dem Weg zur Arbeit im Bus empfindet.

Am Ende der Geschichte wird ihr durch eine Freundin, die ausnahmsweise auch mal mitfährt und die Vorgeschichte nicht kennt, klargemacht, dass sie sich eigentlich genauso verhält wie die Fremde.

Kurz-Info zu Thema und Inhalt
Kritische Auseinandersetzung mit einem vorschnellen Urteil über einen anderen Menschen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen

Inhaltsangabe:
Die Geschichte beginnt damit, dass die Ich-Erzählerin im Bus auf dem Weg zur Arbeit eine andere Frau trifft, über die sie sich aufregt, ohne dafür eigentlich einen Grund zu haben. Das steigert sich im Laufe der Zeit, in der beide immer den gleichen Weg nehmen, bis zu offener Ablehnung von seiten der Erzählerin, die auch auf einen zwischenzeitlichen Versuch der Kontaktaufnahme durch die andere Frau nicht eingeht. Die nächste Stufe der Eskalation ist erreicht, wenn die Erzählerin ihren Bekannten von ihrem offensichtlich eingebildeten Leid erzählt, denn dabei spricht sie Verhaltensweisen an, die sie vorher gerade nicht wahrgenommen hat. Den Vorschlag, einen früheren Bus zu nehmen, lehnt sie empört ab. Alles löst sich auf, als eine Freundin, die das Problem noch nicht kennt, einmal mit ihr zusammen den Bus nimmt und mit Blick auf die Fremde erklärt, dass diese sie vom Verhalten her stark an die Ich-Erzählerin erinnere.

Bedeutung der Geschichte: -> Was zeigt die Geschichte?
Die Geschichte zeigt eine offensichtliche Zwangssituation, denn die Ich-Erzählerin bekennt ja ganz ausdrücklich: „Ich wusste nicht, was mich an ihr so störte.“
Sehr deutlich wird zudem die Steigerung des Ablehnungsstresses, verbunden sogar mit der Erfindung von Verhaltensweisen. Erst stellt sie fest: „Sie schmatzte nicht und trotzdem erfüllte mich ihr essender Anblick mit Ekel“. Ihren Bekannten erzählt sie später „von ihrem unmäßigen Schmatzen“.
Am wichtigsten ist natürlich der Schluss, eine Art Auflösung des deutlich gewordenen Widerspruchs in der Wahrnehmung der anderen Person: Der Ich-Erzählerin und damit auch dem Leser wird klargemacht, dass hier offensichtlich eine wohl schon krankhafte Projektion eigener Befindlichkeiten auf einen anderen Menschen vorliegt.

Anmerkungen zum Schaubild:

Das Schaubild macht die Entwicklung deutlich.

Es beginnt mit relativ harmlosen Gefühlen, die aber schon einen gefährlichen Abstand zur Realität zeigen.
Es folgt dann auch die Verweigerung der „Prüfung“ über Austausch und Kontakt.

Dann wird es schon krankhaft, wenn „gierig“ alles „aufgesaugt“ und sogar zu Hause noch lügenhaft verstärkt wird, was man der anderen Person unterstellt.
Auf der anderen Seite werden Kompromissvorschläge ausgeschlagen.

So kommt es am Ende zum Gau: Eine unbeeinflusste Freundin zieht unabsichtlich die Decke von diesem Lügengebilde weg – und darunter kommen sehr unangenehme Dinge zum Vorschein, was wir durch eine starke Schwarzfärbung ausgedrückt haben.

Wenn es gut läuft, dann wird nur verdeutlicht: Du hasst an einem anderen Menschen, was du eigentlich an dir selbst hassen müsstest. Es folgen ein Moment der Verblüffung und dann ein halb schon befreites Lachen und die Frage: Was sollte ich denn tun?
Wenn es schlecht läuft, dann richtet sich die Aktivität nicht in Richtung Aufklärung, sondern in Richtung Erweiterung des Hasses nun auch noch auf den, der einem unangenehme Wahrheiten sagt.

Inwiefern und inwieweit handelt es sich um eine Kurzgeschichte?.
Der direkte Einstieg spricht ganz eindeutig für eine Kurzgeschichte, ebenfalls das offene Ende, denn es fehlt natürlich die vom Leser mit Spannung erwartete Reaktion der Ich-Erzählerin auf diese unangenehme Wahrheit.
Inwieweit es sich um einen Ausriss aus dem Leben handelt und vor allem um welche Art, kann wegen des offenen Schlusses nicht beurteilt werden. Möglich wäre eine Fortsetzung der Realitätsverweigerung, etwa indem die Freundschaft aufgekündigt wird. Mögliche wäre aber ebenso ein mehr oder weniger schnell zu einer gesünderen Sicht auf sich selbst und auf andere führende Wende im Verhalten der Ich-Erzählerin.
Dafür spricht, dass diese Geschichte ja aus der Rückschau der Ich-Erzählerin erzählt wird. Am einfachsten wäre diese besondere Erzähl-Situation zu verstehen, wenn hier jemand nachträglich von früherem Fehlverhalten erzählt, das man inzwischen aufgegeben hat. Nur dann kann man nämlich etwas so Peinliches über sich selbst erzählen.

Anmerkungen zum Einsatz als Klassenarbeit.
Die Geschichte ist kurz und auch recht gut verständlich. Probleme könnten sich für Schüler ergeben, wenn sie mit den Anzeichen von Krankheit nicht gut klarkommen. Auf jeden Fall sind die im Vorteil, die entsprechende Phänomene schon mal erlebt oder von ihnen gehört haben.
Wichtig wäre also, hier nicht allzu hohe Erwartungen zu haben.
Interessant wäre eine Aufgabe, die Schüler über die Gefahr schreiben lässt, die damit verbunden sind, wenn man sich in eine vorschnelle Ablehnung regelrecht hineinsteigert.

Ideen zum Einsatz im Unterricht
Der eben angesprochene Punkt ist natürlich auf eine sehr schöne Aufgabe für die Besprechung im Unterricht.
Ansonsten könnte man einen anderen Titel suchen lassen und dabei erst mal den Wert oder auch die Grenzen des vorhandenen Titels ausloten lassen.
Reizvoll könnte auch sein, den Titel beizubehalten und dann eine ganz eigene Geschichte über (ausgedachte) Probleme mit einem anderen Menschen beschreiben zu lassen.

Weitere Infos, Tipps und Materialien 

https://textaussage.de/weitere-infos