Sprachliche u.a. „Mittel“ – wie verbindet man sie mit der „Aussage“ des Textes?
Vorab-Info:
Hierzu gibt es ein Video, das auf Youtube hier zu finden iste:
https://youtu.be/eRksVyOxxVg
Die Dokumentation kann man hier anschauen bzw. herunterladen:
Mat2032-f Stilmittel in Kafkas Der Schlag ans Hoftor
Timeline des Videos:
0:00 Thema
0:26 Problem
0:55 Alternative
1:50 Finden statt suchen
2:33 sprachliche Mittel
3:02 rhetorische Mittel
3:40 stilistische Mittel
4:10 Deutungshypothese
4:45 Teil 1
6:27 Teil 2
7:25 Teil 3
8:42 Zusammenfassung
9:54 Dokumentation
Die Aussage vieler Kurzgeschichten und besonders auch vieler Gedichte ist schon an und für sich schwer genug zu verstehen. Wenn es dann an die sogenannten „Mittel“ geht, meist geht es um „sprachliche“ Mittel, dann ist man echt am Ende. Man sucht mühsam nach Metaphern, Antithesen, der einen oder anderen Klimax oder auch nach einem Oxymoron – je nachdem, wie die Liste aussah, die man auswendig gelernt hat.
Warum die Analyse der „Mittel“ eigentlich einfach sein könnte
Dabei ist es eigentlich ganz einfach:
Texte der Literatur wollen etwas auf möglichst besondere, originelle Weise ausdrücken.
Dazu braucht man einen guten Inhalt, zum Beispiel eine Situation, in der jemand mit seiner Schwester auf dem Heimweg ist, dann klopft sie mal so eben an ein Tor – oder tut auch nur so – und dann rollt das Schicksal heran und überrollt am Ende nur den Ich-Erzähler, seine Schwester ist auf und davon, keiner kümmert sich drum.
Das ist ein Fall, den man gerne mal ausprobiert – und das hat Kafka getan.
Er zeigt etwas völlig Absurdes – das ist der Inhalt – aber er ist eben auch Schriftsteller – und darum verwendet er ganz bestimmte Mittel, mit denen er den Schrecken der Geschichte auf uns überträgt.
Die ersten beiden Varianten bei den Mitteln – sind allgemein!
Meist ist von „sprachlichen“, manchmal auch von „stilistischen“ oder „rhetorischen“ Mitteln die Rede. Wir würden das gerne klar unterscheiden:
- „Sprachliche“ Mittel sind wirklich „sprachliche“ Mittel, also zum Beispiel eine Metapher oder ein Vergleich.
- „Rhetorische“ Mittel sind solche, die sprachlich gar nichts Besonderes sind, aber mächtig Wirkung entfalten können:
Wenn Cäsar sagt: „Ich kam, ich sah, ich siegte“ – dann ist das kein sprachliches Mittel, ganz normale Wörter.
Aber in der Zusammenstellung ist das der Hammer – eine Steigerung, die die Zuhörer am Ende vom Hocker fallen lässt.
„Stilistische“ Mittel gehören nur dem Autor!!!
„Stilistische“ Mittel sollte man wirklich an das Wort „Stil“ binden – und das ist für uns etwas Individuelles. Deshalb werden wir das Wort verwenden, wenn es um die Eigentümlichkeit des Schreibens bei einem Schriftsteller geht.
- Bei Kafka ist es zum Beispiel so, dass der Ich-Erzähler sich seine eigene Situation schön redet. Am schärfsten zu sehen ist das in der Einleitung der Geschichte „Der Nachbar“: Da heißt es doch tatsächlich:
„Mein Geschäft ruht ganz auf meinen Schultern. Zwei Fräulein mit Schreibmaschinen und Geschäftsbüchern im Vorzimmer, mein Zimmer mit Schreibtisch, Kasse, Beratungstisch, Klubsessel und Telephon, das ist mein ganzer Arbeitsapparat. So einfach zu überblicken, so leicht zu führen. Ich bin ganz jung und die Geschäfte rollen vor mir her. Ich klage nicht, ich klage nicht.“
Also – jede Menge versteckte Probleme: Der Typ ist allein für alles verantwortlich, dann kann (oder muss?) er auch noch alles überblicken, aber immerhin ist er auch noch jung und die „Geschäfte rollen vor mir her“ – da wollen wir doch mal hoffen, dass der gute Mann mitkommt. Und dann der unwahrscheinlich verräterische Schluss:
„Ich klage nicht, ich klage nicht“ – wenn das keine Klage ist, dann wissen wir nicht, was jammern ist. - Eine andere Eigentümlichkeit von Kafkas Schreiben ist, dass man an sich selbst zweifelt. Am stärksten ist das in „Heimkehr“ zu finden:
Da kommt einer anscheinend nach langer Zeit nach Hause, bleibt vor dem Haus stehen – und dann zerfällt er fast vor den Augen des Lesers:
„Ich weiß es nicht, ich bin sehr unsicher. Meines Vaters Haus ist es, aber kalt steht Stück neben Stück, als wäre jedes mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, die ich teils vergessen habe, teils niemals kannte. Was kann ich ihnen nützen, was bin ich ihnen und sei ich auch des Vaters, des alten Landwirts Sohn.“ - Oder eine dritte Eigenschaft: Kafka lässt seine Figuren sich richtig in Sachen hineinbohren. Je mehr, desto schlimmer. So heißt es etwa in „Der Schlag ans Hoftor“:
„Hundert Schritte weiter an der nach links sich wendenden Landstraße begann das Dorf. Wir kannten es nicht, aber gleich nach dem ersten Haus kamen Leute hervor und winkten uns, freundschaftlich oder warnend, selbst erschrocken, gebückt vor Schrecken.“
Erst winken die Leute noch freundlich, dann warnend, dann sind sie erschrocken und dann fallen sie vor Schrecken fast um, kriechen fast schon von dannen. So schnell geht das bei Kafka, nur halt immer in die gleiche Richtung: nach unten, in den Schrecken, das Unheil hinein.
Endlich: Verbindung von Inhalt und „Ver-mittl-ung“
Im Folgenden wollen wir mal zeigen, wie man den Inhalt und seine Aussage (Fachleute sprechen von „Intention“ oder „Intentionalität“) wirklich mit den Mitteln verbinden kann, die ihn gewissermaßen unterstreichen.
Wir nehmen Kafkas Erzählung „Der Schlag ans Hoftor“, lesen sie einmal oder auch zweimal und haben eine Vorstellung von dem, was dieser Text zeigt:
Den Text findet man zum Beispiel hier:
https://www.textlog.de/32056.html
Ausgangspunkt: Die „Deutungshypothese“
Der Text könnte zeigen, wie aus einer Kleinigkeit oder sogar einem Nichts etwas Ungeheures wird, das den scheinbar normalen Alltag eines Menschen in den Abgrund stößt.
Jetzt geht es um die Frage,
- ob sich bei genauerer Analyse diese Hypothese zu einer Interpretation-These entwickelt und
- wie dieses Ziel des Textes durch sprachliche, rhetorische und stilistische Mittel unterstrichen wird.
Prüfung der Deutungshypothese und ihrer erzählerischen Vermittlung