Wie könnte eine mündliche Abiturprüfung zu Büchners „Woyzeck“ aussehen? (Mat2583)

Wie könnte eine mündliche Abiturprüfung zu Büchners „Woyzeck“ aussehen?

Inzwischen gibt es auch ein Video zu diesem Thema:

Videolink

https://youtu.be/t93KaqkOqiA

Hier schon mal die verschiedenen Fragen und Antworten:


1.   Eröffungsfrage:

nach der Mini-Klausur: Dort könnte zum Beispiel ein Gedicht aus der Romantik eine Rolle spielen.
Schauen wir uns als erstes mal Büchners „Woyzeck“ an. Worum geht es in dem Stück?

  • Inhaltlich: Es geht um einen einfachen Soldaten, der von seinen Vorgesetzten vielfach gedemütigt und ausgenutzt wird.
  • Dazu kommt, dass das bisschen Privatheit, nämlich seine Familie mit Freundin und kleinem Kind, zwar von ihm versorgt wird, aber auch in Gefahr ist. Marie, die Freundin, möchte aus dem Elend heraus und lässt sich auf einen Tambourmajor ein.
  • Am Ende ist Woyzeck, der schon unter Halluzinationen leidet, so verzweifelt, dass er Marie ersticht.
  • Alternative: Thematisch: Es geht im Unterschied zur Zeit Goethes (Entstehung 4 Jahre nach Goethes Tod) nicht mehr darum, zu zeigen, wie ein Mensch „edel, hilfreich und gut“ sein kann und damit zur „schönen Seele“ wird, sondern wie er an den Verhältnissen zugrundegeht.
  • Das führt dann zur Frage des Lehrers nach den Verhältnissen, womit die inhaltliche Variante begonnen hat.

2.   Wie sieht es denn mit den Figuren aus, die im Gegensatz zu Woyzeck weniger wirtschaftliche und soziale Probleme haben?

  • Der Hauptmann leidet unter Schwermut und Selbstmitleid. Wobei man sagen muss, dass Büchner hier weniger ein Individuum als vielmehr einen Typus geschaffen hat, mit dem die höhere Gesellschaft kritisiert wird.
  • Schon sein äußeres Erscheinungsbild entspricht in keiner Weise einem schneidigen Offizier.
  • Zum schon angesprochenen Selbstmitleid, das schon fast in Hypochondrie ausartet und auch wenig zu einem Offizier passt, kommt eine unglaubliche Phrasenhaftigkeit: „Moral, das ist, wenn man moralisch ist.“
  • An Woyzecks Haltung zur Moral merkt man übrigens, dass er als einfacher Mensch diesem Vorgesetzen geistig überlegen ist.
  • Überleitung: Vor allem ist der Hauptmann dem Doktor geistig deutlich unterlegen.
  • Auch er ist genauso eine Karikatur wie der Hauptmann.
  • Er zeigt deutlich Interesse an medizinischen Forschungen, praktiziert sie an Woyzeck mit seinem Erbsenexperiment auf wenig überzeugende Weise.
  • Er wird sogar schuldig an dessen gesundheitlichem Verfall.

3.   Vor diesem Hintergrund der Oberflächlichkeit, ja Skrupellosigkeit sind wir auf den Nihilismus eingangen. Was ist darunter zu

verstehen?

  • Der Begriff kommt vom lateinischen Wort „nihil“, was soviel wie „nichts“ bedeutet.
  • Gemeint ist damit, dass keine höheren Werte gesehen oder anerkannt werden, die noch für Goethe und Schiller eine entscheidende Rolle gespielt haben.
  • Der Wegfall aller höheren Werte führt zum einen zum Verzicht auf jede Moral: Es gibt keinen Unterschied zwischen Gut und Böse.
  • Es gibt auch keine Vorstellung von einem Sinn des Lebens, was beim Hauptmann besonders deutlich wird.
  • Man hat von einer Art „Gleichgültigkeitszustand“ gesprochen und das kennzeichnet die Lebensweise der oberen Gesellschaft im Stück sehr gut.

4.   Büchners „Woyzeck“ gilt als Musterbeispiel des sog. „offenen Dramas“. Was ist darunter zu verstehen?

  • Dazu haben wir schon ein Video gemacht.
    Videolink
  • https://youtu.be/Coqgug2i5as
  • Hier findet man die Dokumentation:
    https://www.einfach-gezeigt.de/woyzeck-offenes-drama

    Das versteht man am besten durch Abgrenzung vom Gegenbegriff: „geschlossenes Drama“: Das beherrschte nämlich die gesamte Theaterentwicklung in Europa von den alten Griechen bis zur Weimarer Klassik.
  • Drei Einheiten, der Handlung, des Ortes und der Zeit – Ziel ist die innere Erschütterung der Zuschauer, woraus ein höheres moralisches Bewusstsein und Leben erwachsen soll.
  • Woyzeck fehlt die klare, zielgerichtete Handlung, auch wenn die Richtung insgesamt klar ist. Man kann sogar in dem Fragment die Szenen zum Teil vertauschen.
  • Vor allem gibt es keinen Helden, der eine Botschaft verkörpert oder an dem ein Ideal gezeigt wird.
  • Stattdessen ein Antiheld und eine Gesellschaft ohne Werte und Ideale.
  • Das Drama könnte auch anders enden: Woyzeck könnte gehen und dem Doktor am Ende an die Tür pissen – das wäre dann seine Variante der Selbst-Erhebung hin zur Autonomie, wie es sie in der „Marquise von O….“ gibt. Aber dafür ist er schon zu krank, zu kaputt – und das ist der Unterschied zwischen Idealismus und Materialismus, wo der Geist sich nicht mehr über die Verhältnisse erheben kann.


5. Möglicher Abschluss, wenn das im Unterricht thematisiert worden ist:

Was bringt denn ein solches Stück, in dem nur Negatives präsentiert wird?

  • Literatur muss nicht „positiv“ in einem vordergründigen Sinne sein, also ein Happy End präsentieren.
  • Gerade so ein Stück kann eben auch ein Denkanstoß sein, den Blick auf die Welt erweitern
  • und einen vielleicht dazu bringen, zumindest ein bisschen aus dem möglichen Nihilismus herauszukommen.

Abschließend noch mal die Zusammenfassung der Tipps für Zusatzpunkte:

  1. Lieber mit dem Thema anfangen als mit einer einfachen Inhaltsangabe
  2. Geschickter Rückgriff bei einer späteren Frage auf eine frühere Antwort (Moral zwischen Hauptmann und Woyzeck)
  3. Überleitungen deutlich machen (vom Hauptmann zum Doktor)
  4. Begriffe aus der Fachliteratur „mitlernen“ („Gleichgültigkeitszustand“)
  5. Weiteres Wissen aus dem Unterricht einbringen – möglichst ungefragt 😉 (Vom „Nihilismus“ in „Woyzeck“ zur „schönen Seele“ und „Das Göttliche“ in der Klassik.

Weitere Infos, Tipps und Materialien 

https://textaussage.de/weitere-infos