Peter Bichsels Kurzgeschichte, „Ein Tisch ist ein Tisch“ – oder: Was man mit Sprache machen kann … (Mat7036)

Diese berühmte Kurzgeschichte spielt einfach einmal durch, was passiert, wenn jemand die Zuordnung von Wortbezeichnung und Wortbedeutung ändert.

Man kann an dieser Geschichte sehr schön die Grundgedanken der Sprachtheorie von Ferdinand de Saussure erkennen und aufzeigen.

  1. De Saussure hat gesagt, dass das Verhältnis von Bezeichnung und Bezeichnetem, also Wort und Sache, willkürlich ist.
  2. In der Geschichte „Ein Tisch ist ein Tisch“ wird genau das durchgespielt.
  3. Das Einzige, woran der alte Mann nicht gedacht hat, ist der zweite Aspekt, der auch beachtet werden muss: Jede neue Kombination muss auch von der Sprechergemeinschaft akzeptiert werden.

Aufbau der Geschichte

  1. Vorstellung des alten Mannes: Hervorhebung seiner Müdigkeit, seines wirklich „grauen“, eintönigen Lebens
  2. Einbeziehung von zwei konkreten Elementen,
    1. zum einen seiner unmittelbaren Umgebung im Haus, was später zum Ort der scheinbaren Erlösung aus seiner Langeweile und Einsamkeit wird,
    2. zum anderen eines Minimums an Kommunikation. Dieser Bereich verstärkt später das Problem, ist der Ort seines Scheiterns.
  3. Dann die plötzliche Änderung, begünstigt durch eine anregend-freundliche Umgebungssituation -> selbstbewussteres, lebendigeres Verhalten mit Ansätzen von Kommunikationsimpulsen
  4. Dann der Rückfall in die graue Normalität seiner Zimmerrealität -> Wut, Aggression, Schmerz
  5. Idee, es den Franzosen und Chinesen nachzutun -> erstes Sprachexperiment, Begeisterung und Aufbau schon fast einer eigenen Kultur
  6. Systematischer Ausbau des Sprachexperiments, das für ihn erst mal keins ist, sondern eine neue Welt
  7. Ausprobieren dieser ersten Sprachlernstufe – durch die Übernahme der neuen Sprache durch den Erzähler
  8. Mann findet das lustig und baut das weiter aus
  9. Unterstützende Maßnahmen durch Kauf von Heften, aber auch schon Beginn negativer Begleiteffekte
    1. nur noch selten auf der Straße, dem Ort der Anregungen und Kommunikation mit der Möglichkeit von Kritik und Korrektur
    2. Er vergisst die alte Sprache, die die der Nachbarn bleibt
  10. Verschärfung des Problems: Er vergisst die alte Sprache und hat jetzt Angst, mit den Leuten zu reden.
  11. Umkehrung der Ausgangssituation durch den Erzähler: Jetzt sprechen die anderen Leute komisch. Das Lachen zeigt seine Entfernung, in der Sache und in der Haltung.
  12. Kommentar des Erzählers: Keine lustige Geschichte, die zwei Probleme: Schlimmer als dass er die anderen Leute nicht mehr versteht, ist, dass die ihn nicht mehr verstehen. Daraus entsteht Verzicht auf Äußerung und Kommunikation.
  13. Schluss-Situation: Schweigen, nur noch Selbstgespräche, kein Gruß mehr, absolute Vereinsamung, stärker als am Anfang.

Kurzgeschichtencharakter?

  1. Halbwegs direkter Einstieg, aber vermittelt über den Erzähler
  2. Herausstellung eines „Ausrisses aus dem Leben“, der die Probleme der Vergangenheit zeigt, auch einen Ausbruchsversuch und dann die Rückkehre in die Vergangenheit auf einer noch schlimmeren Stufe
  3. Halboffener Schluss: Es gibt wohl keine Alternativen mehr, allerdings weiß man nicht, ob es auf Dauer so bleibt.
  4. Spannend ist die Frage, ob es einen erneuten Ausbruch – sicher mit Hilfe von anderen Leuten – geben könnte. Der Mann könnte zum Beispiel zum Arzt müssen. Man denke an die Geschichte „Das Fenstertheater“, wo jemand die Polizei holt, weil jemand sich scheinbar komisch benimmt. Am Ende ist die Voyeurin die „Gelackmeierte“ und muss sich wohl etwas schämen und an sich arbeiten. Hier wäre es andersherum. Hier würde jemand wirklich diesem Mann aus seinem halb selbstverschuldeten Problem heraushelfen.

Kreativer Impuls: Wie könnte es doch noch ein Happy End geben?

Es können einen erneuten Ausbruch aus der Einsamkeit geben, aber sicher nur mit Hilfe von anderen Leuten. Der Mann könnte zum Beispiel zum Arzt müssen. Er bricht bei einem Einkauf zusammen und lernt im Krankenhaus nette Menschen kennen, die ihm ins normale Leben zurückhelfen.

In gewisser Weise wäre das dann eine Umkehrung der Kurzgeschichte „Das Fenstertheater“. Dort holt jemand die Polizei, weil der alte Nachbar sich scheinbar komisch benimmt. Am Ende ist die Voyeurin die „Gelackmeierte“ und muss sich wohl etwas schämen und an sich arbeiten. Hier wäre es andersherum. Hier würde jemand wirklich diesem Mann aus seinem halb selbstverschuldeten Problem heraushelfen.

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